In diesem Zusammenhang beinhaltet „Leistungsrollenspiel“ wohl insbesondere einen bestimmten Anspruch an die Mitspieler. Dieser Anspruch bezieht sich einerseits auf den Erwarteten Einsatz: Vorbereitung, Pünktlichkeit, Engagement während der eigentlichen Spielsitzung. Andererseits bezieht er sich aber auch auf die Qualität der einzelnen Beiträge zum Spiel. Die Trennlinie dazwischen ist unscharf. Qualität hängt ja teilweise auch vom Einsatz ab, aber eben auch von anderen Faktoren, nämlich den individuellen Begabungen und Fähigkeiten sowie situativen Faktoren.
Was nun genau mit Qualität gemeint ist, hängt von den Vorlieben und Maßstäben desjenigen ab, der den Anspruch formuliert. Man kann da mit sehr, sehr konkreten Vorstellungen herangehen, was, wenn man darin konsequent ist, den Vorzug hat, dass jeder weiß, was von ihm erwartet ist. Letztendlich ist das eine Frage der Dominanz einer Person, und in der Regel ist diese dominante Person der Spielleiter, der zugleich auch kreativ und sozial das Alphatier der Gruppe ist.
In jedem Fall wohnt dem „Leistungs“-Ansatz eine gewisse Arroganz inne, die mir jedenfalls zu eigen ist und mir auch schon öfter vorgeworfen wurde. Das ist die Arroganz, für sich in Anspruch zu nehmen, besonders gut in bestimmten Aspekten des Rollenspiels zu sein, in meinem Fall wäre das etwa Beschreibung und Darstellung, dramatisches Gespür und Übersicht über Entwicklungen und deren Wechselwirkung in der Spielwelt (oder so). Dass nicht jeder meine Art zu spielen und zu leiten toll findet, bleibt dabei natürlich unbenommen.
Die zweite Frage ist dann, was mache ich, insbesondere als Spielleiter, wenn ich mit der „Leistung“ meiner Spieler (Einsatz und/oder Qualität) nicht zufrieden bin? Zunächst mal natürlich mit gutem Beispiel vorangehen. Aber wenn die anderen nicht mitziehen können oder wollen?
Dann kann man eben versuchen, sie zu mehr Einsatz zu bewegen (wobei Jörg dabei nicht wirklich ein fieser Drill Instructor ist, sondern freundlich bleibt, aber er pusht die Leute halt schon und zeigt ihnen auch deutlich, wenn ihm die Leistung zu schwach ist). Dadurch kann man tatsächlich mehr aus den Leuten heraus holen, die Frage, die dann jeder Spieler für sich beantworten muss, ist eben, ob er sich in seinem Hobby einem solchen Leistungsdruck aussetzen möchte. An dieser Stelle schließt sich auch der Kreis zur obigen Frage, wie konkret die Anforderungen formuliert werden: je konkreter, desto größer wird die Gefahr, dass der Spieler sich drangsaliert vorkommt und ihm die Lust vergeht.
Ich persönlich habe irgendwann mal für mich die Entscheidung getroffen, diese Motivator-Rolle nicht (mehr) zu übernehmen, weil ich dazu keine Lust habe. Wenn ich daher Leistungsrollenspiel betreiben will, brauche ich Mitspieler mit ausreichender Eigenmotivation, die von alleine die Qualität liefern, die ich mir wünsche. Solche Mitspieler finde ich auf dem Tanelorn-Treffen, zu Hause finde ich sie momentan nicht. Ergo mache ich auf dem Tanelorn-Treffen Leistungsrollenspiel (aber auch nur eine Runde am Tag, mehr geht nicht). Und zu Hause spiele ich immer seltener, und wenn ich spiele, dann bewusst „casual“.
Was so toll am Leistungsrollenspiel ist? Nun ja, was ist so toll daran, einen Mannschaftssport auf Wettkampfniveau zu betreiben? Was ist so toll daran, mit einer Band vor größerem Publikum aufzutreten? An die eigenen Grenzen zu gehen, auf höchstem Level zu performen, macht Spaß. Vor allem, wenn man es gemeinsam mit anderen tut, mit denen man auf einer Wellenlänge ist. „To be in the zone“, sagen Leistungssportler dazu. Wenn es richtig gut läuft, kann man davon regelrecht euphorisiert werden, bis zu einem Punkt, wo man alles andere ausblendet und jedes Zeitgefühl verliert. Ich glaube, dieser Effekt steckt in Wirklichkeit auch hinter der Legende von der „Immersion“. Erzwingen kann man das allerdings nicht, nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen.