Der wesentliche Unterschied von Realität und Fiktion ist in diesem Punkt wohl, dass die Realität dich auch beeinflussen kann durch Dinge die außerhalb deiner Wahrnehmung und deines Willens liegen, die Fiktion kann das nicht.
Und wofür ist dieser Unterschied relevant? Ob die beeinflussenden Faktoren innerhalb oder außerhalb meiner Wahrnehmung liegen, ist egal. Inwiefern wird dadurch die Aussage entkräftet, dass ich mir eine Spielwelt vorstelle, die größer ist als das, was ich mir bereits über sie vorstelle? Fehlt dir vielleicht die Vorstellungskraft, um diese Möglichkeit nachzuvollziehen? Ich denke eigentlich nicht, denn ich nehme nicht an, dass du über die reale Welt dnkst, dass sie nur so viel ist, wie du dir über sie vorstellst. Es gelingt dir aber offenbar nicht, exakt diesen Sachverhalt auf das Rollenspiel zu transferieren.
Mit dieser Aussage habe ich auch ein Problem. Etwas, was ich mir nur vorstelle, existiert nach meinem Verständnis nicht.
Nach meinem Verständnis existiert es damit in deiner Vorstellung. Zwangsläufig. Es existiert sogar real, in Form von deiner Gehirnaktivität. Es existiert nicht zwangsläufig außerhalb deines Gehirns, wenn du deine Vorstellung für dich behältst, aber wenn du sie deinen Mitspielern mitteilst, existiert sie auch in anderen Köpfen. Ganz real.
Denn ich stelle es mir ja nur vor, d.h. es existiert eine Vorstellung von der Spielwelt, die Spielwelt selbst aber nicht real. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass die Spielwelt größer ist, als das, was ich kenne.
Na also. Mehr brauchst du doch nicht, um meine Definition von Spielwelt zu verstehen.
Das bedeutet, dass mein Problem mit dem obigen Satz ist, dass die Spielwelt a) nur in meiner Vorstellung existiert (die Spielwelt existiert also nicht, sondern nur eine Vorstellung davon) und b) dass alles, was ich noch nicht bespielt habe, was ich also nicht kenne, nicht definiert ist.
Ich verstehe dein Problem nicht. Die Spielwelt existiert in deiner Vorstellung. Und du kannst dir hoffentlich vorstellen, dass die Spielwelt in deiner Vorstellung noch nicht ganz von dir entdeckt ist.
Ich behaupte sogar, dass sich die meisten Rollenspieler genau das vorstellen. Sie stellen sich eine Spielwelt vor, die darauf wartet, entdeckt zu werden und machen sich daran, die Spielwelt zu entdecken.
Die hier so vehement vertretene Ansicht, dass man ja gar nichts entdecken kann, weil das, was man entdeckt, von einem selbst geschaffen wird, ist ein Gedankenkonstrukt, das man durchaus machen kann, aber es entfernt die Theorie von der Wirklichkeit des Rollenspiels. Es ist außerdem kein Widerspruch, dass man seine Entdeckungen selbst erschafft. Rollenspiel ist ein Paradebeispiel dafür. Tagträumereien ein anderes. "Echte" Träume ein weiteres.
Das tut sie aber nicht – alles, was andere über die Spielwelt sagen kann ich ablehnen und mir was anderes vorstellen, genau dasselbe, was ich auch mit dem Vorschlag der Redaktion machen kann.
Ihr bewertet diese Tatsache über. Dass die Möglichkeit besteht, jegliche Vereinbarung bezüglich der Spielwelt zu brechen, ist richtig. Von dieser Möglichkeit wird aber nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht, weil ein massiver Gebrauch das Rollenspiel zerstört. Nicht die Möglichkeit einer Ablehnung ist bedeutend für das Rollenspiel, sondern die verbindliche Einigung, die auch nicht widerrufen wird, selbst wenn die theoretische Möglichkeit besteht.
Ich gehe von der verbindlichen Einigung aus. Sie ist die Grundlage für Rollenspiel. Dass sie gebrochen werden kann, ist trivial, dann ist das Rollenspiel irgendwann beendet. Es interessiert mich aber nicht, wie Rollenspiel beendet werden kann, es interessiert mich, wie laufendes Rollenspiel funktioniert. Und das funktioniert so lange, wie ausreichend Einigung besteht. Die Einigung ist eine Grundvoraussetzung, wir brauchen nicht länger über sie zu reden. Wenn sie da ist, kann es Rollenspiel geben, wenn sie nicht da ist, kann es kein Rollenspiel geben.
Die Möglichkeit einer Ablehnung ist kein Beweis für das Nichtvorhandensein von gemeinsam akzeptierten Inhalten.
Beral sagt, dass Teile der Spielwelt, die man noch nicht entdeckt hat, bereits existieren. Das glaube ich nicht. Denn das würde tatsächlich bedeuten, dass niemand in der Spielrunde einen Einfluss darauf hat.
Das sage ich nicht. Das interpretierst du fälschlicherweise in meine Ausführungen hinein. Die Spielwelt ist überhaupt nicht unabhängig von den Spielern.
Die unbekannten Elemente der Spielwelt existieren nicht so, wie du es meinst. Hier müssen wir aber die Vorstellungen trennen:
1) Es gibt die Vorstellung der uns bekannten Spielwelt.
2) Es gibt die Vorstellung, dass die Spielwelt mehr ist, als das, was uns bekannt ist.
Ich lege die zweite Vorstellung meiner Definition zugrunde. Du gehst von der ersten aus.
Natürlich existiert das Dorf, das erst in 5 Minuten aus einer Zufallstabelle generiert wird, nicht in der ersten Vorstellung. In der zweiten Vorstellung ist aber Raum freigehalten für solche Dörfer. Wir wissen, dass es sie geben muss, weil wir wissen, dass Aventurien mehr ist als das, was wir darüber wissen.
Ich seh nur grad nicht, wo die Unterscheidung möglich ist. Nehmen wir an, sie sei es: Wie können dann Spielwelt und Regeln in Konflikt geraten?
Schau in das 3-Ebenen-Modell. Wenn für die Spielwelt die Schwerkraft mit all ihren Auswirkungen vereinbart worden ist (egal ob implizit oder explizit), eine (extrinsische) Regel aber erlaubt, bei Einsatz von 5 Euro eine beliebige tolle Charakteraktion durchzuführen und der Spieler seinen Charakter ohne Hilfsmittel fliegen lässt, kommen Regeln und Spielwelt in Konflikt.