Letzten Samstag hab ich mit Alice Crocodile Dundee und Fëanor zusammen gesessen und nach einem gemütlichen Brunch haben wir Mouse Guard ausprobiert. Wir wollten das ganze Programm und haben eigene Charaktere gebaut. Entgegen der Ankündigung im Buch hat die Charakterschaffung doch knapp 2.5h in Anspruch genommen, was aber auch daran lag, dass niemand dieses Kapitel vorher gelesen hatte, hiess es doch eingangs, dass man jeden Schritt einfach vorliest und alle dann tun, was zu tun ist.
Vielleicht hat die Sprachbarriere den gesamten Prozess noch verlängert; ich glaube dass Leute, die die Regeln kennen, tatsächlich in einer halben Stunde eine ganze Patrouillenbesatzung zusammengesetzt bekommen. Im Vergleich zu Burning Empires ist die Charaktererschaffung sehr klar und gradlinig, es gibt nur ein oder zwei Stellen, wo man vorher genau entscheiden muss, was man will, damit am Ende eine Maus herauskommt, die man haben will.
Bei der Erschaffung von Freunden, Feinden, Mentoren und Familienmitgliedern ergab sich eine nette Dynamik, die im Spiel immer wieder aufgegriffen wurde, nicht direkt, sondern einfach nur als etwas was die Charaktere begleitet und ihre Entscheidungen beeinflußt: Fëanor entschied sich, dass der Mentor von Faolan, seiner Maus, gestorben ist, und Alice wollte einen Feind in den Reihen der Mouse Guard, der etwas böses getan hatte, was man ihm aber (noch) nicht nachweisen konnte: Im letzten Herbst hat Seth die Patrouille, bestehend aus Mia, der Anführerin der Patrouille und Seths einstiger Mentorin, verraten und den Tod Connors, dem Mentor von Faolan, verschuldet. In Lockhaven stand Seths Wort gegen das von Mia, und ohne Beweise konnte Gwendolyn nicht mehr tun, als die Patrouille aufzuspalten: Seth wurde einer neuen Patrouille zugewiesen, und Mia und Faolan wurden erst einmal alleine losgeschickt.
Der erste Auftrag im Frühling sollte einfach sein: Es ging darum, Briefe nach Elmswood zu bringen und einen sicheren Weg von Elmswood nach Windselm, einer neuen Siedlung im Westen der Stadt zu bahnen. Nebenbei bat Gwendolyn Mia, Nachforschungen für den Grund dieser Abspaltung herauszufinden.
Meine Abenteueridee war so brillant wie einfach, nämlich geklaut. In einem anderen Forum hat jemand ein Moosecthulhu Abenteuer erwähnt, in dem irre Mauskultisten versuchen, einen Elch zu beschwören, der die Territories verwüstet. Bei mir stand am Anfang des Abenteuers nur ein Wort:
Katzenkultisten
Die Einwohner von Elmswood sind wahnsinnig. Aus irgendeinem Grunde opfern sie Wildkatzen Mäuse. Die angeblichen Gründer der angeblichen neuen Siedlung waren die ersten Opfer, und die Geschichte über eine neue Siedlung in der Mitte von Nirgendwo schien eine gute Deckgeschichte zu sein.
Als die Patrouille in Elmswood ankam, wurden sie von der Bürgermeisterin Laurel herzlich empfangen und zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen, an dessen Ende der Kelch mit dem vergifteten Wein herumging. Mia stutzte während einer langen Unterhaltung ein paar Mal, war sich am Ende aber nicht sicher, ob sie sich die Ungereimtheiten vielleicht nur eingebildet hatte. Der Wein tat sein übriges – aber nur bei Mia, Faolan blieb aus irgendeinem Grunde wach; was Laurel veranlasste, Wachen zu rufen, von denen zwei sich dem mutigen Faolan entgegenstellten, während die anderen Seile holten und bei Laurel blieben. Doch am Ende unterlag der junge Mäuserich der Überzahl der Wachen und wurde bewußtlos geschlagen.
Als unsere Helden wieder zu sich kommen, finden sie sich an einen Pfahl gefesselt wieder – doch nicht allzu sicher, offensichtlich waren die Häscher nicht davon ausgegangen, dass die beiden nochmal aufwachen. Eine schnelle Augenscheinnahme der Situation zeigt, dass sie vor einer Tribühne angebunden sind, auf der vielleicht 60, 70 Mäuse Platz genommen haben, und auf der freien Rasenfläche kann Mia, die in Naturdingen bewandert ist, jede Menge Katzenkot ausmachen … und neben der Tribühne stehen auf einem Wagen zwei Fässer mit der Tinktur, mit der eigentlich die Scent Border markiert und erneuert wird, die wilde Tiere aus den Territories fernhält.
Kaum bei Sinnen, hören die beiden Mäuse den Ruf der Katze, die nun auf den Rasen schleicht. Ein Plan ist schnell gefaßt: Flucht ist gegen so einen Gegner die einzige Option, und ein Bad in der Tinktur soll dies vereinfachen. Die Katze erwischt Faolan, doch er sticht ihr sein Schwert in die Nase, dass die hochmütigen Einwohner von Welmswood ihm gelassen hatten, und trotz ihrer Verletzungen und Blessuren gelingt den Mäusen eine knappe Flucht in die Wälder, wo Mia wiederum dafür sorgt, dass die beiden nicht einer anderen Unbill der Wildnis zum Opfer fallen.
Erschöpft, ausgehungert, noch immer vom Kampf mit der Katze geschwächt, kommen die beiden endlich in Barkstone an, wo sie aufgenommen und gepflegt werden. Die Scent Border im Westen ist wahrscheinlich undicht, und die Einwohner von Elmswood haben sicherlich schon Suchtrupps nach den Mäusen ausgeschickt, schließlich darf ihr Geheimnis nicht verraten werden. Was sie in Barkstone noch herausfinden, nachdem sie einen Boten nach Lockhaven ausgeschickt haben: Vor einiger Zeit war Seth in Barkstone, auf dem Weg nach Westen – sein Auftrag wäre gewesen, die Scent Border zu überprüfen und auszubessern. Und obwohl Seth mit einer ganzen Gruppe Mäuse in Lockhaven aufgebrochen war, heißt es, er habe nur mit einem Begleiter in Barkstone Station gemacht …
Diese Mission/Session hat ca. 3h gedauert, mit … ich glaube, es waren 4 Konflikte und eine handvoll einfacher Proben. Die Regeln sind auf dem Konfliktbogen (der 2. Seite des Charakterblattes) gut zusammengefaßt, und nur der erste Konflikt war etwas holprig. Die geheime Auswahl der Aktionen haben wir so gemacht, dass ich als SL meine Auswahl zuerst getroffen habe, und dann die Spieler sich offen beraten konnten. Zwei Mäuse haben gegen die meisten Konflikte kaum eine Chance, aber die Regeln für Kompromisse haben immer ausgereicht, dass die Pläne der Gegner nur teilweise Früchte tragen konnten.
Das System könnte man ohne Probleme als "Burning Wheel light" für alle Fantasy-Spiele benutzen, allein Magieregeln fehlen. Da muß man vielleicht doch auf den mir unbekannten Magic Burner zurückgreifen…
Wir haben nicht alle Aspekte der Regeln benutzt – in einem One Shot auch schwer möglich, wenn man nicht sehr bemüht spielen will ("wir brauchen noch X"). Allerdings haben wir den Player's Turn sehr kurz gehalten, der wird bei einer Fortsetzung nachgeholt werden müssen.
Das Verlieren schien Alice und Fëanor nicht zu frustrieren, war doch immer die Gewißheit dabei, etwas ausgerichtet zu haben. Und wenn die Mäuse vorbereitet mit einem Plan (Kein Vorwurf an die beiden, es war eine klassische Hinterhalt-Situation) und hoffentlich etwas Verstärkung an die Sache herangehen, werden sie den einen oder anderen Konflikt vielleicht auch mal gewinnen.
Noch ein paar Worte zum Buch: Wunderschön, und auch gut zu Lesen. Aber im Spiel mußte ich als SL sehr viel Blättern. Dass ich das PDF hatte, hat viel Sucherei abgekürzt, denn der Index ist nicht in jedem Fall direkt hilfreich. Mouse Guard läuft ohne großen Aufwand Artesia den Rang als schönstes Rollenspielbuch in meinem Regal ab (Artesia verliert beim Textsatz; Burning Empires ist eigentlich genauso opulent aufgemacht, verliert aber durch den technischen SF-Rahmen an romantischer Verspieltheit).
Fazit: Mouse Guard funktioniert. Das Spiel ermöglicht Geschichten wie aus den Comics, im gesteckten zeitlichen Rahmen. Ganz im Gegensatz zu Burning Empires kommt man zum Spielen. Die Spielwelt hat viele Ecken, in denen sich ein Spielleiter austoben kann (Elmswood und Windselm sind z.B. zwei der explizit für eigene Ideen freigegebenen Orte), und es macht Spaß, gewisse Dinge einfach mal aus Mäuseperspektive zu betrachten.