Hier dann nun eine sehr lange Ausführung und Klarstellung meiner eigenen Position. Nachdem der Eingangsbeitrag etwas "rantig" war, kommt hier eine um begriffliche Klarheit bemühte Darstellung. Ich kann verstehen, wenn das dem ein oder anderen zu lang ist (oder teilweise ein bisschen trocken rüberkommt). Aber ich wollte zeigen, dass mir das Thema tatsächlich am Herzen liegt und sich hinter meiner Lospolterei ein paar Überlegungen verbergen. Vieles von dem, was ich im Folgenden sage, haben andere hier schon auf den Punkt gebracht. Entschuldigt bitte, wenn ich nicht auch noch Zitate einbaue - das Ganze ist eh schon massiv genug.
Es geht mir um den Zusammenhang von Spaß haben und gutem Rollenspiel. Hier zwei Thesen dazu:
1. These: Weil du Spaß hast, ist das Rollenspiel gut.
2. These: Weil das Rollenspiel gut ist, hast du Spaß daran.
Ich bestreite die 1. These und argumentiere für die 2. These. Weiter unten werde ich dann auch noch etwas dazu sagen, wie man auf die Frage, was gutes Rollenspiel ist, antworten kann. Nun erläutere zunächst ich ein wenig genauer, wie die Thesen zu verstehen sind. Dann wird hoffentlich auch der Unterschied deutlicher.
Es geht mir um Rollenspiel als Aktivität. Mit Rollenspiel ist hier also der Vorgang des Spielens gemeint. „Gut“ qualifiziert demnach eine Tätigkeit, nämlich das Spielen (ist also eigentlich adverbial gemeint – deswegen die *-Formulierungen). Die Überlegungen gehören also in den Zusammenhang von Fragen wie: Was heißt es, gut zu spielen? Wie spielt man Rollenspiele gut?
Präziser formuliert lauten die Thesen also:
These 1*: Gut zu spielen ist dasselbe wie Spaß beim Spielen zu haben.
These 2*: Weil du gut spielst, hast du Spaß. (Oder auf die Gruppe bezogen: Weil ihr gut spielt, habt ihr Spaß.)
Die These 1* ist eine begriffliche These darüber, wie man das Adverb „gut“ auf die Tätigkeit des Rollenspiels anzuwenden hat. Im Unterschied dazu ist These 2* keine begriffliche These, sondern eine empirische These. In ihr wird nicht darüber gesprochen, wie man das Wort „gut“ richtig verwendet, sondern welche Konsequenzen mit gutem Spiel verbunden sind – nämlich Spaß zu haben.
These 2* muss natürlich noch mit Einschränkungen versehen werden. Beispielsweise sollte man die Möglichkeit einräumen, dass jemand gut spielt, ohne Spaß zu haben. Locker paraphrasiert könnte man also sagen: Gut zu spielen führt im Allgemeinen/normaler Weise dazu, dass man Spaß am Spiel hat.
These 2* lässt es im Unterschied zu These 1* offen, was es heißt, gut zu spielen (siehe dazu unten). Diese Offenheit ist in meinen Augen eine große Stärke, weil sie nämlich Raum dafür schafft, sich darüber auszutauschen, was gut zu spielen auszeichnet. Man verständigt sich darüber, über welche Art von Rollenspiel man reden möchte. Dann wägt man ab, wie man diese Art von Rollenspiel gut spielt. Wenn man beispielsweise über stimmungsvolles Rollenspiel spricht, dann sind solche Verhaltensweisen gut, die eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugen oder unterstützen. Verhaltensweisen sind ceteris paribus besser, je besser sie eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugen.
Mich interessieren genau solche Gespräche. Ich möchte mich mit anderen darüber austauschen, was für sie gutes Rollenspiel auszeichnet. Wenn ich als Antwort These 1* bekomme, bin ich keinen Schritt weiter. Wenn mir aber jemand sagt: Ah, gutes Rollenspiel ist (für mich) stimmungsvolles Rollenspiel. Je stimmungsvoller desto mehr Spaß habe ich daran. Dann können wir uns unterhalten: darüber, wie man Stimmung erzeugt. Ob es nicht vielleicht auch noch andere Aspekte gibt, die für diese Person wichtig sind. Etc.
An dieser Stelle ist es wichtig, mit einem Missverständnis aufzuräumen, dass sich in die Diskussion eingeschlichen hat. Folgende Überlegung mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, stellt sich aber bei näherer Betrachtung als falsch heraus:
Prämisse: Es gibt keine allgemeingültige/objektive Bestimmung des guten Rollenspiels.
1. Schlussfolgerung: Deswegen kann man die Frage, was es heißt, gut zu spielen, nur jeweils individuell beantworten.
2. Schlussfolgerung: Deswegen reduziert sich alles auf den erlebten Spaß.
Hier ist natürlich die 2. Schlussfolgerung das Problem: Sie folgt nicht aus der Prämisse und der 1. Schlussfolgerung. Die 1. Schlussfolgerung ist richtig, wenn man die Prämisse teilt (und die Zusatzannahme macht, dass man die Frage überhaupt beantworten kann). Wenn ich keine allgemeingültigen/objektiven Werte habe, dann müssen Werte relativ sein (ok, wer sich mit Wertekonzeptionen beschäftigt hat, mag hier noch ein bisschen mehr Differenzierungen einfordern; aber ich denke nicht, dass wir das benötigen). Aber von der Aussage, dass wir von Werten nur relativ zu einem bestimmten Bezugssystem reden können, ist es ein weiter Weg zu der These, dass sich alles auf den erlebten Spaß reduzieren lässt.
Ich denke, dass die 1. Schlussfolgerung (in einer präzisierten Variante) richtig ist: es gibt keine allgemeingültigen/objektiven Kriterien dafür, was es heißt, gut zu spielen. Wenn wir uns darüber verständigen wollen, was es heißt, gut zu spielen, müssen wir das auf einzelne Personen oder vielleicht auch auf einzelne Auffassungen von Rollenspielen und Spielstilen beziehen.
Aber ich bestreite die 2. Schlussfolgerung, dass gut zu spielen dasselbe ist wie Spaß beim Spielen zu haben.
Diese Unterscheidung ist deswegen wichtig, weil ich damit den Vorwurf unterlaufe, ich würde mir im Elfenbeinturm eine elitäre Definition guten Rollenspiels zurechtlegen, die ich dann als Keule gegen all diejenigen schwinge, die anders spielen. Unterschiedliche Spielstile werden von mir nicht notwendiger Weise hinsichtlich ihrer Güte unterschieden. Aber wenn jemand sich auf seinen individuellen Spielstil, seine Auffassung von Rollenspiel festgelegt hat, dann haben wir einen Bezugsrahmen, relativ zu dem wir darüber sprechen können, was es heißt, gut zu spielen.
Ein weiterer Aspekt, den ich problematisch an der begrifflichen These 1* finde, ist folgender: Spaß zu haben ist keine Tätigkeit, sondern – zumindest nach meinem Sprachempfinden – eine bestimmte Erlebnisqualität, die bestimmte Tätigkeiten oder Erlebnisse begleitet oder nicht begleitet. Spaß zu haben tut man nicht. Man kann natürlich bestimmte Dinge tun, um Spaß zu haben. Aber man kann nicht einfach Spaß haben, so wie man Fußball spielen oder ein Buch lesen kann.
Dies wirft ein schlechtes Licht auf These 1*, weil es logisch fraglich ist, dass das gute Ausbüben einer bestimmten Tätigkeit (in unserem Fall: zu spielen) dasselbe ist wie das Vorliegen einer bestimmten Erlebnisqualität (in unserem Fall: Spaß). Meiner Meinung ist das ein klarer Kategorienfehler.
Außerdem hilft der Hinweis, dass gut zu spielen dasselbe sei wie beim Spielen Spaß zu haben, nicht weiter, wenn man wissen möchte, wie man gut spielt. Man hat dann keinen Anhaltspunkt, was man tun soll. Wenn man Tipps geben möchte, wie man gut spielen kann, muss man sich also von These 1* verabschieden. Dies ist einer der Gründe, warum ich These 1* sogar für schädlich halte: Sie hilft niemandem weiter, der wissen will, wie er am besten spielen sollte.
These 2* ist hier viel produktiver. Denn sie besagt ja gerade, dass du Spaß beim Rollenspiel haben wirst, wenn du gut spielst. Hiervon ausgehend kann man Tipps entwickeln, wie man Spaß beim Rollenspiel erreicht.
Kann man denn nur Spaß haben, wenn man gut spielt? Nein, denn der empirische Zusammenhang von gutem Spielen und Spaß Haben ist nicht notwendig. Erstens können andere Spaßquellen für mich im Vordergrund stehen, beispielsweise das Zusammensein mit Freunden. Außerdem kann ich auch Spaß am Spiel haben, obgleich es nicht optimal ist.
Na, aber wird das jetzt nicht ein bisschen schwammig? Du vertrittst die These 2*: Weil du gut spielst, wirst du Spaß haben. Jetzt räumst du aber ein, dass folgende These auch richtig ist: Man kann auch Spaß haben, wenn man nicht gut spielt. Hä?
Um das zu beantworten, möchte ich noch etwas zum Begriff „gut“ sagen. Es ist sicherlich wichtig, hier nicht nur in der Dichotomie gut vs. schlecht nachzudenken, sondern Güte als etwas Graduierbares zu verstehen. Um beim Rollenspiel zu bleiben: Es gibt nicht nur die Alternative gut zu spielen oder schlecht zu spielen. Die Qualität des eigenen Spiels reicht eher von grottig über so lahlah über solide über hui cool bis hin zu atemberaubend (oder eine ähnliche Skala).
Wenn man sich dies klar macht, kann man These 2* um einen Zusatz ergänzen: Je besser du spielst, desto mehr Spaß wirst du haben. (Je besser ihr spielt, desto mehr Spaß werdet ihr haben.) Selbstverständlich gilt auch diese Aussage nicht ausnahmslos.
Was bedeutet dies nun für die These, dass man auch Spaß am Spiel haben kann, wenn man nicht gut spielt? Sie ist richtig. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu These 2*. Und wenn man die Ergänzung berücksichtigt, kann man wohl sagen, dass die Leute nicht Spaß an grottigem Spielen haben, sondern sich auch an so lahlah freuen können.
Aber kann ich denn, wenn ich erstens die Güte als etwas Graduierbares ansehe und wenn ich zweitens selbst mindere Qualittät als potentielle Spaßquelle anerkenne, überhaupt noch angeben, worin gut zu spielen oder besser zu spielen bestehen soll? Natürlich. Wie wir bereits oben gesehen haben, ergibt sich die Bedeutung von gut (und besser) hier relativ zu einem bestimmten Bezugssystem, beispielsweise einer bestimmten Auffassung vom Rollenspiel oder bestimmten Spielstilen. Genau dies ermöglicht es zu sagen, dass jemand grottig spielt – wenn wir nämlich von Stimmungsspiel sprechen und seine Performance ein Stimmungskiller ist.
Aber das klingt so, als würde man am Ende gar nicht mit der EINEN Definition von gutem Rollenspiel dastehen, sondern nur Bestimmungen haben, die relativ zu irgendwelchen anderen Begriffen/Auffassungen/Präferenzen sind. Jepp. Ich habe nie etwas anderes behauptet.
Aber dann musst du sofort eine ausführliche, glasklare und wahre Auflistung aller Bezugssysteme liefern, sonst ist alles, was du sagst, sinnlos. Hm, da bin ich anderer Meinung. Aber dieser Beitrag ist schon so überlang, dass ich darauf jetzt nichts mehr entgegnen werde.
Was bleibt jetzt unterm Strich? Ich bin der Meinung, dass man Rollenspiele spielt, um Spaß zu haben (wenn man einen sehr, sehr weiten Spaßbegriff ansetzt, den man selbst wiederum hinterfragen könnte – aber nicht jetzt). Ich bin der Meinung, dass man in der Regel mehr Spaß hat, je besser man spielt. Ich bin der Meinung, dass man sich sinnvoll darüber unterhalten kann, was es heißt gut (und weniger gut und besser etc.) zu spielen. Ich bin nicht der Meinung, dass dies auf eine allgemeingültige und objektive Definition des guten Rollenspiels hinausläuft. Ich bin der Meinung, dass die Aussage, gut zu spielen ist dasselbe wie Spaß beim Spielen zu haben, falsch ist. Außerdem – und dies ist die Motivation für diese Ausführungen jenseits einem theoretischen Interesse – habe ich den Eindruck, dass die mMn falsche These häufig dazu führt, sich nicht darüber auszutauschen, wie man besser spielen könnte.