Dunkelheit. Schmerz. All meine Glieder fühlen sich an, als habe eine Felsenechse stundenlang auf ihnen herumgetrampelt. Ich öffne die Augen und blicke auf dem Boden liegend hinauf zu einem prächtigen Kronleuchter, in dem unzählige Kerzen brennen.
Ich befinde mich in einer Höhle aus schwarzem, glänzenden Basalt. Die Wände sind übersäht mit Reliefs und Skulpturen, wie es bei den Morai üblich ist, aber diese sind besonders kunstvoll und mit eingelegten Edelsteinen prunkvoll geschmückt. Im Zentrum der genau kreisförmigen Höhle hängt von der Decke der riesige Kronleuchter. Auf den Boden ist mit einer roten Flüssigkeit ein Kreis gemalt. Die Innenfläche des Kreises ist vollständig bedeckt von einem Muster, das mir vage bekannt vorkommt, doch je länger ich auf dieses Muster starre, desto klarer wird mir, dass ich nicht dieses Muster kenne, sondern ein anderes, das irgendwie mit diesem verwandt scheint, eine Art Umkehrung von diesem. Das Muster an der Wand meiner Schlafhöhle.
Ich schwebe in der Luft über dem Mittelpunkt des Ritualkreises, gehalten von Kräften, die schmerzhaft an meinen Armen und Beinen zerren. Ich kann meine Hände und Füße nicht sehen. An den Gelenken verschwinden sie spurlos in einem Flecken flimmernder Luft, der mitten in der Luft hängt. Aber spüren kann ich sie noch, und es fühlt sich an, als wären sie mit unsichtbaren Stricken an etwas festgebunden, das sich bemüht, mir die Glieder aus den Gelenken zu reißen.
Ich bin nicht allein. Direkt innerhalb der Kreislinien stehen in der Verlängerung meiner Arme und Beine vier Morai in kostbaren Roben. Außerhalb des Kreises sind mehrere Sklaven mit verschiedenen Hilfstätigkeiten beschäftigt.
Eine der Morai, der man die Matriarchin sofort ansieht, erklärt, dass die vier Elemente nun durch den "Ankerkörper" sicher miteinander verbunden seien und das Ritual beginnen könne. Die Blicke aller vier Hexen sind auf mich gerichtet, doch sie sehen nur einen Gegenstand, ein Werkzeug, als sie die Arme heben und einen langsamen Gesang anstimmen, der so tief ist, dass er in meiner Magengrube vibriert.
Sofort verstärkt sich der Zug an meinen Händen und Füßen. Ich ächze vor Schmerz. Gleichzeitig erhitzt sich das Flimmern, in dem meine Glieder verschwinden, und beginnt, stärker zu wabern. Nach kurzer Zeit ist es so heiß, dass meine Haut Blasen wirft. Zugleich ziehen die unsichtbaren Stricke immer stärker an meinen Händen und Füßen. Ich beginne vor Schmerz zu schreien.
Ein Sklave kommt zu mir herüber und schiebt mir einen Knebel in den Mund, um das Geräusch meiner Schreie zu dämpfen. Ich versuche, seinen Blick zu erhaschen, ihn mit den Augen um Hilfe, um Erlösung anzuflehen, aber er ist ganz auf seine Arbeit konzentriert, ohne mich zu beachten, und als sein Blick doch einmal über meinen hinweg geleitet, sehe ich in seinen Augen nicht einmal Mitgefühl. Ich würge, hustet und kriege keine Luft, aber ich kann nicht aufhören zu schreien.
Inzwischen ist der Zug so stark, dass ich nicht begreife, warum meine Glieder nicht schon längst aus den Gelenken gerissen worden sind. Meine Stimme bricht. Endlich, endlich schwinden mir die Sinne.
Dunkelheit. Wohlige Wärme. Ich schlage die Augen auf und mein Herz setzt eine Schlag aus, denn ich blicke in das Gesicht von Xafir, das sich mit einem freundlichen Lächeln über mich beugt: "Willkommen in meinem bescheidenen Heim, Xyra'is. Wie schön, dich hier zu haben. Du musst Syroxor unbedingt meinen Dank dafür ausrichten, dass er dich mir ausgeliehen hat." Während er diese Worte spricht, wird sein Lächeln immer böser.
Ich richte mich auf, um etwas Distanz zwischen ihn und mich zu bringen. Ein flüchtiger Blick auf meine Umgebung zeigt, dass Xafirs Heim alles andere als bescheiden ist. Die Wände sind mit Skulpturen, Edelsteinen und Leuchtkristallen übersäht oder von kostbaren Wandbehängen verdeckt. Seine Möbel sind aus perfekt poliertem Blutholz. Die Kissen auf der Bank unter mir sind aus feinster Spinnenseide.
Xafir, den ich sonst vor allem in Rüstung oder praktisch enganliegendem Leder kenne, trägt nun lediglich eine weite Hose aus dünnem Samt. Sein Oberkörper ist nackt, und ich sehe die klar ausgeprägte Muskulatur unter seiner Haut spielen.
Er lacht tief in der Kehle, als er sieht, wie furchtsam ich ihn mustere. So entspannt habe ich ihn noch nie erlebt. Er hat Zeit diesmal, und das lässt mein Herz nur umso schneller schlagen.
Er schlendert zu einem runden Tisch, auf dem eine Karaffe und zwei Kelche warten. Und Xafirs Dolch, mein spezieller Freund. Xafir schenkt schweren, schwarzen Wein in beide Kelche, was ich mir nur damit erklären kann, dass er so meine Aufmerksamkeit auf den Solch lenken wollte. Xafir nimmt sich einen der Kelche und hält den anderen mir hin. Ich habe Angst davor, mich ihm zu nähern, aber ein Angebot, das er mir macht, abzulehnen, scheint mir noch gefährlicher.
Ich nähere mich also vorsichtig und langsam dem Kelch, den er mir hinhält, als könne eine plötzliche Bewegung das schlafende Raubtier wecken.
Zu meiner Überraschung geschieht nichts, als ich nach dem Kelch greife, aber sein Lächeln hat etwas von dem Blick eines lauernden Raubtieres.
Ich rieche misstrauisch an der Flüssigkeit in meinem Kelch, aber nehme nur den schweren Geruch des Weines wahr. Ergeben nehme ich einen kleinen Schluck. Der Wein ist zweifelsohne eine teure Delikatesse, aber mein Mund schmeckt nur nach Asche. Xafir beobachtet mich, noch immer mit diesem gefährlichen Lächeln auf den Lippen.
Dann nimmt er langsam, behutsam den Dolch vom Tisch, und ich erstarre. Er kommt mit ein paar gemächlichen Schritten auf mich zu, seine Bewegungen so flüssig und geschmeidig, dass es fast scheint, als wurde er den Boden nicht berühren. Er hebt langsam den Dolch, als wolle er mich nicht verschrecken oder als wolle er mir besonders deutlich machen, dass ich nicht entkommen kann.
Mit der linken Hand nimmt er den Kelch aus meinen bewegungslosen Fingern, während er mit dem Dolch in seiner rechten Hand über meine Wange streicht. Ich wage nicht zu atmen. Mein Blut rauscht in meinen Ohren, aber ich höre jedes Wort, als Xafir noch einmal ganz leise wiederholt: "Willkommen, Xyra'is."
Mit einer Bewegung, die so schnell ist, dass ich sie kaum sehen kann, obwohl ich seine Hand mit dem Dolch keinen Moment aus den Augen lasse, schneidet er meinen Kittel von oben bis unten auf und hinterlässt dabei eine dünne rote Linie von meinem Halsansatz bis zu meinem Bauchnabel. Ich bin noch immer unfähig, mich zu bewegen oder zu atmen.
Er mustert meinen entblößten Körper von oben bis unten und schüttelt dann mit abfällig verzogenen Mundwinkeln den Kopf: "Ich habe mich schon immer gefragt, ob diese Plumpheit ein Teil Deines Dämonen-Erbes ist."
Er nimmt meine Hand, hält sie einen Moment fast zärtlich und rammt dann den Dolch durch meine Handfläche hindurch in die Blutholz-Tür eines kuntvoll verzierten Schrankes. Ich schreie kurz auf, und beiße dann die Zähne zusammen. Aus dem Bund seiner Hose zieht er einen weiteren Dolch, und streicht mit der Spitze über meinen Bauch, meine Brust und meinen zweiten Arm entlang. Ich weiß, was er tun wird, und meine Beine geben unter mir nach. Ich sinke in die Knie, aber meine eine Hand wird von dem Dolch in der Höhe festgehalten, und meine andere Hand ist fest in Xafirs Griff. Mit einem entschlossenen Stoß nagelt Xafir meine zweite Hand an die Schranktür, so dass ich nun nackt, mit offenen Armen und völlig ausgeliefert vor ihm knie. Ich habe mir die Lippe blutig gebissen, um nicht zu schreien, aber Tränen des Schmerzes und der Angst laufen mir über die Wangen.
"Damit es bei unserem Spiel auch um etwas geht, wirst Du mir verraten, was dein größter Wunsch ist, nicht wahr, Xyra'is?"
Mein größter Wunsch? Für einen Moment weiß ich nicht einmal, wovon er redet. Meine Wünsche haben noch nie wirklich eine Rolle gespielt. Ja, ich habe Wünsche. Ich wünsche mir, von dem Menschen zu lernen. Ich wünsche mir, dass Sirra'Xorr herausfindet, dass ich mehr bin als nur eine Sklavin und ein Halb-Dämon. Aber was ist mein größter Wunsch? Den Sith zu entkommen? Und wo würde ich dann hingehen, eine Halb-Dämonin ohne Familie oder Freunde? Meine Mutter zu befreien? Mein dämonisches Erbe loszuwerden? Ich weiß, dass nichts davon möglich ist. Meine Mutter würde einen Entzug von den Drogen, unter denen Syroxor sie hält, nicht mehr überleben, und ich kann nicht ändern, was ich bin. Was also ist mein größter Wunsch? Was würde mich glücklich machen? Und dann weiß ich es. Das, was ich mir am meisten wünsche ist eine Person, die mich liebt und mich schätzt und respektiert. So, wie ich bin, und für das, was ich bin. Und auch das erscheint mir weitgehend unmöglich, aber es ist wohl doch am ehesten die Antwort auf Xafirs Frage.
Mein Blick wandert zurück zu seinem Gesicht. Er hat mich die ganze Zeit aufmerksam beobachtet und scheint meine Gedanken gelesen zu haben: "Ah, du hast die Antwort gefunden, um die wir spielen. Wie schön. Möchtest du sie mir jetzt gleich verraten? Dann lasse ich dich vielleicht einfach gehen."
Er blickt mich erwartungsvoll an. Ich öffne den Mund, um ihm seine Antwort zu geben, denn welche Rolle spielt es, dass er meinen größten Wunsch kennt, wenn mir das den vorhersehbaren Rest dieses Abends erspart? Aber ich kann es nicht. Ich bringe es nicht über die Lippen. So viel von meiner Würde hat Xafir mir schon genommen und immer wieder in den Staub getreten, dass ich es nicht schaffe, ihm auch noch dieses Stück meines Inneren kampflos zu überlassen. Ich beißen also die Zähne zusammen und schüttele den Kopf. Xafir lächelt hoch erfreut.
Er wendet sich ab und geht etwas holen. Und um mich von meiner panischen Erwartung dessen, was gleich folgen wird, abzulenken, denke ich zurück an diese Vorstellung, die so neu ist und ebenso schmerzhaft wie süß: jemand, der mich lieben würde. Und was, wenn es mein Vater wäre? Wenn er mich einfordern würde und dann zu mir spräche: "Du bist perfekt, so wie du bist. Ich liebe dich." Würde ich das wollen? Und so sehr es einen Teil von mir erschreckt, ja, das wäre eine Erfüllung meines Wunsches. Vielleicht sogar die am wenigsten unrealistische.
Xafir ist nicht weit gegangen, und als er zurückkommt, wischt der Anblick des gezackten Glasdolches in seiner Hand alle Gedanken beiseite. Es dauert nicht lange, bis mein Hals rauh ist von meinen Schreien, während Xafir Streifen meiner Haut herausschneidet und abzieht. Als mein rechter Arm zum größten Teil aus offenem Fleisch besteht, hält er inne, lächelt mich zufrieden an und sagt: "Nun, Xyra'is, bist du schon so weit? Willst du mir verraten, was dein größter Wunsch ist?"
Da bricht die Wut aus mir hervor. Ohne die Schmerzen zu spuren, zerren ich an den Dolchen, die meine Hände halten, fauche und spucke ihm ins Gesicht. Xafir zuckt zurück und fährt sich über das Gesicht, um meine mit Blut vermischte Spucke fortzuwischen. Da gelingt es mir endlich, meine Hände loszureißen, und ich bewege sie auf seinen Hals zu, um das Grinsen aus seinem Gesicht zu würgen.
Auf halben Weg fangen seine Hände meine ab und halten sie mit einer Kraft unverrückbar fest, die ich selbst Xafir nicht zugetraut hätte. Das Gesicht, das ich nun direkt vor meinem ist aber auch nicht mehr das von Xafir. Es gehört einem schwarzäugigen Fremden, dessen scharf geschnittene Gesichtszüge so schön sind, dass mir der Atem stockt und ich für einen kurzen Moment sogar meine Wut vergesse. Dann aber kocht sie von Neuem in mir hoch, und ich versuche mit erneuter Kraft, meine Hände aus seinem Griff zu befreien - ohne jeglichen Erfolg. Sein Griff ist so unbeweglich, als wären unsere Hände in der Luft festgeschraubt.
Der Fremde lacht, ein Lachen echter Freude und dann sagt er: "Du bist perfekt, so wie du bist, Iluan, perfekt für das, wofür ich dich geschaffen habe."
Und mit diesen Worten nimmt er meine beiden Handgelenke in eine Hand, hebt sie über meinen Kopf und schlitzt mich mit einem Messer von oben bis unten auf wie ein Stück wild. Das Blut, mit dem ich rechne, bleibt aus, stattdessen teilt sich meine Haut, und ich entsteige ihr wie einem abgelegten Kleidungsstück. Allerdings habe ich keinerlei Kontrolle mehr über meine Bewegungen.
"Komm, mein Kind," sagt der Fremde, und führt mich, eine Gefangene in meinem eigenen Körper, ins Nebenzimmer. Ein Blick nach unten zeigt mir, dass mein Körper bedeckt ist von weißen Schuppen.
Im Nebenzimmer liegt meine Mutter auf einem luxuriösen Bett. Sie ist nackt und ihre Augen sind halb geöffnet, glasig und unfokussiert, wie ich es gewohnt bin. Ich versuche, den Blick abzuwenden, aber mein Körper gehorcht einem fremden Willen. Mit einer großzügigen Geste auf meine mutter sagt der Fremde: “Hier, für dich, stärke dich.”
Und voll Entsetzen muss ich zusehen, wie das, was einmal mein Körper war, seine Zähne in das weiche Fleisch meiner Mutter gräbt, große Stücke aus ihr herausreißt und ihr Blut schlürft.
Ich schreie, brülle, kreische, so verzweifelt, wie ich es noch nie in meinem Leben getan habe, aber kein Laut ist zu hören...