Kann ich mir die Frage erlauben, warum einige Leute hier offenbar ein Problem damit haben, wenn Spiele zweckentfremdet oder stilfremd werden? Mindert das das eigene Rollenspielerlebnis? Sterben dadurch irgendwo kleine Kinder? Oder infiziert dieses Verhalten die eigene Gruppe, bis es einem selbst keinen Spaß mehr macht?
Die Frage finde ich gut.
Also, ich möchte nicht für die anderen sprechen, aber ich kann versuchen, mal meine Gründe dafür darzulegen, warum man meiner Meinung nach ein Rollenspiel nicht zweckentfremdet oder stilfremd spielen sollte.
Wenn ich hier (in dieser mail) von einem "Rollenspiel" rede, meine ich damit ein Rollenspielsystem, oder noch spezieller das publizierte Regelwerk (und ggf. das publizierte setting & publizierte Abenteuer). Insofern vertrete ich die Meinung, dass eine Gruppe ein Rollenspiel vom Stil und der Regelanwendung her so spielen soll, wie es von den Autoren des Regelwerks vorgesehen wurde. Das bedeutet zum einen, so banal es klingt, man soll sich erstmal an RAW halten und RAI im Hinterkopf behalten. Zweitens soll man versuchen, nach dem Stil zu spielen, der vom Regelwerk angeregt wird, besonders dann, wenn das Regelwerk diesen Stil noch gut unterstützt. Für ein Pulp-System sollen also Pulpabenteuer (mit Pulp-Charakteren) gespielt werden, in einem "Who Dunit?"-Detektivsystem mysteriöse Mordfälle gekärt werden und in einem low-fantasy-System eine pseudmittelalterliche Welt bespielt werden.
Natürlich gibt es immer einen gewissen Rahmen, in dem man das System dehnen kann. Aber die Grundzüge der Abenteuer sollten schon dem Geist des Systems entsprechen. Denn dafür wurde das System gebaut, und wenn ich langfristig etwas anderes spielen will, sollte ich doch ein dafür passenderes System wählen, denn ein gutes System unterstützt genau die Art von Abenteuern, für die es geschrieben wurde.
Hinzu kommt: Das System erzeugt bei mir als Spieler eine gewisse Erwartungshaltung (bei anderen Spielern auch, nehme ich an). Wenn ich Warhammer höre, dann will ich die dreckige Alte Welt mit ihren Fachwerkhäusern und Hexenjägern, wo Zauberei ein halber Pakt mit dem Teufel ist, wenn ich D&D spiele, dann will ich Heroische Fantasy mit dunklen Verliesen, wo Drachen auf ihrem Hort warten, wenn ich Earthdawn höre, dann will ich Luftschiffe entern. Diese Erwartungshaltung enttäuscht man, wenn man "am Thema des Systems vorbei" spielt.
Der dritte Punkt ist ganz einfach: wenn ich das System wechsle, will ich auch ein anderes Spielerlebnis haben (es sei denn, ich wechsele nur gezielt innerhalb eines Stils, weil ich z.B. glaube, dass Warhammer ein finsteres Mittelalter besser simuliert als das bisher verwendete System). Es geht darum, zu verhindern, dass man mit jedem System die gleiche Art von Abenteuer spielt.
Heutzutage gibt es für fast alles ein geeignetes System (sogar Ponyhof!), also warum soll man ein System für stilfremde Abenteuer verbiegen?