Ich wart ja immer noch auf das Puzzlestück, dass die Brücke vom Fantasy-Rollenspiel zum Mythos schlägt.
Zumindest ich verbuche unter "Mythos" letztlich eine "große" Geschichte, mit übergreifender Dramaturgie, die auch etwas über die Natur der Welt und der Menschen mitteilt. Nach dieser Definition kann man dann auch Werke, die eigentlich nur gutes Garn sein wollen (wie Star Wars oder Herr der Ringe) als Mythos bezeichnen.
Wenn man das jetzt mit Fantasy-Rollenspiel vergleicht (gerade der klassischen Swords & Sorcery-Abteilung), dann leidet da imho wer an Selbstüberschätzung.
Übergeordnete Dramaturgie wird als Gängelung empfunden. Innere Entwicklungen sind in dem Zeitrahmen von den meisten Hobbyschauspielern improvisiert kaum rüberzubringen, erst recht nicht wenn dabei das Spotlight fair verteilt sein soll. Moralische Fragen werden nur oberflächlich behandelt um die Gruppe nicht zu spalten. Nein, der typische Rollenspiel-Held reift nicht, er wird nur mächtiger.
Die Vorlage des "klassischen" Tischrollenspiels ist nicht der Mythos, sondern der Pulp-Roman, die Soap, die Endlos-Serie. Kämpfe sind keine Zäsuren der in der Charakterentwicklung, sondern einfach das trivialstes Stilmittel um Spannung und Action bieten. Die Abenteuer sind mundfertige Erlebnisschnipsel, meist mit minimalen Auswirkungen auf Charaktere und ihre Welt. Was bei Star Trek die 45-Minuten-Episode ist hier ein Abenteuer. Und als besonders Zuckerstückchen gibt es hin und wieder mal ne Doppelfolge. Hinterher zieht man dann mit den vergleichsweise flachen Charakteren weiter zu einer anderen Ecke des Abenteuerlands, mit neuer Ausrüstung aber ansonsten durch das Abenteuer nicht verändert.
Anders als beim Mythos, aber eben wie in vielen Soaps, dreht sich das Fantasy-Rollenspiel meist darum, was die Charaktere
tun, nicht was sie
sind. Und daran ändern auch dystere Hintergrundgeschichten und seltsame Hautfarben nix.
Egal ob Herr der Ringe, Troja oder Nibelungenlied, der Mythos lebt von den Konflikten, die sich daraus ergeben, was die Charaktere
sind. Was wäre Herr der Ringe ohne die korrumpierende Macht des Bösen, den Seitenwechsel Sarumans, die Schwäche Boromirs, die Resignation des Statthalters von Gondor, den Kampf Gollums mit sich selbst, die bedingungslose Loyalität Sams zu Frodo, und Frodos und Bilbos bleibende Spuren als Ringträger? Es wäre eine Standard Action-Story, bei der sich ein langweilig-gutes SWAT-Team hinter die feindlichen Linien kämpft.
Willkommen beim A-Team. Action, Humor, gute Laune und quirkig-gleichbleibende Charaktere, die auf originelle Weise die immer gleichen Probleme lösen.
Willkommen beim klassischen Fantasy-Rollenspiel.