Nachdem ich gerade mehr oder weniger fleißig am Lesen in HQ2 bin, möchte ich mal ein paar Punkte in diesem Thread nochmals anrühren.
Also, nach Ulm komme ich frühestens im Spätsommer September wieder, zum Cat-Con. Leider kann es aber durchaus dazu kommen, dass der Cat-Con sich mit etwas anderem bei mir überschneidet. Gepriesen seien die Götter! Ich sehe gerade, dass der Cat-Con XXIX nicht mit dem Tanelorn-Treffen im August kollidiert!
Kommst Du 2009 auf die Cat-Con? Sollen wir da was ausmachen?
Es ist halt so, daß ich normalerweise IMMER eine Savage Worlds Runde leiten werde (eventuell Hellfrost als Übernacht-Runde, oder Deadlands:Reloaded oder - natürlich! - Nekropolis 2350). - Ich könnte aber, bei "Vorwarnung" noch eine HQ2-Runde vorbereiten - auch wenn mein eigenes "Geschichtenerzählen" vor lauter "Geschichten erzählt bekommen" durch meine SW-Spieler etwas eingerostet ist. Aktuell widerstrebt es mir schon, auch nur einen Plot zu planen, wenn ich mit einer in sich stimmigen Setting-Modellierung jede Menge auch für mich überraschende Geschichten spielen kann.
HQ2 geht sprachlich viel klarer als alle Vorgängerversionen auf die oberste Priorität von Überlegungen nach DRAMA-Gesichtspunkten ein. Es wird klar dargelegt, daß für bestimmte Arten von Spielerinteressen HQ2 vermutlich nicht das richtige System ist. Diese klare und offene Art der Schilderung der Anwendungsbereiche, für die HQ2 gedacht ist, finde ich sehr hilfreich.
HQ2 ist NICHT universell, wohl aber generisch. Es kann nicht alles, aber es kann quer über unterschiedliche Genres das, wofür es gedacht ist.
Zur alten HeroQuest/Glorantha-Problematik:
An mir lag es damals ja nur teilweise, dass HQ in meiner Spielrunde nie richtig zünden wollte.
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Niemand wollte meine Ausführungen über tausend Götter, Kulte, miteinander konkurrierende Philosophien, Mythologien, Geheimbünde und Sekten hören.
Diese Setting-Elemente gab es ja auch schon in RQ, aber dort waren sie nicht so prominent bzw. man hatte eher einen Eindruck von diesen Dingen aus der "Bodenperspektive". Man spielt NORMALE Leute der Spielwelt, die halt auch ab und an mal mit Übernatürlichkeiten was zu tun haben, sich aber immer noch oft genug einfach so in die Haare bekommen können, ohne daß die Geschicke ganzer Nationen auf dem Spiel stehen.
HeroQuest hatte auch in anderer Hinsicht einen verflixt schweren Stand: Zum Beispiel waren fast alle offiziellen Abenteuer am Anfang für Sartarite Heortlings geschrieben, oder besser gesagt, für Sartarite Heortlings mit einem bestimmten Background und einer bestimmten politischen Haltung (am besten 100-prozentige Anti-Imperiums-Rebellen, also romantische Terroristen in Reinkultur).
Irgendeinen Schwerpunkt MUSS eine solche mehrteilige Kampagne aber haben. Und diese war nun einmal eine Orlanthi-Heiliger-Krieg-Ausrichtung - mit allen Randbedingungen, wie der eh schon üblichen Fremdenfeindlichkeit der Orlanthi und der "Unverträglichkeit" der beteiligten SCs mit friedlichen Lösungsansätzen.
Wie konnte ich da bitte schön eine Welt "verkaufen", in der sich die unterschiedlichen menschlichen Völker, und auch die Vertreter unterschiedlicher Sekten und Kulte innerhalb eines Volkes, ständig an die Gurgel gehen?
Glorantha ist NICHT DeGenesis! - Bei DeGenesis trifft das tatsächlich zu, daß keiner mit keinem kann. - Bei Glorantha gibt es kooperative Kontakte. Nur die bornierten HighlanderOrlanthi sind hier eben die krassen Fanatiker und Xenophoben, die sich an ihre überkommenen Götter klammern. - Im Lunaren Imperium bekommt man eine je nach Region moderatere Sicht aufs Spirituelle geboten.
Aber es gibt nun einmal in einer Welt wie Glorantha mit STARKEN Mythologie-Bezügen eben die Götter und deren Vertreter auf Erden. Und das müssen halt die Spieler erst einmal akzeptieren. Eine JUNGE Welt, wo die Götter gerade eben erst um die Ecke verschwunden sind und jederzeit zurückkommen könnten, ist halt anders als eine alte Welt, die "früher mal mehr Magie" hatte.
Der dritte problematische Punkt, wenn wir HeroQuest in Glorantha spielten, war der, dass die meisten meiner Spieler gar nicht damit rechneten, je große epische Questen zu erleben oder an weltbewegenden Schlachten oder politischen Beschlüssen teilzunehmen, ...
Das kommt wirklich darauf an, wie man es als Spielleiter den Spielern "verkauft" hat. - Auch in AD&D war es die zwangsläufige Folge der Erreichung des Name-Levels, daß man sich einen Stronghold baut und ins politische Spiel einsteigt. NIEMAND spielt einen doofen "Kellerräumer" von Level 20! (Außer in späteren D&D-Versionen, wo eben dieser Schritt zu mehr VERANTWORTUNG der Spieler(charaktere) eben abgeschafft wurde.)
Zudem tappte ich in die Falle, mit typischen 17er-Rating-Anfängercharakteren (in Sartar) bestimmte Anfängerabenteuer zu spielen. Da fehlte natürlich noch die Power. Ich hatte dort de facto Charaktere vor mir, die noch jahrzehnteweit entfernt von großen Mega-Questen waren.
Das halte ich auch für ein Problem. Ein heftiges noch dazu!
Mit 17er-Startcharakteren reißen diese NICHTS. Die sind kaum besser als RQ-Anfängercharaktere. - Zumindest die "gefühlte Kompetenz" ist nicht größer. - Schon garnichts ist von dem HEROQUESTING auf dieser popeligen Werte-Ebene zu sehen!
Spieler können das mit Recht als Etikettenschwindel auffassen. HQ verspricht Charaktere wie Starbrow, Harrek, Jar-eel usw., liefert aber nur "Alrik, Orlanthi Herder 17, Barntar Initiate". Bauergaming statt POWERGAMING in den Götterebenen.
Das war mit ein Grund, wieso ich eigene Conversions von HW auf andere Settings gemacht habe, die weniger vollmundig das Verkloppen mythologischer Wesen als die übliche Beschäftigung darstellen, sondern einfach eine ganze Kategorie kleinere Brötchen backen. - Da paßt dann die Erwartungshaltung der Spieler und die "Gefühlte Kompetenz" des Charakters besser zusammen.
Das, wozu das Regelwerk theoretisch nutzbar ist, kam in den Beispielabenteuern für Anfänger noch kaum vor oder war nicht gut genug erklärt.
Das trifft aber auf die meisten Rollenspiele zu: Anfängerabenteuer lassen nur einen dünnen Hauch des eigentlichen Potentials eines Rollenspiels erkennen.
Das Buch liegt nun vor mir.
Erster Eindruck: Dünn, nur 122 Seiten sind darin enthalten, dazu noch 8 Seiten Reffezent Sheet und Index. Und 16 Seiten Glorantha.
Zum Buch: Es ist mit einem viel zu dünnen Einband versehen. Der biegt sich aktuell nach nicht einmal der Hälfte Durchlesens schon gefährlich. Das ganze großformatige Teil sieht so lapprig aus, wirft beim Liegen auf einer glatten Oberfläche (Tisch, Stuhl) Wellen. Kein Ruhmesblatt für den Produktionswert. Es wäre sicherlich mit einem 200 Seiten KLEINFORMATIGEN Hardcover besser umgesetzt gewesen.
Die Schwierigkeit, die ich aber kommen sehe, ist, dass das Zeitalter der generischen Alleskönner-Systeme möglicherweise vorbei ist.
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Savage Worlds ist im Moment das einzige nicht an einen Background gekoppelte flexible System, das ich wirklich interessant finde.
HQ2 sagt ja im Text selbst, daß es NICHT FÜR JEDEN geeignet ist. - Echte "Alleskönner-Systeme" gibt es nämlich nicht. Es gibt generische Systeme, aber WIRKLICH "universell" ist keines der "Generika".
Savage Worlds kann längst nicht alles, sondern hat seine Nische im taktischen Spiel mit leicht bis mittlerem Cinematik-Einfluß. HeroQuest 2 hat seine Nische im Erzählerischen/Dramatischen, taktikarmen Spiel mit leichten bis extremen Cinematik-Einflssen. - Eine ANDERE Nische mit nur sehr wenig Überschneidungen.
Es wird Settings geben, die NICHT PASSEND mit HQ2 umgesetzt und gespielt werden. (Wie es ja auch unpassende Umsetzungen bei SW-Conversions oder Fate-Adaptionen, etc. gibt.)
Ehrlich gesagt war ich bereits von dem Vorschau-PDF, das es zu dieser Edition gibt, vergleichsweise enttäuscht. Einerseits wurde das fantasy-lastige, mystische Layout mit den Runenverzierungen aus HeroQuest 1.0 (so will ich die Ausgabe von 2003 nun mal in Anlehung an Zornhau nennen) beibehalten, auch der Fließtext in das gleiche Font gesetzt, aber HeroQuest soll nun quasi jedes beliebige Abenteuer-Genre abdecken, à la GURPS und True20. Spezialagenten, Space-Opera-Raumfahrer, Horrorfilmfiguren, Superhelden, Cyberpunk, Giant Robots (!), Fantasy, Sword and Sorcery, sogar Teenie-Seifenopern, Furries und Cartoons?
Ja, das fand ich auch ziemlich daneben. Eigentlich wäre es doch zu erwarten gewesen, daß man sich - auch optisch - von der alten HQ1-Welt lösen möchte.
Da bin ich seit einiger Zeit mehr als skeptisch, da es für alle diese Dinge doch mittlerweile sehr gut durchdachte und supportete Indie-Systeme gibt, die sich speziell einem einizigen festen Genre widmen.
Das verstehe ich nicht. - HQ mag als Indie-Rollenspiel angefangen haben, aber es hat den ganzen Forge-Ideologie-Mief NICHT als Ballast mitgeschleppt. Diese Ideologie ist es nämlich, die aus den markantesten Indie-Systemen die klassischen "One Trick Ponies" macht. Spiele, die EINE Sache richtig gut können, und die einer Gruppe, die ständig die Rollenspiele wechselt, auch ihren Spaß bringen, die aber kaum DAUERSPIELWERT haben. - Und für mich ist es halt so, daß ein Rollenspiel erst dann ein "Voll-Rollenspiel" ist, wenn ich von One-Shots über mehrere Sitzungen dauernde Szenarien-Folgen bis hin zu richtigen Kampagnen, die über Jahre, ja gar Jahrzehnte gehen, NIE die Lust am Spielen dieses Spiels verliere.
Das ist ein für mich sehr wichtiges Qualitätskriterium, das typische Indie-Rollenspiele schuldig bleiben. - Da scheint ein regeltechnisch auf den Punkt designtes Spiel, das aber NULL Dauerspielwert hat, bei den Entwicklern das einzige zu sein, was im Brennpunkt steht. - Für die Entwicklung von auf Dauer spielenswerten Spielen sind nämlich viel BREITERE Zielgruppen und Zielspielweisen-Korridore anzustreben. Etwas, das solche Forge-Vertreter und deren Epigonen nie geschafft haben.
HeroWars trat aber NICHT als One-Trick-Pony an, sondern mit dem Versprechen des Langzeitspielspaßes! - Und so auch HQ1 und HQ2. - Aber können sie das halten?
Auch scheint ja der allgemeine Zeitgeist im RPG-Bereich dergestalt zu sein, dass man sich an die Vorgaben von "system matters" und "genre matters" hält.
Erkläre das bitte. Das habe ich wirklich so GAR NICHT verstanden.
Insofern hätte nun diese neue Edition eines nicht-glorantha-bezogenen HeroQuest praktisch nichts Besonderes mehr, keinen eigenen speziellen Kniff, Trick, Clou oder Geschmack (flavor). Zumindest ist das mein erster Eindruck davon.
Das ist auch MEIN Eindruck.
Mir fällt jetzt beim HQ2-Lesen auf, daß ich bei JEDEM Beispiel, das in Glorantha angesiedelt ist, einfach mit mehr Neugier lese, als bei irgendwelchen generischen Beispielen aus Antike, Western, Superhelden, usw. Settings. - Ich mag HeroQuest, WEIL ich Glorantha-Fan bin.
Genauer: Ich hätte nach RQ3 und dem inoffiziellen RQIV eigentlich am Liebsten die lange versprochene HeroQuesting-Erweiterung für RQ gehabt, und wäre damit vermutlich endlos glücklich gewesen.
Das "narrative" (Oh, Gott!) HQ ist nichts, was man als langjähriger RQ-Spieler mit teils mehreren, mehrjährigen, parallel laufenden Kampagnen in seiner Vorgeschichte wirklich WOLLTE oder BRAUCHTE.
Ich hatte mich mit HW bzw. HQ1 mehr "arrangiert", als daß ich es GEWOLLT hätte. - Es waren halt die aktuellen Regelsysteme, in denen ich auf meiner Lieblings-Fantasy-Welt, Glorantha, spielen konnte.
Das Potential von HW bzw. HQ kam erst später durch - aber da hatte ich dann ANDERE cinematische Rollenspiele wie Deadlands Classic, Cinematic Unisystem schon gekannt, und hatte auf deren Grundideen meine Conversions mittels HQ gemacht.
Aktuell ist es aber so, daß sich beim Lesen von HQ2 leider NICHT die erwartete Begeisterung einstellt. Das Gefühl des "das MUSS ich Spielen"s ist hier nicht spürbar.
Vielleicht wäre es anders, wenn - wie für das damalige QuestWorlds-Vorhaben - gleich mehrere Spielwelten mitgeliefert würden, statt nur 16 Seiten zu viel zum Sterben, zu wenig zum Spielen Glorantha.
Dabei ist das Regelwerk GRUNDSOLIDE abgefaßt und es sind wirklich VIELE und AUSSAGEKRÄFTIGE Beispiele enthalten, so daß man bei einmaligem Lesen ein sehr gutes Gefühl für das an sich ja recht einfache Regelsystem bekommt. - Insgesamt ist textuell eine sehr gute Qualität geliefert worden (die leider durch den flimsigen Einband und die welligen Seiten beim praktischen Lesen und Blättern geschmälert wird).
Aber der Zündfunke fehlt noch. - Vielleicht kommt im späteren Teil des Buches ja noch was. Mal sehen.