Ich halte Mittelerde eigendlich für sehr gut geeignet, eine RPG Runde darin zu spielen. Man braucht nur ein wenig Flexibilität. Schließlich hat ME viele viele graue Flecken, über die Tolkien nur 2 Sätze verliert, wirklich beschrieben ist ja nur das, was entlang des Weges der Gemeinschaft aus dem "Herrn der Ringe" oder auch entlang Bilbos Expedition im Hobbit geschieht.
Weiß denn einer, was sich alles in Eriador befindet, wo kein Held gewesen ist ? Es ist nur bekannt, dass es dünn besiedelt sei, und früher dort die Königreiche existierten. Viel Platz, selbst dort tätig zu werden. Es könnten doch im Süden Eriadors noch immer Nachfahren Cardolans leben, über die Lebensbedingungen der Dunländer ist wenig bekannt. Rohan hat bestimmt auch mehr Burgen, als im Herr der Ringe erwähnt werden. Und das alte Angmar bietet zu Beginn des 4en Zeitalters sicher genügend Plothooks. Ebenso gibt es die angedeutete Rückeroberung der alten Zwergenfesten im Nebelgebirge unter König Elessar.
Man muss sich halt nur von der Vorstellung verabschieden, selbst den Ring ins Feuer zu werfen, oder dergleichen. Ausserhalb des Wegs der Gemeinschaft gibt es aber genug Freiraum um selbst während des Ringkriegs aktiv zu spielen. Auch die bereits erwähnte Epoche des zerfallenen Arnor, welches gegen Angmar kämpft, bietet viele viele Möglichkeiten für lange Kampagnen mit offenem Ende.
Beispiel aus meiner Runde, neueres HDR-Regelwerk von Decipher / Pegasus (war nicht sonderlich erfolgreich, und ist auch in manchen Punkten Grütze, dennoch einfach genug um mit Anfängern zu spielen), 5 RPG-Neulinge die "mal gucken" wollten wie RPG ist. Vorgefertigte Abenteuer, Mittelerde darum, weil jeder sich die Welt vorstellen konnte ohne dass man erstmal lange erklären musste wie die Welt ausschaut, ein Ausflug von Rohan aus ins Dunland. Lief bestens, und die Spieler wollten eine Zugabe. Daher weiter Plot gestrickt, eine Intrige in die die Helden gerieten beim Verlobungsfest des jungen Thronerben Rohans (der ja nur am Rande erwähnt wird im HDR, da er an den Furten des Isen beim Kampf gegen Isengart fällt), wo Erkenbrand als HauptNSC den Dienern des Feindes ein Dorn im Auge ist und durch eine Verschörung des Mordes schuldig gefunden werden soll. Die Helden decken dies auf, und stellen die Verschwörer. Wieder sehr spannende Szenen, in denen eigendlich jeder der Spieler mit den Charakteren die sie hatten (stammten alle aus einfacherer Herkunft, keine von Adel) viel Spaß und gut zu tun hatte. Wenn es weitere Zugaben gibt, will ich die Helden durch das Dunland in den Süden Eriadors führen, das ich mit einem dünn besiedelten Feudalsystem füllen will: ein paar Weiler, und einige lokale Ritter / Fürsten die einzeln wenig Einfluss haben auf die Geschicke Mittelerdes und sich um den Anspruch auf das Erbe Cardolans streiten.
Ich denke, dass es einige Schwierigkeiten gibt, als SL die Welt von Mittelerde richtig rüberzubringen, da die Welt durch Tolkien in ein recht deutlich zu unterscheidendes Schwarz und Weiß geteilt ist (Hier gefällt mir übrigends die Idee Deciphers mit Verderbnispunkten: Sobald die Anzahl gesammelter Verderbnispunkte, die durch böse Taten oder Verlockungen des Feindes angesammelt werden können, ein Attributswert erreicht, wird der Char zum NSC und wechselt ins Lager des SL über, einer meiner Spieler spielt eine Hobbitdiebin und absolviert da einen spannenden Balanceakt). Böses ist oft zu erkennen, und Gutes ist oft edel im Gebaren oder Handeln. Ich gehe hier auch dazu über, Helden mit Ansehen, Geschenken durch hohe Personen (wie die Geschenke Galadriels beispielsweise) zu belohnen da simple Questmotivation á la "der Auftraggeber heuert die Helden für 40 GS an den Dungeon aufzusuchen" bei Mittelerdeabenteuern halt eher unpassend sind. Geld ist ja bei Tolkien für Helden nie ein Thema gewesen. Die Spielweise und das Flair ist halt verschieden von manch anderen RPG-Systemen, aber das kann gerade einen Reiz ausmachen.
Gruss Marc