Nach längerer Planung und diversen Terminverschiebungen haben wir am letzten Dienstag doch Little Fears gespielt. Das veranlasst mich dann auch zu diesem Diary, denn es war eine erinnerungswürdige Runde.
Wir hatten uns bereits eine Woche zuvor getroffen, um die Charaktere zu erstellen. Einige Ideen wurden gewälzt, und schließlich einigten wir uns darauf, eine Gruppe achtjähriger Schüler im Jahr 1988 zu spielen. Nebenbei steckten wir den Rahmen des Abenteuers ab, da Little Fears ja einige doch recht krasse Themen anschneidet. Glücklicherweise waren wir uns da auch sofort einig.
Die Gruppe bestand letztlich aus:
Luni, geschlagen mit dem Namen Luna Bluna. Tochter einer alleinerziehenden Mutter, die man ohne Zögern als Hippie oder New Age-Tante bezeichnen kann. Luni ist eher ein Öko-Kind in Batik-Röcken, liest viel und ist gut in der Schule.
Rieke, die Prinzessin in der Runde. Einziges Kind wohlhabender Eltern, die ihr so gut wie nie einen Wunsch abschlagen. Wenn doch, schmollt sie halt, bis sie ihren Willen doch bekommt. Sie und Luni sind beste Freundinnen.
Tom, das einzige wirkliche „Problemkind“ der Runde. Die Mutter ist alleinerziehend, Alkoholikerin und verdient ihr Geld als Prostituierte. Deshalb kümmert sich sein Onkel manchmal um ihn. Tom ist groß und kräftig, was er gegen seine Mitschüler ausspielt.
Philipp, Kind zweier erfolgreicher Ärzte. Behütet und mit strengen Regeln und religiös erzogen. Streber, Leseratte und Lehrerliebling. Außerdem ein riesiger Angsthase. Das war mein Charakter
Spielleiterin war Anne, die hier im
von Zeit zu Zeit als Annchen unterwegs ist. Und sie hat eine hervorragende Runde geleitet! Aber dazu später mehr...
KlassenfahrtDas Abenteuer begann mit kurzen Einführungen, wie es bei den SCs zu Hause aussieht. Die Szenen waren kurz, prägnant und haben ein tolles Gefühl für das Umfeld der Kinder vermittelt. Lunis Mutter war besorgt, das die Mondzeit für eine Klassenfahrt falsch wäre. Rieke schmollte, weil ihr Geschenk im Koffer lag und sie es nicht ansehen durfte. Toms Mutter hatte die Fahrt vergessen, weswegen sein Onkel ihn abholte und mit dem notdürftigsten zur Schule brachte. Philipps Eltern mussten dringend zur Arbeit, weswegen er viel zu früh am Bus ankam und seine Bücher hervor kramte.
Auf der Busfahrt selbst saß die Gruppe dann zusammen. Immerhin waren alle auf ihre Art Außenseiter, weswegen die vier ursprünglich auch Freunde geworden sind. Hier konnten wir dann ein bisschen die Dynamik in der Gruppe ausleuchten. Schön waren hier auch die ersten Details von SL-Seite: Kleine Spielsachen, ein Buch mit Abenteuergeschichten für Kinder extra für Philipp. Schön war auch, dass wir die begleitenden Erwachsenen gleich näher gebracht bekamen: Frau Rövekamp, die Klassenlehrerin, Herrn Schneller, den Mathelehrer, und Herrn Becker, den Vater eines Klassenkameraden. Es gab sogar eine Klassenliste, die von der Lehrerin abgefragt wurde. I-Tüpfelchen war die Hintergrundmusik, nämlich die Charts von 1986 (sich jetzt über die zwei Jährchen zu beschweren wäre Weinen auf so hohem Niveau, das ich es mir mal spare
).
Die Klassenfahrt führte die Klasse von Hannover aus in den Harz, nach Wildemann. Im strömenden Regen kam der Bus an einem abgelegenen Schullandheim mitten im Wald an. Nachdem die Kinder gegessen hatten, wurden die Zimmer bezogen. Danach ging es direkt auf Erkundungstour in den Ort, wo das Heimatmuseum besucht wurde. Zur Anschauung gab es Fotos vom Ort und vom Heimatmuseum.
Das Museum selbst war eine typisches harzer Heimatstube: Bergbaugeräte, Bilder, Werkzeuge... Nichts, was die frierenden Kinder wirklich gefesselt hätte. Außer Philipp, den alten Streber. Ein älterer Herr führte die Klasse herum. Die Mädchen hatten Angst vor ihm und fanden ihn eher eklig, während er die Legende vom Wilden Mann erzählte. Dieser sei vor langer Zeit in den Wäldern umgegangen, bis die Menschen ihn gefangen hätten. Er sprach nie, starb schließlich an seinen Verletzungen. An seiner Todesstätte habe man eine Silberader gefunden, an der die Stadt Wildemann gegründet worden sei. Schließlich war allen so langweilig, das die ersten anfingen zu quengeln und sich über die Kälte zu beschweren, so das Frau Rövekamp schließlich das Ende des Museumsbesuchs ausrief.
Nach dem Abendessen sollte eine Nachtwanderung statt finden. Luni weigerte sich erst und wollte sich mit Rieke in ihrem Zimmer verstecken. Natürlich hatte nicht sie keine Lust, sondern ihr Lieblingsstofftier Puh. Aber Herr Schneller holte die Mädchen letztlich verärgert aus dem Zimmer. Währenddessen erzählte Herr Becker dem verängstigten Philipp, das im Wald Verbrecher immer wieder Leute entführen würden.
Endlich ging es los. Aber schon nach kurzer Zeit fiel Herr Becker fluchend in einen Bach, Frau Rövekamp tapste direkt hinterher, was zu erstem Geschrei unter den Kindern führte. Herr Becker machte sich auf den Weg zurück zum Haus. Weil Luni eine Taschenlampe dabei hatte, sollten die SCs jetzt vorgehen, was Philipp gar nicht gefiel. Tom trieb unterdessen Streiche mit seinen Mitschülern. Er und Rieke wollten sogar quer durch den Wald laufen, um die anderen zu erschrecken. Philipp weigerte sich, Tom wollte ihn wegtragen, Philipp begann zu schreien und zu weinen... Schließlich wurde die Gruppe von Frau Rövekamp begleitet, denn Philipp mochte ihre Hand nicht mehr loslassen. Es ging sogar so weit, das die Lehrerin erklären musste, alles wäre nur vorbereitet. Das half allerdings auch nicht... Die SCs mussten die Klassenkameraden vorlassen und durften erst als letztes durch die vorbereiteten Stationen.
Die Wanderung selbst war SL-seitig wieder super vorbereitet. Zu beginn erhielt jeder eine kleine Box Smarties als „Wegzehrung“. Die Tricks der Erwachsenen, um den Kindern voraus zu bleiben und alles vorzubereiten, waren klasse. Annchen hatte sogar einen Becher Leim hinter ihrem SL-Schirm, für die ekligen Momente... Nach eigenem Bekunden hatte sie vorher in Lehrerforen recherchiert, wie eine Nachtwanderung geplant und durchgeführt werden kann.
Schließlich war die letzte Station erreicht. Die Erwachsenen wollten noch aufräumen, also sollten die vier Freunde allein zurück zum Haus, dessen Lichter man schon sehen konnte. Kurz vor dem Haus stand ein Holzkreuz mit einem Laubhaufen davor, das vorher nicht da gewesen war. Als die Kinder daran vorbei gingen, spürten sie kurz etwas merkwürdiges... Dann tauchte hinter ihnen ein riesiges Baumwesen auf, das sie angriff.
Alle liefen davon, aber das Haus kam nicht näher, Bäume und Boden schienen an ihnen vorbei zu ziehen, ohne das sie auch nur einen Meter Vorsprung gewannen. Tom holte sein Taschenmesser hervor und stellte sich dem Wesen. Luni versteckte sich hinter Puh und bat ihn, ihr zu helfen. Schließlich begann Puh zu wachsen und griff das Wesen an, wurde aber von den scharfen Astklauen verletzt. Inzwischen war Philipp völlig erschöpft zusammen gebrochen und begann atemlos zu beten. Darauf hin baute sich eine Barriere zwischen den Kindern und dem Wesen auf und sie gelangten endlich ins Haus, wobei Tom Philipp tragen musste.
Das Haus war leer und dunkel. Keine Klassenkameraden, kein Gepäck, gar nichts. Im Büro versuchte Rieke, ihre Eltern anzurufen. Die Eltern konnten sie aber nicht hören. Ebenso ging es, als die Polizei angerufen wurde. Dann bemerkten die Kinder unter der Decke geflügelt Wesen (wer Ronja Räubertochter kennt, denke hier Donnerdruden), die kreischten „Blut wird fließen!“.
An der Stelle unterbrachen wir das Spiel aufgrund der späten Stunde. Aber ich freue mich schon auf die Fortsetzung!
Erstes Fazit:Ein tolles Abenteuer, mit Liebe zum Detail vorbereitet. Die Gruppe macht Spaß. Was ich persönlich sehr schön fand, war das dichte Spiel, das mich letztlich etwas mitgerissen hat (ich bin da sonst eher zurückhaltend). Leider haben wir uns die Stimmung teils selbst etwas kaputt gemacht. Die Busfahrt und das Museum waren noch eher albern, und diese Stimmung übertrug sich etwas auf die Nachtwanderung. Und wenn man sich nicht konzentriert und mitspielt, wird das mit dem Gruseln ja bekanntlich nichts. Aber das hatten wir spätestens ab dem Baumwesen dann im griff. Und diese Hilflosigkeit als Achtjähriger macht Little Fears schon besonders.
SL-seitig war es richtig gut. Die kleinen Gimmicks, die Fotos, da steckte viel Vorbereitung drin. Da wäre ich nicht mal drauf gekommen. Natürlich hat Annchen sich die Latte da selbst hoch vorgelegt. Aber richtig toll fand ich, wie sie beim leiten aus sich heraus gegangen ist: Ein Schlag auf den Tisch, um aufschlagende Türen anzuzeigen. Da wurde gekreischt, geschrien, geröchelt. Alles Sachen, die ich so nicht kann und selten von SLs erlebt habe. Regelunsicherheiten, über die wir nach dem Spiel sprachen, sind währenddessen überhaupt nicht aufgefallen. Eine sehr souveräne Leistung.
Insgesamt kommt dieser Abend also in meine Rollenspiel-Hall of Fame, denn beinahe alles hat gestimmt. Nach einem eher durchwachsenen Rollenspiel-Wochenende genau das, was ich brauchte. Teil zwei lässt hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten.