Stellen wir uns eine einfache Rollenspielszene vor. Die Charaktere sitzen in einer Taverne. An der Theke beginnt ein besoffener Typ die Gäste anzupöbeln und steigert sich immer mehr rein. Einem der Charaktere wird's zu bunt, er will den Betrunkenen zum Schweigen bringen, geht hin und haut ihm in die Fresse. Der Kerl fällt vom Hocker und bleibt bewusstlos liegen. In der Kneipe herrscht Ruhe und der Charakter kehrt zufrieden zu seinem Platz zurück.
Soweit der objektive Tatverlauf.
Ich bringe einen willkürlich zusammengesetzten Strukturbaukasten ins Spiel, mit dem wir an dieser Szene herumfummeln können:
Ziel ---> Handlung ---> Ergebnis
Dieser Baukasten grenzt die Handlungen der Charaktere ein. Sie beginnen mit einem Ziel und enden mit einem Ergebnis. Die Handlung führt vom Ziel zum Ergebnis, von einem Zustand zum nächsten. Das Ergebnis kann, muss aber nicht deckungsgleich mit dem Ziel sein.
Ich wende den Strukturbaukasten auf das obige Beispiel an. Halgar hat das Ziel, den Betrunkenen zum Schweigen zu bringen. Die Handlung, die das realisieren soll, ist ein Faustschlag. Im Ergebnis schweigt der Betrunkene, weil er bewusstlos ist.
Wofür könnte diese Strukturierung nützlich sein?
Die dargestellte Szene ist ein Interaktionsprozess. Das ist nicht einfach eine Geschichte, die sich ein Autor ausdenkt, das ist eine Geschichte, die aus der Verhandlung mehrerer Mitspieler hervorgegangen ist. Verhandlungen müssen irgendwo ansetzen. Recht gebräuchlich ist z.B. die Übereinkunft, dass Ergebnisse nicht einfach bestimmt werden, sondern dass ein Würfelwurf einen Einfluss darauf nimmt, indem er zwischen Handlung und Ergebnis eingeschoben wird.
Schon mit dem kleinen Baukasten lassen sich etliche Möglichkeiten ableiten, wie die Szene hätte dargestellt werden können. Welche Elemente werden von wem angesagt und wer entscheidet wie über den Ausgang? Welche Rolle, wenn überhaupt, haben dabei die Würfel?
Nur ein paar Beispiele:
* Der Spieler sagt, welches Ziel er verfolgt und auf welchem Wege er es erreichen will. Der SL sagt das Ergebnis an.
* Der Spieler sagt, was er tut, ohne sein Ziel zu verraten. Der SL sagt das Ergebnis an.
* Der Spieler sagt, welches Ziel er verfolgt und würfelt. Der SL sagt die Handlung und das Ergebnis an.
* Der Spieler sagt, welches Ziel er verfolgt und würfelt. Zu der Qualität des Wurfes überlegt sich der SL ein passendes Ergebnis und der Spieler eine passende Handlung.
* Der Spieler sagt Handlung und Ergebnis an, würfelt. Anhand der Qualität des Wurfes wird entschieden, wie weit die tatsächlichen Handlung und Ergebnis von den angesagten abweichen.
* Der Spieler sagt das Ziel an, würfelt, und der SL gibt das Ergebnis bekannt.
Und so weiter. Es gibt etliche Kombinationsmöglichkeiten, die ich bei weitem nicht alle überblicke. Zu den drei Elementen des Baukastens kommen die Würfelwürfe hinzu, die auf verschiedene Art und Weise die Verhandlung der Szene beeinflussen. Sie können z.B. eine ja/nein Entscheidung über das Ergebnis fällen. Oder sie geben eine Qualität der Handlung an, wonach das Ergebnis von einem Mitspieler bestimmt oder in der Runde verhandelt wird. Das Ergebnis kann also offen oder vorherbestimmt sein. Die Erzählrechte können verschieden verteilt sein. Einzelne Elemente aus der Reihe Ziel -> Handlung -> Ergebnis können ausgelassen werden.
Welche Konsequenzen hat das für das Rollenspiel? Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus den jeweiligen Zugangsweisen? Welche Zugangsweisen sind für welche Zielsetzungen nützlich bzw. nutzlos? Welche Rolle spielt der Inhalt der Szene? Welche Rolle spielen die Beziehungen und Vorlieben innerhalb der Mitspielergruppe?
Es ist nur ein Brainstorming meinerseits. Vage Gedanken, die ich in kein sauberes methodisches Konzept einordnen kann. Fragen, auf die ich keine Antworten habe.