Die Angst stiehlt alle Kraft aus meinen Beinen, und ich sinke zitternd in den weichen Sessel, der in der Nähe des Spiegels steht. Syroxor hat mich bisher zum Glück nur relativ selten gezielt bestraft, aber ich erinnere mich noch genau und mit steigender Übelkeit an jede einzelne, ewige Minute dieser Gelegenheiten.
Ich sollte aufstehen und aufräumen, etwas vorbereiten, irgendetwas tun, aber ich kann nicht, kann nicht aufstehen, mich nicht bewegen, kaum atmen, so sehr schnürt mir die Angst die Kehle zu.
Doch dann regt sich etwas in mir, etwas Wildes und Hartes wie ein Raubtier, das die Zähne fletscht, weil es Blut riecht, und sei es mein eigenes. Ich erinnere mich daran, wie es war zu kämpfen, wie die Klauen des Gegners sich in meinen Leib gebohrt haben und ich gelacht habe darüber, weil ich zugleich meine Fänge in sein Fleisch bohren konnte. Schmerz ist bedeutungslos, eine Prüfung für den Willen, ein Beweis für Stärke und Würde, und wenn ich etwas gelernt habe, dann ist es, Schmerzen zu ertragen. Syroxor kann mich nicht töten, weil ich nicht nur ihm gehöre, und das bedeutet, dass er mich nicht besiegen kann. Triumph ist alles, worauf es ankommt, und am Ende wird der Sieg mir gehören.
Fremde Gedanken, die mir da durch den Kopf schießen, aber sie fühlen sich gut an, geben mir Kraft. Meine Wangen sind gerötet, und ich fühle mich wie berauscht.
Ich springe auf. Mit wenigen Handgriffen räume ich herumliegende Kleidung und Trinkgefäße auf und laufe dann zur Tür.
Ich weiß, wenn Syroxor erfährt, dass ich fort war, wird er außer sich sein vor Wut, aber gerade fühlt es sich gut an, seinen Willen zu missachten und alle Konsequenzen mit einem Achselzucken abzutun. Er kann mir nur Schmerzen zufügen, und das hat er ohnehin vor.
Ich laufe durch die Gänge der Stadt, ohne auf sie zu achten, obwohl die Schönheit der Steine und Kunstwerke sonst immer wieder meine Blicke auf sich zieht und meinen Tag etwas erhellt. Im Moment achte ich nur auf die Personen, die sich durch diese Gänge bewegen. Ich weiß jemanden, der mir helfen kann, einen Menschen, der ohne zu zucken die Peitsche und die Klinge einer Morai ertragen hat. Natürlich kann er mich nicht in wenigen Minuten zu dem machen, was er ist, aber wenn jemand sich damit auskennt, Schmerzen zu widerstehen, dann er. Ich muss ihn nur finden. Und schnell.
Noch bevor ich die Sklavenquartiere erreiche, läuft mir der erste Mensch über den Weg. Er ist groß und dünn, mit langen, schmutzigen Haaren und etlichen vernarbten Peitschenstriemen auf Brust und Armen. Wie ich es gewohnt bin, blickt er durch mich hindurch, aber diesmal gehe ich auf ihn zu, packe ihn an Arm und zwinge ihn dazu, mich zur Kenntnis zu nehmen.
"Ich suche einen anderen Menschen," sage ich, zu ihm aufblickend. "Groß, muskulös, gebrochene Nase, kahl bis auf einen Zopf am Hinterkopf, " beschreibe ich ihn, "viele Narben, vor allem hier und hier." Ich deute auf Brust und Oberschenkel, wo der Mensch besonders auffällige Narben hatte.
Noch während ich gesprochen habe, hat sich der Mensch mit einem Knurren von mir losgerissen, aber ich glaube, in seinem Gesicht erkannt zu haben, dass er weiß, von wem ich spreche.
Trotzdem ignoriert er mich und läuft weiter, aber ich bleibe hartnäckig und laufe neben ihm her: "Ich will wissen, wo ich ihn finden kann, dann bist Du mich los. Ansonsten folge ich Dir, bis Du es mir sagst!"