Autor Thema: "DDR-Rollenspiel"?  (Gelesen 6087 mal)

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Offline Thot

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"DDR-Rollenspiel"?
« am: 8.01.2009 | 20:23 »
Hallo, kürzlich war hierzuforums zu lesen, dass es auch in der DDR mindestens ein Rollenspiel gegeben habe - und das trotz des eher eingeschränkten und dem "Lehrlingsmodell" der Rollenspielverbreitung nicht gerade zuträglichen Informationsaustausch jener Zeit.

Kennt jemand dazu irgendwelche Hintergründe?

Ein

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #1 am: 8.01.2009 | 20:32 »
Einen Thread dazu gab es hier: http://tanelorn.net/index.php/topic,18572.0
Leider ist der Link in die Forge nicht mehr gültig.

Allerdings ist der Autor, TKarn, auch hier an Board, auch wenn er sich seit einem halben Jahr nicht mehr eingeloggt hat. Vielleicht einfach mal anPMen.

Offline Dirk

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #2 am: 8.01.2009 | 21:02 »
Ähem...

Ohne die Blitzlichter auf mich scheinen lassen zu wollen:

Der Typ war ich!

Besser: zwei bis drei meiner damaligen Freunde und ich.

Wir haben auch nur ganz rudimentäre Regelhinweise geschrieben.

Ich habe zu DDR-Zeiten Spiele erfunden. Das erste Spiel war ein Ding namens "Tank" und war ein 1. Weltkrieg Wargame. Da ich keine originalen Wargames kannte borgte ich Regelideen aus klassischen Brettspielen wie Schach, Mensch ärgere dich nicht!, usw.
Damit war ich sogar auf der Kinder-und Jugendmesse: "MesseMeister von Morgen" (oder so...)
Leider kam ich nicht in die engere Auswahl, obwohl ich es relativ weit schaffte (das war ein DDR-weiter Kontest), da es den Juroren zu kriegstreiberisch war.

Die nächsten Spiele waren Brettspielumsetzungen bekannter Spielautomaten, die man in der DDR nur auf Jahrmärkten zocken konnte. Ich hatte mein eigenes Jump en Run und "Von oben-Raumschiff-Ballerspiel"...

Irgendwann schaute ich auf ARD (ja, das böse West-Fernsehen) mal einen Beitrag über eine Spielemesse im Westen (verzeiht mir die billigen geographischen aber politisch angehauchten Ausdrücke - ich erinnere mich nur gerade daran wie es sich damals anfühlte...) und dort waren auch Szenen mit Figuren, die durch irgendwelche Gänge krauchten und sehr cool aussahen.

Das wollte ich auch spielen! Nur leider vergaß ich die Idee irgendwie wieder bis, ja bis ich E.T. im Kino sah. Zur Information: E.T. kam im Osten erst irgendwann 1987/88 in die Kinos. Dort spielen sie in den ersten Minuten des Films ein Spiel, mit diesen Figuren und unterhalten sich darüber! Ein Satz war dabei sehr wichtig: "Bei dem Spiel kann man nicht verlieren, Mom!" (oder so ähnlich) Dieser Satz war mein persönliches Heureka! und ab da probierten meine Freunde und ich aus wie es wäre ein Spiel zu haben, mit dem irgendwie etwas nachgespielt werden konnte - das Leben und so!!!

Wir hatten alle eine erstaunliche Sammlung an Rittern, mit denen wir uns regelmäßig Schlachten lieferten. Da hatten wir schon ein kleines Regelgerüst. Der wichtige Unterschied war nun, dass wir die Dinge die zwischen den Schlachten passierten (Wie das neue Reitpferd erkämpft oder gewonnen wurde, usw.) in das Regelgerüst einbezogen. Zum Schluss ging es dann fast ausschließlich um diese Zwischengeschichten. Wir hatten keinen Namen für unser Spiel aber es glich einem richtigen Rollenspiel auf erstaunliche Weise. Im Übrigen hatten wir ein Pool-Würfel-System und sehr harte Kampfregeln.

Nach der Wende brachte Uwe ein Spielbuch mit und kurze Zeit später - auf einer Klassenfahrt - kaufte ich DSA. Was wir, obwohl ehrfürchtig und sehr gespannt darauf, für schlechter als unser eigenes System befanden. (zu kompliziert... und langsam, meine ich zu erinnern)

Erst AD&D1st und etwas später Runequest2nd machten uns glücklich, daneben Battletech und später AD&D2nd, Shadowrunn, und viele anderen mehr.

So.

Das war diese kleine Geschichte.

MfG
Dirk
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

Aber Koks ist einfach nicht meine Droge.

Offline Thot

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #3 am: 8.01.2009 | 21:37 »
Hm, interessant. Gesetzt den Fall, Ihr wärt damals so weit gekommen, das publikationsreif zu machen - was hättet Ihr im Rahmen des Systems tun müssen, damit das passiert?

Offline Dirk

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #4 am: 8.01.2009 | 22:03 »
Da habe ich keine Ahnung. Und ans Veröffentlichen haben wir im Traum nie gedacht. Das war unser Spaß und wir waren extrem vorsichtig dabei wem wir diese "Spinnerei" erzählten!

Meine Vermutung ist, dass dieses Spiel nie hätte veröffentlicht werden können, da es eskapistische Tendenzen hatte und kriegstreiberisch war. Das gleiche Gerüst auf ein Rollenspiel im 3. Reich aufgestülpt, man spielt dann selbstverständlich einen Widerständler, hätte womöglich ein paar offene Ohren mehr gefunden... Aber trotzdem zu sehr Spiel und womöglich mit den Worten abgetan:"Mit solchen Themen spielt man nicht!"

Ein Klassenkamerad, seine Mutter ist Peruanerin - sie hatte den deutschen Vater in Moskau beim Studium kennen gelernt - flog 1985 für ein Jahr mit ihr und seiner Schwester nach Peru, nur um dann ein Jahr in der USA zu leben, kam 1987 zurück, konnte kaum noch Deutsch und erzählte und erzählte. Dabei stellte er uns The Hobbit und Lord of the Rings vor. Das war unsere erste Zusammenkunft mit der Fantasy außerhalb der DDR. Die bestand für mich jahrelang aus den hervorragenden Büchern von Alexander Wolkovs Zauberlandgeschichten. (Bitte sucht die ersten Editionen, die jetzigen sind zusammengeschnitten und leblos!)

Ich habe ihn später gefragt ob er Rollenspiele in den Staaten gesehen hat und er verneinte... .

MfG
Dirk
« Letzte Änderung: 8.01.2009 | 22:07 von Dirk »
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killedcat

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #5 am: 8.01.2009 | 22:08 »
Ich glaube, das mit dem Rollenspiel in der DDR wäre schwierig geworden (ist schon älter, aber ich musste halt dran denken):

http://www.lustigesrollenspiel.de/index.php?option=com_ponygallery&Itemid=31&func=detail&id=58

 >;D

oliof

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #6 am: 9.01.2009 | 02:45 »
Dirk, die Regeln hast Du nicht zufällig noch irgendwo? Das wäre aus historischer Sicht sehr interessant…

Offline Dirk

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #7 am: 9.01.2009 | 10:17 »
Keine Chance! Aber damals, als ich das auf der Forge gepostet hatte habe ich mich mit Roy und Uwe unterhalten und die haben ebenso nur schwache Erinnerungen an die Mechaniken. Wir waren uns aber einig, dass die Kampfregeln ultrahart waren und so heute kaum noch, ohne entsprechende designtechnischen Gegenleistungen zu halten gewesen wären. Allerdings stellten wir auch fest, dass unsere Hauptcharaktere (es gab im übrigen keine Erfahrung, wir regelten irgendwann, dass es an der Zeit wäre einige Fertigkeiten - wir hatten nur Fertigkeiten, keine Attribute - zu erhöhen, dank eines Trainingseffektes...) nicht starben, obwohl sie oft genug tödliche Wunden davon getragen hatten, weil es da eine unausgesprochene Regel gab, diese nicht sterben zu lassen. Meistens gab es dann einen deus ex machina, der zur Heilung führte. Das war aber nie ein Problem!

Mehr kann ich nicht sagen...! Leider.

Ich kann mich an unseren Spielhefter erinnern, indem die Fortschritte und Besonderheiten und Charaktere (wie war blos unser Name für Charakter???) festgehalten wurden. Plus Regelergänzungen.

Ich habe diesen Hefter wohl schon vor sehr langer Zeit verloren...

MfG
Dirk
« Letzte Änderung: 9.01.2009 | 10:20 von Dirk »
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Offline Dirk

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #8 am: 9.01.2009 | 19:51 »
Zur Würfelmechanik: man musste, je nach Schwierigkeit, mit W6en einen Zielwert erreichen oder übertreffen. Wer besonders gut war, der musste halt nur 2en würfeln! Besondere Handlungen gaben einen mehr Würfel in die Hand. Zum Schluss würfelten wir immer mit mindestens 3 Würfeln - keine Ahnung mehr warum! Wahrscheinlich weil es sich so eingebürgert hatte.

Um es dann schwerer zu machen haben wir für widrige Umstände Würfel abgezogen. Also fast eine Umkehrung der ursprünglichen Mechanik. Wiederum habe ich keine Ahnung mehr warum.

Wir würfelten eigentlich bei fast allen Aktionen! Würfeln war geil! Und wir achteten das Ergebnis - es sei denn es betraf einen der Lieblingscharaktere, da konnte es schon die oben angesprochenen "Richtigstellungen" geben.

Wir hatten keine extra Kampfregeln. Alles ging mit der gleichen Mechanik. Es gab auch keinen SL. Warum auch? Es war schließlich unsere gemeinsame Welt!

Wir hatten alle Erfahrungen in diversen Kampfsportarten (Boxen und Judo) und mussten daher auch zielen, eine Technik ansagen, usw. Wer getroffen wurde bei dem geschah das, was normalerweise mit einem geschah wenn die Technik klappte. Da wir keine Erfahrung mit Waffen hatten konnten wir da nur extrapolieren - das Ergebnis war meist fatal! Es gab keine Initiative, keine HP, usw. Am Anfang, jedenfalls erinnere ich das so, würfelte der schneller Spieler und das galt, aber dann wurde dagegen gewürfelt - der bessere gewann.

Ein paar Schwierigkeiten traten mit nicht vollständig gemeinsam unternommenen Spielen auf. Meist fühlte sich derjenige, der nicht daran teil genommen hatte, hintergangen - es gab öfters Streit darüber! Ich glaube das war einer der Gründe für eine lange Pause oder sogar das Ende des Spiels!

Tja, doch mehr in meiner Erinnerung als gedacht!

MfG
Dirk
« Letzte Änderung: 9.01.2009 | 19:54 von Dirk »
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

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ChristophDolge

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #9 am: 9.01.2009 | 20:17 »
Zitat
Es gab auch keinen SL. Warum auch? Es war schließlich unsere gemeinsame Welt!

Sehr interessant. Beim Wargaming gibt es ja auch keinen SL (oder??). Wie kam Gygax dann auf die Idee, einen einzuführen?

Offline Der Nârr

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #10 am: 9.01.2009 | 20:35 »
In typischen Lego- oder Playmobil-Rollenspielen von Kindern habe ich auch noch nie einen Spielleiter gesehen. Auch in kindlichen Live-Rollenspielen (ich meine sowas wie "ich bin Hermine und du Harry Potter", Räuber und Gendarme ist ja out und kenne ich auch nur als "die Großen dürfen sozial geduldet die Kleinen stressen, weil es ja ein anerkanntes Spiel ist") habe ich noch keinen Spielleiter gesehen, weil jeder Teilnehmer diese Rolle ein bisschen für sich selber in Anspruch nimmt, kommt es zu Meinungsverschiedenheiten setzt sich im Zweifel aber einfach der Stärkere durch bzw. eben die dominierende Persönlichkeit, wie Kinder eben so sind. (Ich rede hier von Beobachtungen an 6-12jährigen, also Kindern im Grundschulalter.) Ein Problem sind hier womöglich fehlende Regeln, es wäre interessant, wie solche Kinder auf einfache Live-Rollenspiel-Konzepte reagieren würden: Übernahme und Nutzung in Hinblick auf die Optimierung des Spiels? Oder Ablehnung?

Naja, jedenfalls scheint es so, als sei der Spielleiter schon eine Erfindung und eben nicht einfach "eingeführt" worden.
Spielt aktuell Deadlands reloaded
Spielleitet aktuell gar nix
In Planung Fate Core, Pendragon

Offline Dirk

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #11 am: 9.01.2009 | 20:35 »
Na weil es seine Welt war, an der andere Spieler teil haben konnten!!! Oder war es der Arneson, oder...?

Na ja, jedenfalls gab es einen Weltenbesitzer! Und der war dann der SL!

MfG
Dirk
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Offline Skyrock

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #12 am: 9.01.2009 | 23:35 »
Es gab auch Referees bei manchen Wargames, eine Tradition die bis auf die Sandkastenspiele der viktorianischen Preußen zurückgeht.

Ansonsten ein sehr spannender Bericht. Wäre interessant geworden wenn die Idee beim Wettbewerb wirklich abgehoben hätte und sich unabhängig von Amerika im Ostblock das Hobby als Parallelentwicklung gebildet hätte...
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Offline Settembrini

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Re: "DDR-Rollenspiel"?
« Antwort #13 am: 23.01.2009 | 10:45 »
Sehr interessant. Beim Wargaming gibt es ja auch keinen SL (oder??). Wie kam Gygax dann auf die Idee, einen einzuführen?

Dave Weseley war das, und der hatte zuvor

1) Militärerfahrung
2) Bücher über nicht-nullsummen Spiele (Spieltheorie, wie im Gefangenendilemma usw.) gelesen.

Ansonsten sind Referees in vielen Kriegsspielen üblich gewesen und immer noch üblich. So auch im derzeit noch erfolgreichsten Kriegs- und Planspiel: den Hobbyrollenspiel.
caveat lusor, sie befinden sich in einer Gelben Zone - Der PESA RHD warnt!

Abenteuerpunkt. das fanzine des autorenkollektivs.
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