Hier sind schon viele interessante Lösungsansätze vorgeschlagen worden. Das Patentrezept kann es aber nicht geben, weil die Ziele unterschiedlich gesetzt werden können. Für jedes Ziel gibt es eine gute Lösung, aber wenn Leute die gute Lösung für ihr Ziel anderen aufzudrücken versuchen, bzw. damit gegen andere Ziele argumentieren, tun sie dies quasi an der Zielstellung herbei.
Es kann ein Ziel sein, jedem Spieler das Ausspielen jeder beliebigen Rolle zu ermöglichen. Dann muss man damit rechnen, dass Spieler, die keine zwei Sätze am Stück sprechen können, einen Rhetorikmeister spielen und gemäß der Zielsetzung erwarten, dass sie erfolgreich sind, auch wenn sie ihre Rolle nicht ausspielen können.
Es kann ein Ziel sein, die Handlungen und Gespräche live zu erleben und sich nicht mit "ihr diskutiert jetzt... *würfel* du hast ihn überzeugt" zufrieden zu geben, bzw. solche Lösungsformen ausdrücklich zu vermeiden.
Beide Ziele sind legitim. Und sie beißen sich unter Umständen, wie das Eingangsbeispiel zeigt.
Ich geselle mich zu der Partei, die ein möglichst häufiges und intensives Ausspielen zum Ziel hat. Nicht weil das besser ist, sondern weil das meinem persönlichen Geschmack entspricht.
Stellen wir uns verschiedene Eigenschaften und Fertigkeiten als Kontinuen vor, deren Endpunkte Gegensätze markieren. Zum Beispiel intelligent - dumm, introvertiert - extrovertiert, rhetorisch begabt - rhetorisch unbegabt, präsent - unauffällig. Irgendwo auf diesem Kontinuum soll der Charakterwert angesiedelt werden. Und irgendwo auf dem gleichen Kontinuum könnte man auch die reale Eigenschaft des Spielers verorten. Bei introvertiert - extrovertiert bin ich z.B. deutlich in Richtung introvertiert anzusiedeln.
Soweit ich mir Gedanken dazu gemacht habe, komme ich zu dem Schluss, dass der Spieler sich von seiner realen Stellung auf dem Kontinuum darstellerisch nur in eine Richtung gut verbiegen kann. Ich kann einen Char darstellen, der noch introvertierter ist als ich selbst, aber ich kann mich kaum extrovertierter darstellen. Ich kann mich dümmer geben, als ich wirklich bin, aber ich kann mich nicht intelligenter spielen. Ich kann ungeschickter sprechen, als ich es könnte, aber ich kann keinen Rhetorikgenie spielen, wenn ich als Spieler diese Fähigkeit nicht besitze.
Unter Berücksichtigung meiner Zielsetzung und Vorliebe, die Handlungen meines Charakters nicht durch abstraktes Würfeln, sondern durch live-Schauspielerei darzustellen, lautet meine Lösung: Entferne dich nicht zu weit in die Richtung, die du nicht darstellen kannst. Diese Lösung bringt eine große Einschränkung mit sich - ich kann meinem Ego nicht schmeicheln, kann im Rollenspiel nicht der Held sein, der all meine persönlichen Unzulänglichkeiten überwindet. Dafür kann ich meinen Charakter wirklich darstellen!
Um die Konflikte zu vermeiden, die hier Thema sind, muss man sich als Gruppe für eine Zielsetzung entscheiden. Für jede Zielsetzung gibt es eine Lösung. Aber wenn man beides haben will, entsteht permanentes Konfliktpotential, mit dem man leben und umgehen muss.