Moin,
Hab den Thread nicht gelesen und antworte daher jetzt einfach auch dem Blauen heraus.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Weisheit "System does matter" zwar für einige von uns längst kalter Kaffee und völlig verinnerlicht, also "Grundstandard" ist, das aber dem Fakt keinen Abbruch tut, dass es viele Spieler gibt bei denen das nicht so ist.
Sicher wirkt es seltsam, wie man so etwas "übersehen" kann. Aber wenn man mal zurückdenkt, so hat sicher auch jeder RPG-Veteran eine ordentliche Zeit gebraucht um zu kapieren, dass das System wirklich mattert. Bei mir waren es geschlagene 10 Jahre.
Heuertags wundere ich mich immer wieder, wie ich das "so lange" übersehen konnte.
Und das muss man sich eigentlich nur ins Gedächtnis rufen, wenn man sich mal wieder darüber wundert, wie eine so grundlegende Wahrheit "übersehen" werden kann.
- Den allseits postulierten Spass? — Nö. Spass hab ich mit meiner Skatgruppe, genauso wie beim Mario-Kart fahren oder mit diversen Runden in diversen verschiedenen (guten wie sauschlechten) RPG-Systemen. Kann also nicht am System liegen der Spass.
hm...jein. Der Spaß an sich möglicherweise nicht, aber sicher die genaue Qualität des Spaßes. Quasi der "Geschmack".
Bei Earthdawn hab ich den rein System-generierten Spaß durch die Mechanik des Hochwürfelns. Bei Fireborn durch die Würfelschieberei und die Sequenzen, bei D&D durch die Möglichkeit die haarsträubendsten Chars oder Combos zu basteln, bei Scion durch die riesige Latte an Resourcen, die mir zu Verfügung steht.
Alles ist Spaß, aber für mich sind das ganz unterschiedliche Empfindungen von Spaß.
Und bei der WoD hab ich sogar überhaupt keinen Spaß am System. Da kommt er rein aus Setting und Plot.
- Schnellere oder langsamere Beilegung von Problemen? — Naja, kann sein, daß das System hier mehr oder weniger hilfreich ist, je nach dem, wie 'ehrlich' es sich darstellt. Aber im Endeffekt kommt es hier doch eher auf die Sozialkompetenz der Mitspieler an. Will heißen: Ein egoistisches sozial inkompetentes Arschloch bleibt eben ein egoistisches sozial inkompetentes Arschloch, bleibt ein egoistisches sozial inkompetentes Arschloch... doesn't matter which system.
Natürlich kann ein System keinen Ausgleich für soziale Inkompetenzen der Mitspieler liefern. Aber darum gehts ja auch nicht.
Es geht rein darum, wie das System das Spielgefühl und den Spielablauf prägt.
Dass man das durch ein totales Arschlch am Spieltisch wegfegen kann ist völlig logisch. Das sind aber zwei unterschiedliche Ebenen.
- Ernsthaftigkeit vs. Blödelei? — Sollte man eigentlich meinen, nich? Andererseits ist es aber auch so, daß ich schon einige totall verblödelte Warhammer und WoD Runden hatte, aber auch schon ein ziemlich ernsthaftes Spiel mit eher blödellig ausgelegten Systemen. Es ist aber tatsächlich so, daß das System zumindest eine Tendenz auf dieser Skala vorgibt (zum Beispiel bezweifle ich ernsthaft, daß mit Wushu etwas anderes als Geblödel möglich ist )
Bei Wushu würde ich da jetzt nicht 100%ig zustimmen, aber was die Tendenz-Überlegung angeht sind wir da einer Meinung.
- Motivation? — Auch wieder ein Jain. Viele Systeme brüsten sich ja mit diversen Motivationsboostern und Belohnungsmechanissmen, die die Spieler regelrecht in den Strudel des eigenmotivierten Spiels hinnensaugen sollen. Manche dieser Mechanismen sind auch wahnsinnig cool (Keys bei TSOY z.B.), aber wenn ich so zurückschaue kann ich nur sagen: Die Spieler, die ohnehin motiviert waren (und auch motiviert gewesen wären, wenn das System Schnick-Schnack-Schnuck wäre) fanden die Mechanismen cool und haben sie gerne und motiviert angewandt, wärend die eher unmotivierten eben eher unmotiviert blieben und das egal ob DSA oder TSOY.
Wieder sind es hier zwei verschiedene Ebenen, die aufeinander wirken. Ist wie im Sport auch. Wenn der Sportler keinen Nerv hat, dann kann das Sportgerät noch so gut sein.
Das System ist keinesfalls der allesbestimmende Gott. Es ist vielmehr einer der prägenden Einflüsse (neben Setting und Plot), welcher aus Grundmotivation, Grundkompetenz, etc. ein spezifisches Spielerlebnis formt.
Wo nix is, kann ich nix prägen/formen. Da ist ein System dann so nutzlos wie ein Golfschläger ohne Golfer.
... und daß das System die Art und Weise der Setting- und SISwahrnehmung verändert mag zwar richtig sein, kann aber jetzt auch nicht so der Stein der Weisen sein, oder?
Es geht ja auch nicht um den "Stein der Weisen".
Sondern darum den einstmals fanatisch angebeteten Stein der Weisen "System is doch total egal" vom unrechtmäßigen Thron zu stürzen.
Sicher ist das System allein nicht DIE Macht am Spieltisch.
Aber es ist EINE Macht am Spieltisch. Und nur darum gehts bei System does matter.
Eigentlich sollte es wohl heissen "System does NOT not matter."