Ja, aber moralisches handeln hat nunmal wenig mit moralischem Spiel zu tun.
Hm, vermutlich lässt sich darüber vortrefflich streiten. Denn "im Spiel" handelt der Charakter. Es wird das "Handeln" des Charakters / NSCs bzw. dessen Konsequenzen reflektiert.
Vor allem bei Deinem Ego-Shooter-Beispiel scheinst Du mir auch die verschiedenen Ebenen verschwimmen zu lassen. Klar, das "Zombie-Metzeln" wird moralisch damit gerechtfertigt, die Welt zu retten. Die "moralische Regel" heißt dann: Es ist O.K., diese Zombies zu metzeln. Insbesondere in der Zuspitzung, dass eine Invasion "droht", handelt es sich dann um "moralisches Handeln". Du brauchst also nicht viel nachzudenken, weil Dir das Spiel alle "moralische Legitimation" für dieses Tun an die Hand gibt. Zombies = Bedrohung, fertig. Dieses Handeln -
im Spiel (!) - wird nicht wirklich hinterfragt. Braucht es in dem Fall auch nicht.
Der Konflikt entsteht erst, wenn Du auf eine andere moralische Sicht triffst. Dann setzt das Nachdenken ein. Und dann reflektierst Du. Eben benanntes Zombie-Beispiel kann nämlich auch zu tiefst unmoralisch sein, wenn Du deren Perspektive einnimmst. Wenn Du deren "Bedrohung", deren "Bösartigkeit" usw. hinterfragst. Das kannst Du auch auf einer ganz anderen Ebene tun: Da Zombies "untot" sind, würde nämlich die Frage auftauchen, wie Du mit diesen "untoten Lebewesen" umgehen sollst. Damit würdest Du also diese Fragestellungen mit Deiner wahrgenommenen Realität (der "Realwelt") in Beziehung setzen. Entsprechend hängen dann also noch ganz andere Fragen dran.
Wenn Du dann den Charakter aus diesen Reflektionen heraus handeln lässt, ist es etwas gänzlich anderes, als wenn Du für den Charakter einfach nur ein vorgesetztes Handlungsschema übernimmst - wie z.B. "Zombies sind böse, bedrohen die Menschheit, also töte sie!".
Gleichwohl ist natürlich auch klar, dass dieses "Handeln im Gedankenspiel" etwas anderes ist als die realen Handlungen im Alltag, denn die "Gedankenspielhandlungen" sind "virtuell". Worauf ich hinaus möchte, ist, dass auf dieser virtuellen Ebene oben besagte Unterschiede zu machen sind. Das "Handeln" der Charaktere ist für uns zwar fiktiv, aber für die "virtuelle Welt" kann das sehr "real" sein.
Es ist auch klar, dass sich die "Moral" einer virtuellen Welt auch gänzlich von der unsrigen unterscheiden kann. Das bedeutet jedoch
nicht, dass die dortigen Handlungen unmoralisch sind. Unmoralisch wären sie womöglich, wenn wir sie auf unsere Realität übertragen. Auch diese Unterscheidung ist wichtig, denn nicht jede Spielerin, die eine uns unverständliche Aktion im Spiel ausübt, muss dieses auch in der Realität tun. Ich denke, diese "Realitäten" sollten da schon unterschieden werden. Rein sachlich und um dem Vorurteil einer mangelnden Differenzierung zwischen Virtualität und Realität keinen Vorschub zu leisten.
[Edit]
@ ChristophDolge:
Da ich mich vornehmlich für Design interessiere - mit was für Mitteln könnte man den Spielern erleichtern, diese Moralischen Fragen zu behandeln?
Vielleicht wird es Dich erstaunen, wenn ich das mal so unverblümt gegenfrage: Aber, warum muss das "geregelt" sein? Unser Hobby ist "Rollenspiel", da fällt das vielleicht in jenen Bereich, der "gespielt" werden soll. Bei dem es auf das "Hineinversetzen" ankommt.
Ich gebe zu, gerade hinsichtlich der XP-Vergaben ist das ein Problem, weil sich dafür sicher auch keine wirkliche Maßstäbe finden lassen. Auf der anderen Seite ist es vermutlich so, dass sich diese "Tiefenthemen" auch nicht wirklich in Regeln zu gießen sind.
Mich selbst hat bei D&D immer diese Gesinnung gestört. Mag sein, dass dieses Denken einem "amerikanischem Kulturding" entspringt. Aber ich konnte damit weder was anfangen, noch habe ich das Gefühl gehabt, dass es hilfreich ist. Ich habe mich deshalb auch immer eingeengt gefühlt. Mein Eindruck war zudem auch eher, dass es zu "plakativen Charakteren" führt. Frei nach dem Motto: "Mein Charakter ist
böse, also tut er auch
Böses!". Unreflektiert wird dann etwas getan, was vermeintlich zum Charakterkonzept passt; oder es wird einfach "vorgeschoben", um mal "unmoralische Dinge" zu tun. Dass ein "Bösewicht" sich selbst sicher weniger als "Bösewicht" bezeichnen würde, das passt da nicht ins Konzept. Das wäre der Reflektion zu viel.
Ich kann also nur sagen, dass ich dazu - designmäßig - wenig regeln würde. Das eher im Spiel umsetzen täte. Viel wichtiger wäre m.E., eine gute und verständliche Setting-Beschreibung. Dann nämlich hast Du eine Art Leitfaden an der Hand, wie das Handeln der Charaktere in der Spielwelt zu werten ist. Und dann können auch "aktuelle Realprobleme" mit in die Spielwelt getragen werden. Ein wirklich gutes Setting wäre also m.E. das A und O.
Oft ist es schon schwer genug, den moralischen Ansprüchen in Standardszenen gerecht zu werden.
Welche? Die eigenen oder die der Spielwelt? Und inwiefern ist das schwierig?
Arbo