Das mag wie ein Systemkrieg wirken aber ich spüre eine Erschütterung der F!F!F! Macht in unserer Runde, kurzum, der Zweifel geht um. Ich möchte dazu gerne ein paar Argumente sammeln mit denen ich dagegen halten kann.
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(wenn ein Mitspieler allen Ernstes der Meinung ist, man hätte bei GURPS mehr Einfluss auf seine Ini als bei SW, dann kann man nicht mehr vernünftig diskutieren).
Da ist dann wohl nichts mehr zu wollen.
Deine Spieler scheinen eben die feineren Details, die das REGELWERK bietet, als die für sie EINZIG RELEVANTE Individualisierungsmöglichkeit zu sehen. Das mag Gewohnheit, persönliche Vorliebe, mangelndes "Über den Tellerrand schauen" oder was auch immer sein. Effektiv bekommen sie von SW aber NICHT das, was sie sich wünschen.
Das bedeutet, ihr spielt miteinander lieber wieder mehr GURPS, wenn Dir daran gelegen ist, Deine Spieler glücklich zu machen. - Oder Du suchst Dir andere Spieler (das ist ja hier im Forum die übliche Antwort auf solche Probleme, mußte ich feststellen - als ob man seine FREUNDE wechselt wie seine Unterhosen!).
Savage Worlds bietet regeltechnische Elemente zur Individualisierung:
- Charakterkonzept
- Common Knowledge
- Hindrance (samt Trappings derselben)
- Edges (samt Trappings derselben)
- Skills (samt Trappings derselben)
- Powers (sowieso mit Trappings)
- Ausrüstung (samt Trappings derselben)
Und ALLES ANDERE, was zur Individualisierung gehört, wie z.B. bestimmte Sprechweisen, bestimmte Vorgehensweise im sozialen Umgang oder in Kampfszenen, fanatische Liebe zu seinem Luxusflitzer, schleppt nur Rothaarige ab, verwendet niemals Einschüchtern, auch wenn er es könnte, weil er meint, sein Charakter sei ein zu frommes Lamm dafür, muß immer die dickste Waffe des jeweiligen Settings haben und sie auch ständig mitschleppen, egal wieviel Ärger das mit den Behörden bringen mag, usw.
Einiges davon könnte unter Edges/Hindrances fallen. Anderes fällt aber unter den Regel-GEBRAUCH (alle Manöver stehen JEDEM Charakter offen, doch gibt es Leute, die als ihren persönlichen Stil einfach sehr oft nur den Gegner zu entwaffnen versuchen, statt ihn mit Wild Attack zu spalten). Weiteres fällt unter "Kolorit", die Farbgebung des Charakters - und das ist die "weiche" Individualisierung, die in egal welchem Regelwerk meist keinen Mechanismus wert ist, weil sie wirklich nur die Wahl der Krawatte oder den Haarschnitt betrifft.
Zu Charakterkonzept und Common Knowledge hatten wir das Thema ja schon anhand solcher sinniger "Fertigkeiten, die nur auf dem Bogen stehen, auf die man aber ja nie würfeln muß", sondern die nur zur Ausschmückung des Charakterhintergrundes mit Charakterbastelpunkten teuer bezahlt werden.
Hindrance haben natürlich auch ihre Trappings. Ich habe in ein und derselben Gruppe z.B. GRUNDVERSCHIEDENE Verständnisse von Loyal erlebt. Oder was bedeutet Heroisch für DEINEN Charakter im Unterschied zu meinem. - Ich ermutige meine Spieler ihre Hindrances nicht einfach nur mit der Kurzform aus dem Regelwerk aufzuschreiben, sondern sich zu überlegen, was jede einzelne für sie selbst ganz individuell bedeutet und wie sie diese ins Spiel bringen können.
Edges haben auch Trappings. Der eine First Strike Charakter ist ein ständig in Bewegung befindlicher Messerkämpfer, bei dem man erst dann weiß, daß man zu nah dran war, wenn er einem das Gesicht abzieht. Der andere ist ein Samurai, der mit stoischer Ruhe ganz gelassen auf den herannahenden Feind wartet, um ihm in einer perfekten Aktion den Schädel zu spalten. Beides DASSELBE Edge, beides aber ganz andere INDIVIDUELLE Umsetzungen für ganz andere Charakterkonzepte. Trappings eben.
Skills haben natürlich auch Trappings. Der Hacker in einem Sci-Fi-Setting hat Lockpicking und Stealth. Und das ist bei ihm etwas völlig anderes als das Lockpicking und Stealth eines Diebes in einem D&D-like Loot&Pillage-Fantasy-Setting. Streetwise ist für den Plattfuß das Abklappern seiner zwielichtigen Kontakte, aber für die adelige Gräfin Mariza ist das ein Ein- und Ausgehen in den angesagtesten Salons und auf den informationsreichsten Bällen der Stadt. Auch Trappings.
Über Powers und Trappings sollte eigentlich so langsam jeder Bescheid wissen.
Ausrüstung wird hinsichtlich der Trappings auch leicht unterschätzt. Klar haben die Waffen oft dieselben Spielwerte. Warum auch nicht? So ein großer Unterschied liegt eh meist nicht vor. Den Unterschied macht der CHARAKTER mit dem, was er mit Waffen und sonstiger Ausrüstung anstellt. Daß Ausrüstung zum Charakter gehört, hat Risus vor den meisten anderen Rollenspielen klipp und klar herausgearbeitet: dort gehört die Ausrüstung zum Klischee. - Bei Savage Worlds gehört die Ausrüstung zum Charakterkonzept und macht aus zwei Charakteren mit derselben Ausstattung unterschiedliche Persönlichkeiten. Der eine Gunslinger trägt seinen schon x-mal zerballerten Staubmantel und seinen vor Schweißrändern fleckigen Hut. Er trägt sein Holster tief. Es hat Abriebspuren dort, wo er immer sein Zündholz entzündet um sich eine Zigarette anzustecken. Seine Stiefel haben so komische dunkle Flecken. Das meiste davon sein eigenes Blut. Er hat es bislang nicht für nötig gehalten sie putzen zu lassen. Der nächste Schuß ins Bein kommt sowieso bald genug. - Der andere Gunslinger trägt einen schwarzen Staubmantel aus feinstem englischen Garn, den er aus dem Osten hat importieren lassen, und einen Hut, der so aussieht, als käme er gerade vom Hutmacher, abgesetzt mit einem echt silbernen Hutband. Sein Holster ist eine wohlgepflegte Schönheit, die in schwarzem Leder seinen Silbercolt mit Perlmuttgriffschalen besser zur Geltung bringt. Seine Stiefel sind so blank poliert, daß er damit den Gegner blenden könnte, wenn das nicht besser durch die darauf angebrachten Silberspitzen ginge. - Zwei Gunslinger, zwei INDIVIDUEN. Ganz unterschiedliche Typen, die bei Betreten einer Stadt oder eines Saloons (trotz IDENTISCHER Spielwerte der Ausrüstung!) ganz andere Reaktionen der Bevölkerung auslösen werden.
Ich finde es erstaunlich, daß Deine Spieler die Individualisierung ihrer Charaktere so sehr am Regelsystem festmachen. - Ich habe damals mit Classic Traveller, Gamma World 1st Ed. und D&D Basic Set angefangen - und ÜBERALL hochgradig individualisierte Charaktere gespielt. Und das, auch ohne hier eine Unterstützung durch das Regelsystem dafür zu bekommen.
Für mich ist Charakterindividualisierung NICHT ausschließlich über das Regelsystem möglich. Sogar bei sehr detaillierten Regelsystemen wird der Detailgrad NIEMALS ausreichen, um alles, was ICH für MEINE Charaktere an Individualisierung haben will, auch tatsächlich regeltechnisch abzubilden. - Das versucht ja auch kein einziges mir bekanntes Rollenspielsystem. Auch GURPS nicht!
Kann es sein, daß das Herumreiten auf "zuwenig Individualisierungsmöglichkeiten bei Savage Worlds" nur vorgeschoben ist, und daß Deine Spieler eigentlich ein anderes Problem haben, was sie sich aber nicht direkt anzusprechen trauen, so daß sie auf diesen Individualisierungs-Punkt beim Regelsystem ausweichen?