Deute ich die Diskussion richtig: es gibt bei Savage Worlds gleich mehrere Grundregelwerke, die nacheinander erschienen sind, sich inhaltlich unterscheiden, aber jeweils eigene Stärken und Schwächen haben?
Es gibt die 1st Ed. von 2003, die Revised Ed. von Mitte 2004 und die SW:EX von 2007 (und 2008, 2. Auflage wegen des reißenden Absatzes).
Die
1st Ed. erschien als Hardcover und enthielt weniger Powers, weniger Edges und noch die kompletten Kurzregeln als Einleitung, sowie die Skirmish-Tabletop-Regeln "Showdown".
=> Auf der 1st Ed. setzen nur wenige Savage Settings auf. Evernight, 50 Fathoms und (sicher bin ich mir hier nicht so ganz) Tour of Darkness. Auch die ersten Savage Tales basieren auf der 1st Ed. - Auf den "Showdown" Skirmish-Regeln zur 1st Ed. setzt Modern Ops (moderne Kriegsführung (Irak-Krieg z.B.) als Skirmish Tabletop nach SW-Regeln) auf, sowie der Deadlands:Lost Colony Skirmish-Szenario-Band "Screamers".
Die
Revised Ed. erschien Mitte 2004, nachdem (wohl auch für Pinnacle überraschend) die 1st Ed. sehr schnell komplett abverkauft war, und Pinnacle nicht so schnell eine Druckfassung produzieren konnte, zuerst als PDF-Fassung. Erst ein halbes Jahr später war dann eine Hardcover-Fassung verfügbar. - Zur 1st Ed. waren die Hauptänderungen:
- Raises beim Treffen wurden nicht mehr endlos gezählt und machten nicht mehr +2 Schaden pro Raise, sondern es wurde nur der erste Raise gewertet und der macht +1d6 Schaden, der explodieren kann.
- Die Massenkampfregeln wurden nicht mehr als Opposed Roll bei Knowledge(Battle) umgesetzt, so daß nun BEIDE Seiten (auch die "Gewinnerseite") Verluste erleiden können.
- Die Skirmish-Tabletop-Regeln wurden aus dem Grundregelwerk herausgezogen und als kostenloser Download auf der Homepage zugänglich gemacht.
- Die Kurzregeln wurden aus dem Grundregelwerk herausgezogen und als kostenloser Download auf der Homepage zugänglich gemacht.
- Es wurden Powers aus den 1st Ed. Settings Evernight und 50 Fathoms und ein paar weitere neue Powers als Grundregel-Powers aufgenommen.
- Ein paar mehr Edges und Hindrances, ein paar mehr Monster, VIEL mehr Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe, Raumschiffe wurden ergänzt.
Anmerkung: Die Änderungen zur 1st Ed. wurden von den Savages durchweg positiv aufgenommen. Die Revised bot einfach MEHR und klarere Regelinhalte, mehr Powers, mehr Fahrzeuge, mehr Material. Auch das Ausgliedern der Kurzregeln (eh redundant, aber so etwas hatte ja schon das alte Star Frontiers gemacht) und der Skirmish-Regeln wurde insgesamt begrüßt.
=> Auf der Revised Ed. setzt der Großteil der bis 2008 erschienenen Savage Settings auf. Low Life, Rippers, Necropolis, Necessary Evil, Deadlands:Reloaded, usw. - Die "Showdown" Skirmish Tabletop Regeln sind die Grundregeln für das Rippers-Skirmish-Spiel "Rippers: The Shadow Wars".
SW:EX (Savage Worlds Explorers Edition) erschien als sehr kostengünstiges kleinformatiges Softcover. Gegenüber der Revised Edition wurden hier Kürzungen vorgenommen und es gab z.T. tiefgreifende Regeländerungen, die für eine erhebliche Kontroverse unter den Savages geführt haben (welche recht emotional geführte Diskussionen nach sich zog). Die Hauptänderungen gegenüber der Revised sind:
- Nahkampfschaden wurde von einer Stärke-Probe (samt Wild Die) plus festen Zuschlag auf zwei Würfel, den Stärke-Würfel und einen von der Waffe abhängigen Würfel (mit eventuellen festen Zuschlägen) geändert. Dieses Schadensmodell wurde erstmals bei Deadlands:Reloaded eingeführt und dort als "The Way of the Brave" bezeichnet. Dort wurde es als Settingregel eingeführt, um in diesem Setting, wo viele Leute mit Schußwaffen herumlaufen, den Nahkämpfern eine bessere Chance sich auch einmal im Kampf durchzusetzen zu geben. Das Way of the Brave System (Kürzel: WotB) wurde in DL:R mit farblich unterschiedenen, je nach Farbe auch stärker wirkenden Bennies kombiniert, die einen Wildcard-Charakter in die Lage versetzten, den durch das WotB-Schadenssystem im Schnitt deutlich höher ausfallenden Nahkampfschaden (zwei explodierenden Würfel - auch bei Schaden, der von Extras verursacht wird) besser mit Soak-Würfen aufzufangen. Im normalen Savage Worlds gibt es diesen Auffangeffekt nicht, was zu einer erhöhten Zufälligkeit (mehr Würfel) und erhöhten Tödlichkeit (mehr Schaden - gerade auch durch die Gleichstellung von Extras und Wildcards im Nahkampfschaden) geführt hat. Rüstungen wurden nicht im Effekt verstärkt. Diese WotB-Nahkampfschadensregelung ist immer noch eine stark diskutierte Regeländerung, die auch bei Themen zur Stärke des Zufallseinflusses bei Savage Worlds oder zur Tödlichkeit des Kampfsystems immer wieder angesprochen wird.
- Incapacitation-Regeln wurden vereinfacht. Die Regeln der Revised Ed. wurden von manchen nicht gleich verstanden, weshalb hier eine deutliche Vereinfachung vorgenommen wurde. Diese führt jedoch bisweilen zu unstimmigen Ergebnissen, weshalb hier eine gewisse Kontroverse bei der Akzeptanz dieser Regelung existiert.
- Die Verfolgungsjagd-Regeln wurden geändert. Die Revised Chase Rules sind eher auf "Dogfights", die fliegerischen Kurvenkämpfe von Jagdfliegern oder Raumjägern zugeschnitten. Sie können auch lineare Verfolgungen am Boden abbilden, sind dabei aber weniger anschaulich. Die neuen Chase Rules sind auf Boden/Wasser-Verfolgungen ausgelegt und dabei sehr anschaulich durch ein Reichweiteninkrementverfahren. Jedoch sind diese für Kurvenkämpfe als nicht so überzeugend diskutiert worden. Es herrscht ein gewisser Konsens darüber, daß Kurvenkämpfe mit den Revised Chase Regeln anschaulicher laufen, während Boden/Wasser-Verfolgungsjagden mit den SW:EX Chase Regeln anschaulicher sind.
- Es wurden kleinere Regeländerungen vorgenommen, wie die Fallschadensregelung, Rückschlagsregelung beim Zaubern, einige Klarstellungen bei den Edge-Beschreibungstexten bzw. den zugehörigen Regeln, sowie änderungen bei den Eigenschaften von Monstern (Untote erhalten z.B. nicht mehr halben Schaden durch Waffen, die durchdringenden Schaden verursachen, wie Stichwaffen, Schußwaffen).
- Es gab Streichungen mit der Begründung das Volumen straffen zu müssen. Es wurden bei den Waffen die Fahrzeugbewaffnungen weggelassen. Es wurden die Militärfahrzeuge und die Sci-Fi-Fahrzeuge weggelassen. Es wurden die Beispiel-Spielercharakterrassen weggelassen (einige davon, die Standard-Fantasy-Rassen wurden als kostenloses PDF-Dokument "Wizards&Warriors" nachgereicht). Es wurden Passagen in den Spielleiterkapiteln zur Settingadaption weggelassen.
- Savage Worlds empfiehlt die Verwendung von Schablonen (kleinen, mittleren und großen Kreisen, sowie einer "Kegel"-Schablone) für Flächeneffekte. Da diese im kleinen Format der SW:EX nicht im korrekten Maßstab Platz fanden, wurden diese ausgelagert und als separates PDF nachgereicht. Ebenso der Charakterbogen, der im Kleinmaßstab doch zu klein zum Schreiben ausgefallen wäre. Ebenfalls ausgelagert wurden die Bögen für Fahrzeuge und für Verbündete Truppen. Diese Auslagerungen, die nur als PDF herunterzuladen sind, wurden von manchen Käufern der SW:EX kritisiert.
- Die SW:EX hat keinen Index mehr. Dieser ist als separater Download herunterladbar. Da das Inhaltsverzeichnis aber sehr ausführlich und feingranular ist, wird der Index nicht von vielen Savages vermißt.
=> Neuere Savage Settings wie Slipstream oder die Lizenzsettings Sundered Skies oder Necropolis 2350 verwenden die SW:EX als Regelbasis. Ebenso neuere Skirmish-Pubiikationen wie "Sticks and Stones". Neue Abenteuerveröffentlichungen zu Revised-Ed.-Settings wie Rippers verwenden auch die neuen SW:EX-Regeln (in den Szenarien werden die Unterschiede kurz erklärt, so daß sie auch weiterhin mit der Revised einsetzbar sind).
Neben den Publikationen, die von einem 1+1-Modell, also 1 Grundregelbuch (aktuell SW:EX 2nd printing) plus 1 Setting-Band (z.B. Slipstream) ausgehen, gibt es auch Settings, die auf mehr als einen Band zu einem Setting ausgelegt sind. Bei Pinnacle selbst ist dies die Deadlands: Reloaded Reihe, die dieses Jahr mit einem Kampagnen-Band "The Flood" fortgesetzt wird. Bei Lizenznehmern wie Triple Ace Games ist dies Hellfrost, eine Fantasy-Welt mit Publikationen in Form von Spielerhandbuch, Bestiarium, Spielleiterhandbuch/Weltbeschreibung, sowie einzelnen Abenteuerbänden in Nur-PDF-Publikationsform.
Es gibt noch zwei
Sonderfälle: "Pirates of the Spanish Main" und "The Savage World of Solomon Kane". Beides sind Rollenspiele, die von Pinnacle in Lizenz produziert wurden. Pirates of the Spanish Main (PotSM) ist das Rollenspiel zum bekannten Sammel-Tabletop-Spiel gleichen Namens. Solomon Kane ist ein Rollenspiel zu den Solomon Kane Pulp-Sword&Sorcery-Geschichten von Robert E. Howard. - Beide Sonderfälle stellen KOMPLETTE Rollenspiele dar. Man braucht hier NICHT das SW:EX-Grundregelwerk, um dieses beiden Spiele zu spielen. Alle für die jeweilige Zeit, den Technologiestand und die in den Settings zulässige Form an Magie und anderem Übernatürlichem wurde aus dem Grundregelwerksbestand zusammen mit den settingspezifischen Regeln "gemischt". Beide stellen somit in sich geschlossene, komplette Rollenspiele dar, die man ohne SW-Grundregelwerk spielen kann. - PotSM verwendet schon den WotB-Schaden, aber nutzt eine settingspezifische Incapacitation-Regel. Solomon Kane verwendet ein komplett anderes Magiesystem als das im Grundregelwerk beschriebene. Sie stellen in ihrem Regelkern nicht eindeutig zu einer der Versionen des SW-Grundregelwerks zuzuordnende Rollenspiele dar. Müssen sie auch nicht, da sie ja für sich allein vollständig sind und es somit keinerlei Kompatibilitätsprobleme gibt.
Und die Hoffnung ist, dass im deutschen GRW nur die ganzen guten Sachen drinstehen?
Das ist die Hoffnung der deutschen Savages.
Statt die kontrovers aufgenommene SW:EX ODER die als veraltet für aktuelle Settings geltende Revised Ed. allein zu übersetzen, ist die Hoffnung der Savages, daß eine Übersetzung "das Beste beider Welten/Regeleditionen" vereinigt. - In wie weit dies gelingen wird bzw. gelungen ist, wird sich zeigen, wenn die deutsche Fassung auf der RPC erhältlich ist.
Der Wunsch die Fremdrassen nicht wegzustreichen oder die Fahrzeuge nicht zusammenzukürzen entspringt dem Wunsch mehr VORLAGEN für eigene Conversions, eigene Spielweltadaptionen auf Basis dieser nach Zeit, nach Technologiestand deutlich vielfältigeren Beispiele zu erstellen, als sie es die SW:EX-Ausgabe zu bieten hat. - Gerade das Selbst-Erschaffen von Spielercharakterrassen ist eine wichtige Setting-Adaptionstätigkeit. Hierbei helfen Vorlagen ungemein.
Der Wunsch die unterschiedlichen Schadenssysteme und die unterschiedlichen Chase-Regeln zu übersetzen, rührt daher, daß viele Savages einen je nach ihren Präferenzen geprägten "Mix" an Regel-Bausteinen verwenden. So wird ein Setting etwas "entschärft" durch Verwendung der Revised Nahkampfschadensregelung, oder ein Weltraum-Setting soll standardmäßig die Revised Chase Regeln verwenden, jedoch Verfolgungen auf der Oberfläche eines Planeten werden nach der SW:EX Chase Regel abgewickelt.
Empfehlungen:Will man Savage Worlds SOFORT ausprobieren, ist die US-Fassung, die SW:EX als kleinformatiges Softcover zu enorm günstigem Preis zu empfehlen.
Will man noch einen Monat warten, so sollte man der deutschen Fassung von Prometheus Games eine Chance geben, einen zu überzeugen und zu einem Savage zu machen.