Ich habe mich dabei erwischt, dass ich die Frage nach dysfunktionalen Gruppen meist damit beantworte, dass dort die Kommunikation gestört ist. Eine gestörte Kommunikation kann natürlich viele Ursachen haben - hauptsächlich basiert sie wohl aber auf zwei Punkten.
Punkt 1: Der Gruppe fehlt das Werkzeug, über Wünsche und Motive im Rollenspiel zu sprechen. Das ist wohl nicht nur ein Problem für Anfängergruppen, denn auch bei "gestandenen" Rollenspielern kann man oft genug beobachten, dass sie, was Kommunikation angeht, nur auf bewährte Muster zurückgreifen. Sie reflektieren nicht ihre Sicht der Gruppe im Zusammenhang mit ihren Zielen, sondern sprechen entweder nur über ihre eigenen Ansprüche oder nur über die "Fehler" der anderen.
Wie könnte man diesen Punkt beheben? Theorien und Spielmodelle gibt es in imho ausreichender Form. Wichtig ist, dass sie in eine Form gebracht werden, derer sich die durchschnittliche Gruppe bedienen kann.
Punkt 2: Hier fallen viele Parallelen zu gutem Sex auf. Wenn alle Beteiligten offen über Probleme und Wünsche/Phantasien sprechen können und in der Lage sind, die Wünsche/Phantasien der anderen ohne Vorurteile aufzunehmen, ist schon viel erreicht. Es geht in diesem Punkt noch nicht darum, dass man konkret auf diese Ansprüche eingeht, aber wichtig ist, dass man versucht, sich in andere Personen hineinzuversetzen.
Theoretisch sollte das einem guten Rollenspieler einfach gelingen können. Praktisch sehe ich hier eine Diskrepanz - genau wie eben ein Rollenspieler zwar Charaktere spielt, die seinem Wesen nicht entsprechen, aber er sie trotzdem heimlich benutzt, um verborgene Gelüste zu befriedigen. Wenn ich als Mensch eine komplette Ablehnung gegenüber z.B. Vergewaltigungen habe, kann ich mir auch nicht vorstellen, sowas jemals im Rollenspiel anzubringen.
Aber gerade das vorurteilsfreie Anhören ist eben der entscheidende Knackpunkt: Das ist die Voraussetzung, dass ich meinen Gegenüber ernst nehme und seine Sicht nicht von vorn herein als "falsches Rollenspiel" abtue.
Diesem Punkt könnte man z.B. mit ein wenig Anonymität die Schärfe nehmen. Wenn man z.B. ein Internet-Tool zur Verfügung hätte, in dem alle Spieler (inkl. SL) einer Gruppe erstmal ihre Ansprüche an ein gutes Rollenspiel und einen gelungenen Spielabend festhalten können, könnte man schauen, ob sich ein Gruppenkonsens finden lässt. Alternativ wäre es ja auch möglich, z.B. zwei Spielrunden zu spielen, um unterschiedliche Geschmäcker zu befriedigen - man muss nur vorher wissen, dass es diese unterschiedlichen Geschmäcker überhaupt gibt.
Punkt 3: Der dritte Punkte ist sicherlich der schwerste und hat weniger mit der Kommunikation als mit der Umsetzung dessen zu tun, was man durch funktionierende Kommunikation erfährt. Die Spieler müssen in Ernstfall (so sie sich nicht von vorn herein eine Gruppe suchen, die ihren Ansprüchen genügt) in der Lage sein, zurückzustecken. Wenn eine Spielrunde sich darauf geeinigt hat, einmal pro 2 Wochen The Pool und einmal pro 2 Wochen D&D zu spielen, dann muss folgendes klar sein: Diejenigen, die sich The Pool gewünscht haben, kommen bei diesem Spiel auf ihre Kosten und diejenigen, die sich D&D wünschen, bekommen dort ihr Fett weg. Beim jeweils anderen Spiel ist man aber keineswegs dazu verdammt, keinen Spaß zu haben - immerhin ist man mit Leuten zusammen, denen das, was man gerade tut, richtig Freude bereitet und eventuell hat man dadurch, dass man den anderen ihren Spielstil zugesteht, sogar selbst etwas Interesse daran gefunden. Und im Zweifel freut man sich eben heimlich auf die nächste Runde des eigenen Favoriten und gönnt den anderen etwas Spotlight.