Vermi, ich vermute deine Probleme mit dem Forge Gedankengut resultieren größtenteils aus deiner eigene Wahrnehmung als Forge-Insider. Hier im alten Europa kenne ich keinen der Kohärenz ausschließlich als "Reduce to the max" auslegt (außer vielleicht Fredi
). Du verwechselst eventuell auch die Forge-Designtradition mit den theoretischen Grundlagen (Oder versuchst du dass nur aufzudecken? Ich bin mir nicht ganz sicher). Diese Grundlagen sind natürlich sehr abstrakt und können unterschiedlich umgesetzt werden. Du sagst ja bereits selbst dass man kohärentes Design keinesfalls als absolute Reduktion verstehen muss.
Kohärenz bedeutet erstmal nur dass die Spieler verstehen was die anderen Spieler machen und wollen. Das ist sogar ganz explizit, wie alles was mit "System" zu tun hat, auf individueller Gruppenebene definiert. Auf das Design bezogen heißt das im Allgemeinen nur, dass der Autor dabei helfen muss die Gruppenkommunikation in eine Richtung zu lenken die dann kohärent werden kann.
Eine Möglichkeit dies umzusetzen ist es nunmal einfache und strenge Vorgaben zu machen. Die Forge-Designschule sehe ich als eine Art Proof-of-Concept, Designerspiele eben. Sind das "richtige" Rollenspiele? Ja. Versuchen sie aber auch dass umzusetzen woran andere Autoren gescheitert sind? Nein! Sie versuchen es gar nicht, weil man weiß dass es schwierig ist und dass man es noch nicht kann.
Kein Wunder dass diese Art von Spielen "eindimensional" wirken, denn sie sind es und das ist meist auch die Absicht gewesen. Der Gedanke dahinter ist es erstmal etwas einfaches richtig zu machen, als etwas Großartiges falsch zu machen. Außerdem ist alles leichter zu verstehen, wenn es erstmal in Einzelteile zerlegt wird, das ist Analytik. Du sagst es ja selbst.
Dieses Prinzip darf man nun aber nicht mit dem Grundgedanken der Kohärenz verwechseln. Und sollten das viele doch verwechselt haben, dann hat das nichts mit der Forge-Theorie zu tun die dahinter steht, sondern damit dass es Leuten leichter fällt etwas nachzuahmen (Forge-Design) als etwas zu verstehen (Forge-Theorie), das ist der natürlich Lauf der Dinge.
Du sagst das ja alles selbst, nur rennst du damit wahrscheinlich offene Türen ein (wie ja die Reaktionen hier es zu zeigen scheinen).
Die Ganze Sache mit GNS und der Ausschließlichkeit bestimmter CAs, sind auch deine forgigen Sichtweisen dieser Konzepte, die von niemandem mit dem ich persönlich diskutiert habe so gesehen wurden wie du sie hier darstellst. Ausschließlichkeit und Vollständigkeit von GNS sind die ersten Dinge die
immer angezweifelt wurden, auch von "Experten" die die Grundlagen kennen.
Auch die Sache mit dem Reward ist nicht so gemeint wie du es darstellst. Reward ist eben
nicht das Leckerli das der Autor dem dressierten Spieler hin wirft der sich brav verhalten hat. Ich glaube aber du weißt das. Aber auch das ist wieder missverstandene Theorie.
Jetzt kann man natürlich sagen: Ok, aber was will die Theorie dann? Was sollen wir "in echt" machen? Das ist eben die Frage nach Techniken. Es war hier schon vor Jahren Konsens, dass man sich mehr um Techniken kümmern sollte. Aber viele theoretische Grundlagen sind noch gar nicht da. Die interessanten Sachen sind unvollständig. Techniken leisten immer nur eine bestimmte Sache, sie können ein Prinzip nie vollständig erschlagen.
Manche Techniken haben sich eingebürgert, sie funktionieren mehr oder weniger, oder auch nicht. Aber das darf man eben nicht mit den Grundlagen verwechseln, denn die sind größtenteils, soweit verstanden, weiterhin gültig. Man muss sie sich nur immer wieder ansehen, anstatt zu sagen: Aha jetzt weiß ich Gamism=Kämpfen, oder Reward=Fan Mail, oder wie auch immer die überstürzten oder durchdachten Schlussfolgerungen aussehen mögen.
Aber ich glaube der Schlüssel zu nächsten Stufe der Entwicklung ist schon gefunden. Ich glaube das, weil ich zumindest schon mal unabhängig von dir zu dieser Erkenntnis gekommen bin, deswegen betone ich sie hier nochmal:
Des Pudels Kern: Um alle verfügbaren Spaßquellen auszuschöpfen, um ein nachhaltiges, mehrdimensionales und noch dazu den Bedürfnissen der Gruppe angepasstes Spielerlebnis zu erzielen, muss jede Gruppe ihr eigenes Spiel spielen – und nicht das Spiel des Autors.
Der Punkt in dem wir uns vielleicht nicht einig sind ist aber folgender: Ich glaube der Autor kann sehr viel dafür tun dass die Spieler ihr eigenes Spiel finden, auch ohne es ihnen direkt vorzuschreiben. Aber auch viel besser als sie einfach mal "machen zu lassen", oder ihnen "nicht im Wege zu stehen". Das hatten wir Ende der 90er schon mal mit den Minimalsystemen.
Die "guten Rollenspieler" auf die du eher setzt haben ihre Fähigkeiten auch irgendwo her. Die hätten vielleicht leichter gelernt mit einem besseren System, mit einer besseren, kohärenteren Anleitung.