Beim Computerspieldesign (damit hab ich mich zumindest ein klein bisschen beschäftigt) fällt oft der Satz:
Das Spiel soll eine echte Herausforderung sein bei dem der Spieler am Ende gewinnt.
Es ist also darauf ausgelegt dass die Gewinnchancen höher sind als die Chance zu verlieren.
Stimmt das so? Da bin ich nicht sicher. Ich kenne kaum ein Computerspiel, bei dem nicht die Rückkehr zu einem gespeicherten Spielstand oder eine Wiederbelebung möglich gewesen wäre, und mir wäre keins geläufig, das nicht neu gestartet werden könnte. (Natürlich nur bezogen auf Computerspiele mit Protagonsisten und einer "Handlung", die anderen betrachte ich mal nicht, weil ich keine ausreichende Parallelen zum Rollenspiel sehe.) Und ganz oft war es dann auch so, daß bestimmte Schlüsselstellen sehr oft "durchgespielt" wurden. Wenn man nun jeden "Tod" als Verlieren zählt, dann läuft es doch oft darauf hinaus, daß man
sehr viel häufiger "verliert" als "gewinnt".
Der "Gewinn am Ende" bedeutet, daß man - nach zahllosen Verlusten -
doch in der Lage ist, mit Strategie und Übung zu meistern, woran man oft gescheitert ist. Das würde aber übersetzt nichts andere heißen als: Das Gewinnen muß (nach vielen Rückschlägen) machbar sein, und zwar für die überwiegende Mehrheit der Spieler, nicht nur für einzelne besondes geschickte.
Das ist aber auf's Rollenspiel nicht übertragbar, denn eine Situation entwickelt sich ja niemals nach einem Schema (, sofern die Spieler Einfluß nehmen können).
Was übertragbar ist, ist allenfalls, daß Verlieren nicht endgültig ist (, Gewinnen aber in weit höherem Maße). Und das ist ja nun ein ausgesprochen gängiger Topos: Rückschläge, Probleme, nahezu hoffnungslose Situationen... das kennt man aus Büchern, und wenn es gut gemacht ist und die Spieler mitziehen, macht es auch Rollenspiel zu einem grandiosen Erlebnis.
Dann muß man
nach Spielern unterscheiden: Es gibt solche, die für sich ein "gutes Ende" brauchen. Denen sollte man allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zumuten, daß es beim Nichterreichen der Ziele ihrer Charaktere bleibt. Es gibt andere, die brauchen es, daß sie zwischendurch nicht wissen, ob ihre Charaktere ihre Ziele erreichen werden. Die werden im Gegenteil sehr unzufrieden werden, wenn ihre Charaktere ihre Ziele nicht auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit endgültig verfehlen. Und es gibt welche, die mögen es, wenn sie schon die ganze Zeit absehen können, daß ihre Charaktere nur scheitern können. Denen sollte man allenfalls so häufig zumuten, daß die Charaktere "gewinnen", wie der ersten Gruppe, daß ihre Charaktere verlieren.
Und entsprechend gibt es ja auch Rollenspiele, die das eine oder andere begünstigen: Für manche macht man Charaktere ohnehin nur für kurze Spielzeiten, dann "verlieren" sie einmal und sind 'raus, und der nächste Charakter wird mit hoher Absehbarkeit auf dieselbe Weise aus dem Spiel ausscheiden; andere sind schon von ihrem Modus her darauf angelegt, daß am Ende die Charaktere der Spieler sich über einen hart-, aber wohlverdienten Sieg freuen können.
Über Rollenspiele
im allgemeinen würde ich also in diesem Punkt gar keine Aussage machen wollen. Ein gegebenes Rollenspiel mag durch seinen Flair ein deutliches Signal geben, wie die Chancen gewichtet sein sollten; das muß aber nicht sein. Eine Aussage mit dem Hilfsverb "sollte" würde ich aber eigentlich immer nur in bezug auf konkrete Spieler abgeben, denn nur bei denen läßt sich tatsächlich eine Präferenz ausmachen, deren Einfluß für die Praxis zentral ist.