@ AllgemeinheitEines vorneweg:
Statistik ist eines der Felder der Mathematik, die einem Laien schwer zugänglich gemacht werden können.
Wenn man etwas über Algebra, Vektoranalysis, Kryptographie, Zahlentheorie oder dergleichen erzählt, dann kommt häufig die Reaktion:
"Versteh ich eh nicht. Ich glaub dir mal einfach. Schließlich studierst du das auch."Das ist bei Stochastik anders. Hier glauben die Leute, dass sie es verstehen, aber sie tun es nicht.
(Das ist jetzt keine Beleidigung, sondern nur eine Feststellung: Ich verstehe schließlich auch vieles aus Biologie, Chemie oder Psychologie nicht, eben weil es nicht mein Studienfach ist.)Wenn man als Mathematiker einem Laien daher etwas über Stochastik erklären will, muss man ihm erstmal begreiflich machen, dass das, was er glaubt über Stochastik zu verstehen, falsch ist.
Bekanntestes Beispiel dafür ist das
Ziegenproblem, wo Laien fast immer zu dem falschen Ergebnis kommen. (Und viele dann dem Mathematiker sogar vorwerfen, er würde sich irren. -
Falls jemand unter euch auch glaubt, die Wahrscheinlichkeit beim Ziegenproblem betrage 50% und nicht 66%, dann empfehle ich dieser Person, es einfach mal häufig auszuprobieren. Das sollte auch die letzten Zweifler überzeugen.)
Es gibt ja auch das berühmte Zitat (das oft fälschlicherweise Churchill in die Schuhe geschoben wird): "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast."
Dieser Satz ist jedoch falsch. (Und falls Churchill ihn tatsächlich gesagt hat, dann hätte er sich geirrt.)
Korrekterweise müsste man sagen: "Glaube nicht, eine Statistik richtig interpretieren zu können, wenn du keinen Mathematiker dabei hast, der dich dabei unterstützt." (Viele Laien lesen aus Statistiken Sachen heraus, die gar nicht darin stehen. Und andere Sachen, die man aus der Statistik schlussfolgern kann, übersehen sie dann.)
Es soll sich jetzt keiner im Besonderen angesprochen fühlen. Dieser Absatz war an die Allgemeinheit gerichtet.
@ CarthiniusNur weil ich NICHT die 17 beachtet habe, sondern die 3, die dann zweimal kam, kann ich hinter nicht mehr sagen: "Moment, die 17 kam ja überhaupt nicht, das ist ja interessant!"?!
RICHTIG!
Wenn du das persönlich verdächtig fändest, müsstest du eine neue Versuchsreihe starten und bei den nächsten 100 Würfen die 17 beobachten. (Und würdest dann evtl. feststellen, dass die 5 nur einmal erwürfelt wurde.)
Das ist doch - mit Verlaub - Mumpitz!
FALSCH!
Denn wie gesagt, Zufälligkeiten passieren (fast) immer.
Mit 55% Wahrscheinlichkeit wirst du bei 100 mal würfeln (eines perfekten platonischen W20) eine Zahl dabei haben, die höchstens einmal auftrat.
Es ist also KEINE Zufälligkeit, dass es eine Zahl gibt, die keinmal auftrat. Im Gegenteil: Wenn ich einen perfekten W20 habe, erwarte ich sogar, dass es eine Zahl gibt, die höchstens einmal auftritt. Es ist WAHRSCHEINLICH (mit 55%), dass es eine Zahl gibt, die höchstens einmal gewürfelt wird.
Aber es ist sehr unwahrscheinlich (nämlich nur 3,7%), dass genau die Zahl nur einmal gewürfelt wird, die du dir ausgesucht hast. (Disclaimer: Für wissenschaftliche Untersuchungen sind 3,7% immer noch verdammt hoch und nicht wirklich aussagekräftig. Für ein Hobby ist eine Wahrscheinlichkeit von 3,7% aber klein genug.)
Aus der Zahl alleine kann man jetzt noch keine wirklichen Schlussfolgerungen stellen. man bräuchte noch die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiger (ungetesteter) Würfel nicht perfekt ist. Und wenn diese Zahl nicht zu klein ist, dann kann man aus der Tatsache, dass das Ergebnis extrem unwahrscheinlich ist und über den
Satz von Bayes folgern, dass der Würfel nicht perfekt ist.
Wenn das Ergebnis aber nicht unwahrscheinlich ist, dann kann man das daraus nicht folgern.
Für einen Nicht-Mathematiker mag das ziemlich unintuitiv sein. Wenn man sich aber mal ein bisschen mit Mathematik auf der einen Seite und mit Zahlenmystik als Contrapart beschäftigt, dann wird es relativ schnell intuitiver.
@ FeuersängerUm zu wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der getestete Würfel nicht in Ordnung ist, muss man vorher wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein beliebiger (nichtgetester) Würfel nicht in Ordnung ist. (Wobei ich einfach mal schätze, dass jeder Würfel irgendwie abweicht. "Nicht in Ordnung" würde dann also bedeuten: Weicht stärker von der Gleichverteilung ab als "normal".)