Eins vorab: Ich persönlich betrachte mich - als Spielleiter - weder als einen Missionar für eine Sekte noch als Mitarbeiter eines Strukturvertriebs. Wenn ein SL nicht mit Anfängern spielen möchte, so ist das sein gutes Recht; es handelt sich schließlich um seine Freizeit, und was er damit anstellt, ist allein seine Sache. Er hat keinerlei Verpflichtungen irgendeiner "Szene" gegenüber noch gegenüber dem Rollenspielhobby an sich. Und er schuldet auch niemandem, der das gleiche Hobby betreibt, irgendwelche Solidarität. Das wäre ja genauso, als müßte ich krampfhaft die ganze Welt zum Tischtennisspielen überreden, nur weil ich eine Platte im Keller stehen habe. Und ich möchte mich auch nicht mit irgendwelchen Vollnerds über einen kamm scheren lassen. Ich bin ein völlig normaler Mensch und habe ein Hobby, wie die meisten andern Menschen auch ein Hobby haben, nur dass ich nicht Tennis oder Skat spiele, sondern in meiner Freizeit mit drei bis fünf Freunden spannende Geschichten ausdenke und spielerisch weitergestalte.
Wenn jemand allerdings der Meinung ist, es gebe zu wenig Rollenspieler und sich persönlich dazu berufen fühlt, diesen Zustand zu ändern, so hat er vielerlei Möglichkeiten, aktiv zu werden. Das fängt im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis an. Einfach mal gelegentlich Themen zum Hintergrund des eigenen Lieblingsrollenspiels in Gespräche einstreuen und schauen, wer positiv darauf reagiert. Der Herr der Ringe (Film) hat beispielsweise das Thema "Fantasy" einer breiteren Öffentlichkeit näher gebracht und ist ein guter Aufhänger, wenn man Mitspieler für eine neue Fantasy-Runde sucht. Auch in den lokalen Jugendclubs kann man Mitspieler finden, im Zweifelsfall einfach am Schwarzen Brett inserieren. Auch Pfadfinderguppen und Ähnliches sind dankbare Opfer.
Was die Verlage tun können, um ihre Produkte zu verkaufen, ist ganz einfach: Marketing (werben). Die eigene, teils schmerzhafte, Erfahrung hat gelehrt, dass es nicht ausreicht, sich einmal im Jahr auf die SPIEL zu stellen und vier Tage lang auf Leute einzureden, die ohnehin nur in die Müffelhalle kommen, weil sie nach Rollenspielen suchen. Man muss da werben, wo die bislang unerschlossene Zielgruppe hingeht. Da bietet sich das Internet an. In allen großen Kommunikationsplattformen gibt es die Möglichkeit, Newsgroups und Diskussionsrunden einzurichten. Man kann Bannerwerbung und Popups platzieren. Aber wenn man den ganz großen Erfolg haben will, muss man in den sauren Apfel beißen und richtig viel Geld investieren. Spätestens da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn welcher Rollenspielverlag hat schon richtig viel Geld? Da bleibt nur die Kooperation mit großen Buchläden etc. Und die zu interessieren, dürfte sich schwierig gestalten. Wir hatten selbst in den 90ern mal begonnen, einen wirklich großen Kontakt anzuleiern. Da kamen dann aber irgendwann Aussagen wie: "Prima, macht eine 10.000er-Auflage und wir wollen volles Remissionsrecht." An diesem Punkt haben wir dann beschlossen, es beim Kleinkrautern zu belassen, weil uns das Risiko einfach zu groß war.
Aber: Ich frage mich, warum Du überhaupt in solche Weltuntergangsstimmung verfällst. Ich betreibe die Rollenspielerei seit den frühen 80ern, und Diskussionen wie die von Dir gestartete hatten wir alle paar Jahre mal, wenn irgendein Kollege über rückläufige Umsatzszahlen stöhnte. Sicher, in den Anfangsjahren konnte man jeden Müll verkaufen, aber richtig reich geworden ist meines Wissens nach in der P&P-Branche niemand. Selbst die ganz großen leb(t)en in (verglichen mit anderen Branchen) eher bescheidenen Verhältnissen. Die Auflagenzahlen selbst großer Rollenspielsysteme sind und waren immer lächerlich klein. Trotzdem gibt es Rollenspiele immer noch, und die Auswahl ist nicht unbedingt kleiner geworden, im Gegenteil. Und allein die Tatsache, dass es solche Foren wie Tanelorn und Blutschwerter gibt und die Vielzahl der Blogs zeigt doch, dass es so etwas wie eine "Szene" gibt. Als Magic auf den Markt kam, schrien alle "Buhei, das ist das Ende". Und was war? Das Angebot sieht heute besser aus als je zuvor. Abgesehen davon, dass sich der durchschnittliche Einkaufsbummel eher vom kleinen Stinkeladen an der Ecke aufs Internet verlagert hat.