Das ist jetzt mal ein Versuch zu klären, ob ich nur Erzählonkel oder ARS-Fan bin, denn anscheinend kann man ja nur eines von beidem sein.
Wenn ich beschreiben soll, was die Kernprämisse meines Leitens ist, dann sage ich für gewöhnlich: „Eine tolle Geschichte, welche mit den Hintergründen und Interessen der Spieler zusammen zu einer Kampagne verwoben wird.“ Dabei sind die Regeln des Systems mein Werkzeug zur Simulation oder Emulation der Umwelt. Die Kämpfe und Würfelproben sorgen abseits dramatischer Entscheidungen und immersiver Momente für Spannung uns haben genau wie die Entscheidungen der Spieler was ihre Charaktere nun machen, einen entscheidenden Einfluss auf den Fortgang einer Kampagne.
Doch so einfach ist das nicht aufzubrechen. Ich lege in meinen Runden extremen Wert auf InCharakter Gespräche mit und zwischen den Spielern, vermittele ihnen wichtige Informationen auf diesem Wege, um die Gruppe nicht ins Leere laufen zu lassen. Die Hintergründe der Spieler werden in die Geschichte, an der sich die Kampagne entlang bewegt zentral eingebaut und liefern wichtige Bausteine zum Gesamtbild oder Ergebnis. Falls sich die Spieler beim Charakterspiel mit ihrem Charakter daneben benehmen, hat das oft direkte Auswirkungen auf die Kampagne und Kämpfe, weil die Opposition an dem Tag härter wird oder droht sogar das Ziel der Kampagne zum Stürzen bringen, weil ein SLC die Fronten wechselt. Auch im Charakterspiel ist also Fingerspitzengefühl und Taktisches denken gefordert.
Fertigkeiten werden von mir benutzt um Spielern Spotlight zu geben und ihre Rolle zu schärfen. Sie sind da um in bestimmten Schlüsselmomenten des Tages für Spannung zu sorgen und zu zeigen, wie sich die Geschichte weiter dreht. Man darf eine Fertigkeit nicht umsonst gelernt haben.
Meine Welt ist nicht da, damit die Spieler von ihr eine Geschichte geboten bekommen, egal wie blöd sie sich benehmen. Sie ist da, damit meine Spieler in ihr eine möglichst plausible Geschichte erleben. Mit Leid, Überraschungen, Wendungen und Glückmomenten. Eine gute Geschichte muss innerhalb der Regeln des Spieles glaubwürdig sein, die SLC müssen eigene und vor allem glaubwürdige Motivationen haben und diese auch mit verschiedenen Mitteln durchsetzen. Meine SLC machen mir nicht nur Spaß beim Spielen, sie haben auch stets eine Agenda und Ziele die im Laufe der Kampagne oft wechseln. Eine weitere wichtige Komponente beim Leiten ist für mich die Tatsache, das die Antagonisten und Verbündeten nicht in einem schwarz- weiß Schema auftauchen, sondern es viele feine Grauabstufungen gibt. Es gibt Verbündete, die Arschlöcher sind und Feinde die ehrenhaft bis heldenhaft sind. Genauso gibt es starke und weniger starke ´Gegner und das von Anfang an (OK ich neige sehr zum Spott meiner Gruppen zu sehr starken SLC). Wenn ein Spieler sich als Frischling mit einem Ritter des Reiches anlegt, sollte er damit rechnen, das es tödlich endet, falls er kein unerhörtes Würfelglück hat.
Wenn eine Gruppe bei der Geschichte meint, man müsste etwas an bestimmten Momenten oder Würfen drehen, damit sie eine tolle Geschichte bekommen, dann haben sie meine Auffassung von Helden nicht verstanden.
Helden im Rollenspiel machen Geschichte und erleben sie nicht.
Wenn ich eine Geschichte erzählen will, dann schreibe ich ein Buch.
Das Verschieben von Würfeln entwertet eine gute Geschichte genau wie Railroading um die Gruppe zu etwas zu bekommen, was sie nicht will. Genau wie die Entscheidungen der Spieler für den SL von Relevanz sein müssen, müssen es die Kämpfe und Würfelwürfe sein. Goldene Regeln in Spielen sollen schlechte Mechaniken entschärfen und unflexible Spielleiter mit einem Werkzeug ausstatten um ihre Geschichte durch zu knüppeln.
Ich halte mich für einen Regisseur oder besser gesagt zugleich Publikum und Schauspieler beim Impro- Theater. Ich stelle die Umgebung, Freunde und Gegner da, sorge für Situationen in denen sich die Schauspieler (Spieler) bewegen können und die Geschichte so voran bringen. Dabei muss ich immer darauf achten, das die Dramaturgie der Geschichte gut bleibt, die Spieler ihre Motivation behalten und das ganze nachvollziehbar (plausibel) ist. Ein Mittel um diese Plausibilität bei zu behalten und der Geschichte trotzdem die Möglichkeiten zu unerwarteten Wendungen zu geben sind neben dem Aktion und Reaktion Prinzip beim Leiten, die Würfel und gute Regeln, die den gemeinsamen Vorstellungsraum präzisieren.
Wenn ein Wurf daneben geht oder ein Charakter stirbt, weil es die Würfel es so entscheiden, dann ist das keine Entwertung der Geschichte, sondern eine tragische Wendung. In jedem guten Buch gehen mal Helden oder andere Protagonisten hops und halten die Spannung so auf einem hohen Niveau. George R.R. Martin ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie man so etwas praktiziert. Auch die Helden in Geschichten müssen Rückschläge hinnehmen und sich wieder aus dem Dreck arbeiten, wenn sie versagt haben.
Doch sie wären keine Helden, wenn sie nicht wieder aus ihrer Asche auferstehen würden.
Ich will also alles, ich will Charakterspiel mit persönlichen, Taktiken, welche sich auf die Kämpfe auswirken können. Eine gute Geschichte die den Spielern Platz für narratives Spiel lässt und sie zusammen schweißt um eventuell durch das Zerbrechen der Freundschaften neue Höhepunkte zu setzen. Ich will auch spannende Kämpfe, deren Ausgang auch Bedeutungen für die Geschichte und Hintergründe der Charaktere haben. Dazu nehme ich mir jeweils die SL-Komponenten die in der jeweiligen Situation benötigt werden, benutze sie und springe zum nächsten Stil um ihn zu benutzen, wenn es passt. So, als wenn ich die verschiedenen Elemente als Bauklötze benutze um zusammen mit meinen Spielern eine gute Geschichte zu bauen.
Dabei kann der Fokus von einzelnen Tagen völlig unterschiedlich ausfallen, weil meine Spieler etwas anderes vorhaben, als ich es ihnen anbiete und ich die Geschichte in diesem Sinne weiter spinne.
Also, was bin ich und welches Schweindel hätten sie denn gerne?