Ich mische mich hier mal ein, weil ich aktuell gerade tollen Abenteuer-Support ohne jeglichen Metaplot genieße. Daher kann ich bejahen, daß Abenteuer-Support auch sehr gut ohne Metaplot geht.
Was genau eigentlich ein Metaplot?
Metaplot wird vom Verlag aus gemacht. Und zwar geht dieser nur mit Folgepublikationen, da nämlich in einem Ein-Buch-Rollenspiel bestenfalls eine Zeitleiste "zukünftiger Ereignisse" sein könnte, die aber nicht diese "Kanon-Bindung", den ZWANG dem Metaplot zu folgen, enthalten kann.
Kauft man Folgepublikationen, und erzählt einem der Verlag in diesen, wie SEINE Welt sich weiterentwickelt, so hat man einen Metaplot vorliegen.
Ohne Metaplot erzählt nämlich der jeweilige Spielleiter, wie sich seine eigene, nur für seine Spielrunde von ihm zusammen mit seinen Spielern aus dem veröffentlichten Material ins spielerische Leben gerufene Welt weiterentwickelt.
Beim Metaplot haben das Verlagsmitarbeiter entschieden. Sie setzen die Schwerpunkte der - ohne Einflußmöglichkeit der Spieler - vorgenommenen Änderungen in der Spielwelt fest.
Möchte man die aufgrund dieser Änderungen verfügbaren neuen Setting-Elemente nutzen (z.B. laut Engel-Metaplot werden Sarieliten jetzt als Spione hinter den feindlichen Linien der Britonen eingesetzt und bekommen "neuerdings" entsprechende Ausbildung), dann ist man mehr oder weniger stark genötigt, dem "Kanon" der offiziellen Publikationen zu folgen (es kann also zu Kollisionen kommen - z.B., wenn man vorher die Sarieliten als geflügelte, pazifistische Psychologen-Engel interpretiert hat).
Je mehr Settingelemente von Metaplot-Entscheidungen außerhalb der Entscheidungsmöglichkeiten der Spielgruppe beeinflußt werden, desto intensiver ist das aufkommende Verlangen sich am Kanon und NUR am Kanon zu orientieren, um die zukünftige Kompatibiltität mit weiteren Publikationen nicht aufzugeben. (Erfahrungsgemäß steigen nicht gerade viele Gruppen bewußt aus der Kanon-Verfolgungsjagd aus - mir ist das sowohl bei Deadlands Classic als auch bei Engel so ergangen. Wer aussteigt, der ist für Diskussionen mit anderen Gruppen geradezu abgehängt.)
Wie kann man eigentlich ein Rollenspiel supporten, ohne einen Metaplot zu bekommen? Insbesondere: Wie kann man fertige Abenteuer gestalten, ohne einen Metaplot zu haben?
Das geht SEHR GUT. - Beispiel: Daring Tales of Adventure (eine Pulp-Abenteuerserie von 16 Abenteuern in einem extrem "unterspezifizierten" 30er-Jahre-Pulp-Setting), Daring Tales of Chivalry (eine magiearme Ritter-Abenteuerserie von bislang 3 Abenteuern, in einem extrem "unterspezifizierten" Historien-Film-Mittelalter-Setting) oder Daring Tales of the Space Lanes (erstes Abenteuer zu dieser ebenfalls 16 Abenteuer umfassenden Serie ist bereits erschienen; sie spielt in einem extrem "unterspezifizierten" Pulp-Sci-Fi-Setting (mehr im Stile Northwest Smith, Captain Future, weniger Flash Gordon)).
Man bekommt hier einen sehr guten Abenteuer-Support mit einzelnen Abenteuern, die wie in einer Filmreihe oder eine TV-Serie nur die Hauptpersonen (die SCs) miteinander gemein haben. Die Setting-Elemente, die Genre-Versatzstücke sind hierbei wiederkehrend, jedoch wiederholen sich die Geschichten nicht. Über die 16 Abenteuer wächst der Schwierigkeitsgrad mit der Kompetenz der Charaktere mit. Jedoch ist es keine von zusammenhängendem Handlungsbogen geklammerte Kampagne, sondern einfach nur eine lose Abfolge von Abenteuern (die man auch - trotzt steigenden Schwierigkeitsgrades - auch mal in der Reihenfolge vertauschen oder durch andere ersetzen oder weglassen kann).
So unterstützt man ein (für dieses Regelsystem fast schon typischerweise) extrem unterspezifiziertes Setting. - Das Setting stellt sich ausschließlich durch das dar, was in den Abenteuern vorhanden ist. - Das ist ein klassischer Ansatz, der schon vor 30 und mehr Jahren funktioniert hat.
Man bekommt ein Setting sehr gut über die exemplarische und detaillierte Sicht eines Abenteuers vermittelt. Nach dem zweiten und dritten Abenteuer ist die gesamte Spielrunde "drin".
Man muß nicht ein Setting mittels "Quellenband-Studium" per "Vorderlader" den Spielern einimpfen, und hoffen, daß dies dann auch alles im Spiel präsent ist. - Man kann sich ein Setting auch ERSPIELEN.
Dazu dienen solche Abenteuer-Serien. Jede Instanz, d.h. jedes konkrete Ausspielen eines solchen Abenteuers in einer konkreten Gruppe, ist ANDERS. - Es herrscht keinerlei Kanon, kein Metaplot.
Oder bedeutet Metaplot gerade, dass der einzige Plot durch kaufbare Abenteuer erlebbar ist?
Nein. - Bei Engel wurde der Metaplot, die Zeitleiste der Welt der Engel, nur über Quellenbände und sogar über Romane (eigentlich eine Todsünde für einen ROLLENSPIEL-Metaplot!) vorangeschoben. Engel-Kaufabenteuer existieren praktisch nicht (nicht offizielle vom F&S-Verlag).
Bei Deadlands war es eine Mischung. Da wurde Metaplot in DL-Classic-Quellenbänden über die dortigen Tombstone Epitaph In-Game-Settinginformationen weitergeschoben, aber auch in Abenteuern (gerade in zwei umfangreichen Trilogien, die nachher auch einen - von den Autoren so vorgesehenen und somit UNVERMEIDBAREN - Bruch im Setting auslösen werden/müssen, damit die späteren Quellenbände immer noch stimmen), und auch im Rahmen des Tabletop-Spiels The Great Railwars, wo insbesondere die politische "Großwetterlage" thematisiert wurde.
Wenn ich mir aber ein Rollenspiel mit Spielwelt und ohne Metaplot vorstelle, bei dem Abenteuer als Support angeboten werden, bedeutet das umgekehrt: Alle Abenteuer müssen vollständig unabhängig voneinander sein und dürfen sich auch nicht auf irgendwas beziehen, was im Quellenband angegeben ist.
Sehe ich nicht so.
Die Abenteuer SOLLEN sich ja auf Dinge beziehen, die im Quellenband angegeben sind, ansonsten der Quellenband ja völlig nutzlos und überflüssig wäre. (Oft ist das ja auch tatsächlich der Fall - nämlich, daß der Quellenband nutzlos ist.)
Im neuen TAG-Setting "Hellfrost" gibt es keine umfassende Kampagne, keinen Metaplot, keine Folgepublikationen, in denen die Entwicklung der Spielwelt ohne Spielgruppen-Entscheid weitergetrieben würde. Es gibt aber einzelne, z.T. auch zweiteilige Abenteuer, die mit den Materialien der Quellenbände erstellt wurden. Diese ändern das "Gesicht" der Spielwelt nicht in dem Maße, daß es zu permanenten Weltanpassungen kommt, die so, wie sie im Szenario möglich sind, auch PASSIEREN MÜSSEN (das wäre nämlich Metaplot: Keine Wahl, keine Alternative, fester Ausgang).
Sobald Abenteuer für ein System angeboten werden, entsteht ein Metaplot.
Nein. - Sobald Abenteuer für ein Rollenspielsetting angeboten werden, die zwingend einen ganz bestimmten Ausgang haben müssen, weil folgende Publikationen diesen bestimmten Ausgang als FAKT voraussetzen, liegt ein Metaplot vor.
Um einen Metaplot zu verhindern, darf es also nur Quellenbücher geben, die eine Momentaufnahme der Spielwelt beschreiben
Das wäre eine sichere Angelegenheit. - Es geht aber auch anders: Quellenbücher, die nur einen groben Rahmen abstecken, aber die jeweilige Gruppe das Setting SELBST ERSTELLEN lassen (z.B. Travellers Sonnensystem-Bastel-Regeln), stellen nicht nur eine Momentaufnahme, also statische Fakten, den IST-Zustand dar, sondern sie geben nur den Rahmen als IST vor, schildern ansonsten nur die Gesetzmäßigkeiten, nach denen dieser Rahmen von der jeweiligen Gruppe selbst gefüllt werden kann. - Eine Momentaufnahme ist dies nicht. Eher eine Do-It-Yourself-Anleitung.
Quellenbücher, die an einer bestimmten "Ecke" eines Settings bestimmte Entwicklungen vorsehen, muß man zudem ja nicht an genau dieser Ecke bespielen. Wenn man den DL-Classic-Metaplot anschaut, dann weiß man, wo die "neuralgischen Punkte" im Weird West sind, und kann mit seiner Kampagne darum einen Bogen machen und diese fortgeschriebene Historie des Weird West nur als Stimmungsmaterial nebenbei einfließen lassen. Die eigentlich bedeutsamen Änderungen der Welt passieren dort, wo die Spieler gerade agieren!
Ich würde daher immer anschauen, wie im Einzelfall mit "metaplot-kritischem" Material vom Verlag verfahren wurde.
Wenn es wie bei Engel ist, dann hängt man am Kanon-Zug und verspürt das Verlangen solange dran hängen zu bleiben, bis man die letzten vom Verlag einem noch vorenthaltenen Geheimnisse erfahren mag.
Legt ein Verlag aber gleich von Anfang an alles offen, so kann man sich frei entscheiden, ob und was man davon für seine eigene Runde verwendet. - Das geht auch noch, wenn der Verlag es nach und nach veröffentlicht, aber keine "harte Bindung" an die von seinen Metaplot-Autoren geschaffenen Fakten voraussetzt. (Nur ist so etwas eben nicht über all, wo Metaplot betrieben wird, der Fall.)
Metaplot-freier Abenteuer-Support ist spätestens seit Midgard 1 auch hierzulande bekannt. Daß es also "geht", ist offensichtlich.
Es bleibt nur die Frage nach dem WOLLEN der Verlagsseite. Immerhin bindet Metaplot Kunden an das eigene Produkt (sogar sehr eng, sogar bei bekannten und offensichtlichen Qualtitätsmängeln werden immer noch die so wichtigen "Kanon"-Publikationen gekauft, um zu erfahren, wie der Metaplot weitergeht und damit die eigene Runde nicht im kanonischen Abseits landet).
Mir sind Verlage, die ganz offen auf Metaplot verzichten, auf Anhieb sympathischer als solche, bei denen ich eine "schöne Geschichte", die ich aber nicht spielen kann, sondern die ich mir in Form von Quellenbüchern anlesen soll, versprochen bekomme.
Und richtig gerockt haben bei mir immer die Abenteuerreihen ohne oder mit minimalen Settings wie DCC, DTA, G1-3,D1-3,Q1, usw.