Nach meiner Auffassung ist der Tatbestand schon erfüllt, sobald das Medium abstrahierte Regelmechanismen enthält, die den Bezug zur Realität verlieren.
Demnach müssten sämtliche Brettspiele, in denen eine "Figur" eine andere "schlagen" kann, in den Anruch der Jugendgefährdung geraten, von Mensch-ärgere-dich-nicht bis Schach? Ich hoffe doch sehr, daß wir so weit noch nicht sind...
Zumal es nicht einmal sinnvoll wäre. Wenn man sich mit einer problematischen Verhaltensweise befassen will, muß man sie zuerst einmal kennen. Der Duellant muß auch die "schmutzigen" Tricks zumindest soweit verstanden haben, daß er weiß, wie er sie abwehrt. Ein "Pen-Tester" (Fachbegriff für jemand, der den Job hat, ein Rechnernetzwerk auf offene Schwachstellen zu prüfen) muß hacken können, möglichst sogar auf dem höchsten Niveau. Kurz: "Know your enemy". Ein Konfliktschlichter muß nicht wissen, wie man Leute manipuliert, um Leute zu manipulieren, sondern um solche Manipulationen zu entdecken und damit umzugehen.
Kinder müssen nicht lernen, wie man sich von hinten anschleicht, um später jemand die Kehle durchzuschneiden. Aber ein Kind, das weiß, wie man sich von hinten anschleicht, kann eher vermeiden, daß man ihm die Kehle durchschneidet. Kinder, die sich mal im Spiel damit befasst haben, welche Folgen es haben kann, wenn man Konflikte in einer bestimmten Weise austrägt, können später qualifiziert davon Abstand nehmen, es auf eine nicht zielführende Weise zu tun.
Aber dafür müssen sie die verschiedenen Varianten kennen und testen können. In einer engen Gemeinschaft (ein Dorf, in dem ungefähr jeder alles von jedem weiß), kann man es beim Aufwachsen am konkreten Beispiel studieren. Märchen, Filme & Co. verlegen den Test in eine fiktionale Welt, in der man sehen kann: "von sowas kommt sowas". Rollenspiele binden die Akteure stärker mit ein, was je nach Menschenschlag die Sache besser oder schwieriger machen kann.
Kinder davon fernzuhalten, würde ich ggfs. sogar als Spezialfall von Kindesmißhandlung betrachten: ein Kind, das von der Welt, in der es sich behaupten muß, nur die Zuckerseiten kennt, ist gar nicht "überlebensfähig". Kinder müssen irgendwann eigene Erfahrungen mit den Schattenseiten, mit Betrug, Lüge, unverständlichen Verhaltensweisen und Reaktionen, Gewalt und Grausamkeit machen. "Know your enemy!" Das heißt nicht, sich ihm anzugleichen. Es kann auch der bewußten Abgrenzung dienen ("Sowas würden wir niemals tun!") und in jedem Fall der Abwehr.
Rollenspiele sind nur dann Rollenspiele, wenn sie Realitätsnähe simulieren.
In welcher Teil- bzw. Fachsprache? Der des P&P-RSP?
Oder ist das so eine Anklage wie die gegen Erdäpfel, die gar keine sein sollen, weil Äpfel ja inzwischen in einer Fachsprache taxonomisch ganz anders eingeordnet werden?
Ich verwende den Begriff Charakter ethymologisch korrekt.
Wenn das die Setzungen der Begriffsbedeutung in einem anderen Sprachbereich verletzt, trägt das nicht zur Verständigung bei und kann insofern als Fehler betrachtet werden. Ich vermute, daß so ungefähr jeder hier weiß, was im Rahmen des Rollenspiels als Zeitvertreib der Begriff "Charakter" bedeutet. Daß sich diese spezielle Bedeutung nicht mit anderen deckt, bedeutet nicht, daß man sich den anderen anpassen müsste. Man muß nur im Blick behalten, daß es sich um verschiedene Teilbereiche der Verständigung handelt.