Hallo zusammen,
in den vergangenen paar Spontan-RPG-Runden, die ich leitete (zugegebenermaßen waren das zum Teil Hearts & Souls-Runden, also "Superhelden"), wollte immer wieder mindestens einer der Spieler die Kraft "Teleportation" haben--am besten auch noch Teleportieren an beliebige Orte, ohne Begrenzung auf Entfernung, und ohne Kraft- oder Energieaufwand und ohne sich dafür vorbereiten zu müssen.
Ich muss dazu sagen, dass mir die Gabe der Teleportation inzwischen gar nicht mehr so recht passt und in vielen Abenteuern geradezu abenteuerzerstörend (plot-zerstörend) herüberkommt. In manchen Punkteverteilungssystemen wie HERO kann man natürlich Teleportieren sehr teuer machen, und in anderen wiederum mit großen Penalties oder Einschränkungen versehen. In Fantasy-Systemen ist bei mir der Zauberspruch für Teleportation entweder nie bekannt oder nie erschwinglich oder er kostet so viele Magiepunkte, dass fast niemand ihn sich erlauben könnte. Aber wie kann man so etwas handhaben in Hearts & Souls, einem Narrativ-System ohne Punktebegrenzung?
Neulich saß ich mit drei relativ neuen Spielern in einer neuen Runde zusammen am Tisch zum Hearts & Souls-Spielen. Zwei der drei Typen wollten zugleich für ihren Charakter "Teleportieren" haben (soweit ich weiß hatten beide den Film "Jumper" gesehen). Ich musste mich ganz schön lange rechtfertigen und verbiegen, um zu erklären, dass ich gerade diese Fähigkeit ungern zulasse--oder überhaupt nicht.
Man muss sich das so vorstellen: Der Spieler vom Typus "Powergamer" hat generell immer Angst, dass seinem Charakter etwas zustoßen könnte und dass es der Spielleiter speziell auf ihn abgesehen haben könnte. Darum will dieser Spieler möglichst immer etwas haben, womit er seinen Hintern möglichst elegant und problemlos aus der Gefahrenzone bringen kann. Möglichst schnell sein, möglichst mysteriös, unauffällig, unaufhaltsam, uneinholbar... und möglichst lautlos, ohne Anstrengung, ohne Schweiß und ohne Nebenwirkungen. Also für mich die perfekte Feiglings-Superfähigkeit.
SL: "Ihr seid in in einem tiefen dunklen Tunnelgang irgendwo unter der Erde und kommt an eine riesige Stahltür..." - Spieler: "Kein Problem, ich kann mich hindurch teleportieren."
SL: "Ihr steht auf dem Dach eines brennenden Hochhauses, das unter euch zusammenzufallen beginnt..." - Spieler: "Ein Klacks, ich kann mich doch teleportieren."
SL: "Vor euch stehen zwanzig Mafia-Gangster mit Maschinenpistolen." - Spieler: "Ich teleportiere mich hinter den Rücken des Anführers und schieße ihm in den Kopf."
SL: "Ihr steht auf der Autobahn im Stau und seid schon spät dran..." - Spieler: "Ich hab' mich doch schon zum Treffpunkt teleportiert."
SL: "Das Heilmittel / Das Artefakt / Das fehlende Bauteil gibt es nur zehntausende Kilometer entfernt auf einem anderen Kontinent." - Spieler: "Ich hab' mich schon hinteleportiert."
SL: "Die Gegner haben euch ausnahmsweise mal mit lähmenden Strahlen überwältigt und sperren euch in eine geheime Gefängniszelle." - Spieler: "Ich teleportier' mich raus."
Noch einfacher und unspannender geht es also kaum. Das ständige Teleportieren, sofern ich es denn zulasse, wird zu einer Allzweckwaffe, zu einer ständigen Ausrede.
Ich plane es deshalb stark zu limitieren. Es entwickelt sich ansonsten zur Nerverei, wenn ich wieder mal eine "offene" Runde Cartoon Action Hour, OVA oder Hearts & Souls spiele.