Thema: Frage: Wirtschaftsimulation als Rollenspiel?

[DasTaschentuch]

Nabend.
Mal eine Frage an das Publikum: Gibt es ein Pen n Paper Rollenspiel was auf einer Wirtschaftsimulation basiert? Wo also die Spiler nicht irgendeine Form von helden sind und irgendeine Form von "Monster" töten sondern eine oder mehrer Firmen verwalten bzw simulieren?

Die Tycoon Spilele auf dem PC sind sicher den meisten hier ein Begriff,irgendwie sowas als fertiges Rollenspiel? Darf auch gerne etwas extisch sein. Von mir auch das hier öfters ironisch zitierte Ponyhofrollenspiel.
Muß aber wirklich ernsthaft spielbar sein und nicht nur ein gag.

[Maarzan]

Jetztzeitlich ist mir nichts bekannt.
Bei SF gibt es bei Traveller ein Buch zu Händlern.
In Fantasy gibt es in diversen Systemen Anleitungen für "Reichs"-Verwaltungen, Ars Magica ein ziviles Sourcebook "City & Guild".

[6]

Ich finde das ne coole Frage. Allerdings wird das Thema in Rollenspielen bisher nur ziemlich regelarm gelöst.
Das alte D&D hatte im Ausbauset ein Wirtschaftssystem für Reiche, in AD&D Birthright wurde das noch intensiviert. Traveller hat ein Wirtschaftssystem für fliegende Händler. Reign(?) hat die Company-Regeln. Dann gibt es noch die Lodge-Regeln von Rippers.

Diese Systeme haben aber leider alle gemein, dass sie relativ grob arbeiten. Ein passendes Wirtschaftssystem für Rollenspiele ist mir noch nicht über den Weg gelaufen.

[Blechpirat]

Will heißen: Was passiert denn in der Wirtschaft wofür sich ein Rollenspiel besonders eignen würde?

Vertragsverhandlungen.
Politische Manöver in der Hierarchie
Boardroom Wars
Feindliche Übernahmen (mit Aktien), Weiße Ritter

[Falcon]

Ich kenne Rollenspiele, in denen die Spieler auch eine Firma führen. Die Firmen bekämpfen aber auch Monster, von daher wirds für dich uninteressant sein

[Joe Dizzy]

Vertragsverhandlungen.
Politische Manöver in der Hierarchie
Boardroom Wars
Feindliche Übernahmen (mit Aktien), Weiße Ritter

Warum sollte sich das für ein Rollenspiel eignen? Für mich wirkt das eher wie Poker mit Streichhölzern spielen. Man macht das was die "Profis" auch tun, nur der Einsatz ist so winzig, dass das Spiel dadurch an Reiz verliert.

[Grimnir]

Würde m.E. nur dann klappen, wenn die Spieler ein äußerst(!) ausgeprägtes Interesse an Wirtschaft haben und sich auch gut genug auskennen, um so etwas spielen zu können. Das ist mir bis jetzt noch nicht begegnet. Im Endeffekt spielt es sich wohl ähnlich wie die genannten Birthright, Reign, A Song of Ice and Fire. Mit dem von Georgios genannten Unterschied: Die Zukunft von Königreichen ist wohl interessanter als 3% mehr Dividende und Förderrechte in Zentralasien. Wenn es klappen sollte, müsste man es mit spannenden Einsprengseln versehen wie damals in "Oil Imperium" für den PC: Pipeline-Sabotage, brennende Ölfelder löschen, Industriespionage, Insidergeschäfte etc. Aber dann ist es keine reine Wirtschaftssimulation mehr.

Es grüßt
Grimnir

[Beral]

Jörg hat vor kurzem Regeln für Wirtschaftssimulation gesucht. Vielleicht ist er ja weiter gekommen und hat mittlerweile etwas entwickelt?

[DasTaschentuch]

Kleine Anmerkung: Ich hab vor Jahren mal bei einem Rollenspiel mitgemacht,wo es einen sehr großen WiSim Anteil gab. Ich fands grossartig. Allerdings war das ein Homebrew System und die Regeln waren im Kopf des Meisters und nicht aufgeschreiben. Deswegen halt meine Hoffnung daß mal jemand sowas aufs Papier gebracht hat.
Birthright hab ich leider nie gespielt obwohl ich die Prämisse großartig finde,hab die alten Birthrightmodule aber noch nirgendwo finden können (ebay und co benutz ich nicht).

[Don Juan]

in welcher art ist sowas denn bei reign und song of fire and ice umgesetzt?

ich ueberlege naemlich etwas in der art aufzuziehen, zwar mehr mit rollenspielelementen aber doch auf dem hintergrund, sodass die spieler auch auf dieser ebene agieren koennen.

[ragnar]

Bei TORG war das (Fantasy-Cyberpunk) Japan von DEM Großen Bösen Konzern beherrscht und eine der herangehensweisen diesen zu bekämpfen war, seinen eigenen Konzern zu gründen, mächtig werden zu lassen und die feindliche Übernahme zu starten. Ich habe aus vertrauenswürdigen Quellen gehört das es dafür auch Regeln gab, habe das betreffende Quellenbuch aber nie zu Gesicht bekommen, so das ich schlecht einschätzen kann wie geeignet es für Wirtschafts-Simulationen ist.

[Arbo]

Mal prinzipiell ließe sich das eigentlich mit jedem Rollenspiel machen. SR und Cyberpunk haben bereits Elemente, mit denen sich sowas zum Teil umsetzen ließe. Eigentlich fast jedes Rollenspiel, das "irgendwie" Händler beinhaltet.

Problematischer wird's mit regeltechnischer Umsetzung. Mir selbst würde es Bauchschmerzen bereiten, "Wirtschaft" in "Regeln" packen zu wollen. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll geht.

Arbo

[Don Juan]

Mal prinzipiell ließe sich das eigentlich mit jedem Rollenspiel machen. SR und Cyberpunk haben bereits Elemente, mit denen sich sowas zum Teil umsetzen ließe. Eigentlich fast jedes Rollenspiel, das "irgendwie" Händler beinhaltet.

Problematischer wird's mit regeltechnischer Umsetzung. Mir selbst würde es Bauchschmerzen bereiten, "Wirtschaft" in "Regeln" packen zu wollen. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll geht.

Arbo

volkswirte versuchen es seit jahrhunderten, aber immer wenn sie gerade glauben sie haettens geschafft macht ihnen die wirtschaft einen strich durch die rechnung 

(..sagte der angehende vwl student..)

[Arbo]

@ Teppich:

Jaja, die VWLer|innen ... ein ganz niederträchtiges Geschmeiß. Wirtschaftsexpert|inn|en ... näheres in meiner Signatur.

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Ha, ein gutes Zeichen, dass Du als VWLer noch Humor hast und über dich lachen kannst. Meine Kolleg|inn|en sind in der Hinsicht leider nicht ganz so "lustig". Apropos: Geht ein VWLer über eine Brücke. Die Brücke biegt sich. Warum?

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Der/die Klügere gibt nach.

Max. -> Arbo!

[Arbo]

Jup, das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass es nicht DIE eine Wahrheit darüber existiert, wie Wirtschaft funktioniert (was Wirtschaft überhaupt ist).

[DasTaschentuch]

Ja, dann erzähl doch mal, was ihr da genau gemacht habt und wie das mit Rollenspielaktionen verknüpft war.

SF Setting, die Spieler waren die leitenden personen einer isolierten Menschenkolonie. Ein Teil des Spiels war konventionell,wir hatten raumschiffe mit denen wir gegen Aliens gekämpft haben. Die Schiffe hatten Thacos,HP, Schadenswürfel etc.
Allerdings bauen sich die Schiffe nicht von selbst,wir mussten Erze mit bergbaudroiden schürfen,die Rohstoffe verhütten, Fabriken bauen die reaktoren,Computer etc hergestellt haben. Darum noch Infrastruktur wie Straßen,Krankenhäuser damit die Kolonisten glücklich sind. Jede Runde (war eine Woche in Game) gabs Einkünfte in Form von Steuern und Rohstoffen. Daneben gabs Forschung und waren und Wissensaustausch mit Aliens. Im Prinzip Civilization als Pen n Paper. Realistisch waren unsere Wirtschaftskreisläufe sicher nicht,keiener von uns hatte viel Ahnung von VWL und co.

Charakterrollenspiel gabs z.B. bei Erstkontakt mit Aliens,wenn Wahl war und unsere PCs Wahlkampf betrieben haben. Oder wenn einer als Kampfpilot in einem Raumer saß.

[Don Juan]

SF Setting, die Spieler waren die leitenden personen einer isolierten Menschenkolonie. Ein Teil des Spiels war konventionell,wir hatten raumschiffe mit denen wir gegen Aliens gekämpft haben. Die Schiffe hatten Thacos,HP, Schadenswürfel etc.
Allerdings bauen sich die Schiffe nicht von selbst,wir mussten Erze mit bergbaudroiden schürfen,die Rohstoffe verhütten, Fabriken bauen die reaktoren,Computer etc hergestellt haben. Darum noch Infrastruktur wie Straßen,Krankenhäuser damit die Kolonisten glücklich sind. Jede Runde (war eine Woche in Game) gabs Einkünfte in Form von Steuern und Rohstoffen. Daneben gabs Forschung und waren und Wissensaustausch mit Aliens. Im Prinzip Civilization als Pen n Paper. Realistisch waren unsere Wirtschaftskreisläufe sicher nicht,keiener von uns hatte viel Ahnung von VWL und co.

Charakterrollenspiel gabs z.B. bei Erstkontakt mit Aliens,wenn Wahl war und unsere PCs Wahlkampf betrieben haben. Oder wenn einer als Kampfpilot in einem Raumer saß.

so im rahmen eines aufbaurollenspiels klingts echt spassig.

ich glaube wir sollten eher nach einer spielbaren plausibel erscheinenden loesung suchen, als nach einer die gaengige wirtschaftstheorien unterstuetzt.
ausserdem gaebe es fuer letztere wohl auch ein viel kleineres publikum.


nur mal so als grobe idee, koennte man so eine simulation nicht mit einem brettspiel verknuepfen?
bzw. welche brettspielmechanismen sind da gefordert?
generell ist bei wirtschaftsspielen ja versteigerung eine gaengige mechanik.

[ragnar]

Problematischer wird's mit regeltechnischer Umsetzung. Mir selbst würde es Bauchschmerzen bereiten, "Wirtschaft" in "Regeln" packen zu wollen. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll geht.

Das es nicht allabdeckend geht ist klar, aber warum die Aversion dagegen? Bekommt irgendjemand Bauchschmerzen weil das Kampfsystem von Runequest nicht die unvorhersagbaren Verläufe eines "echten Straßenkampfes" abbildet? Abstraktion ist im Rollenspiel doch sehr normal.

[Arbo]

Das es nicht allabdeckend geht ist klar, aber warum die Aversion dagegen? Bekommt irgendjemand Bauchschmerzen weil das Kampfsystem von Runequest nicht die unvorhersagbaren Verläufe eines "echten Straßenkampfes" abbildet? Abstraktion ist im Rollenspiel doch sehr normal.

Ist eher etwas "Fachliches" ...

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OT: Das Problem ist, dass es so etwas wie "mainstream economics" gibt und diese mit bestimmten Annahmen arbeiten, die wir mehr oder weniger mit gutem Recht in Zweifel ziehen können. Haben wir ja heute - an Hand der Krise - gesehen, wie falsch mensch liegen kann. Eine "Denkschule" zu fördern, die irgendwelche blödsinnigen Bilder vom Menschen prägt (Stichwort: Homo Oeconomicus). Etwas bestärken, gegen das - wissenschaftlich - "anzustinken" schon schwer ist, würde mir Bauchschmerzen bereiten. Was soll es denn dann auch geben ... ein keynesianisches oder neklassisches Rollenspiel? "Wealth of Nations", das Adam-Smith-RPG? Oder "Marx refurbished"?

Ich würde da wirklich lieber die sozialen Komponenten in wirtschaftlichen Situationen zum Thema eines Rollenspiels machen. Aber das ließe sich eigentlich mit fast jedem normalen, größeren Rollenspiel umsetzen.

Arbo

Arbo

[Humpty Dumpty]

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OT: Das Problem ist, dass es so etwas wie "mainstream economics" gibt und diese mit bestimmten Annahmen arbeiten, die wir mehr oder weniger mit gutem Recht in Zweifel ziehen können. Haben wir ja heute - an Hand der Krise - gesehen, wie falsch mensch liegen kann. Eine "Denkschule" zu fördern, die irgendwelche blödsinnigen Bilder vom Menschen prägt (Stichwort: Homo Oeconomicus).

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So ein Blödsinn. Wofür hat denn Kahnemann noch 2003 seinen Nobelpreis bekommen? Doch wohl dafür, dass er den Homo Oeconomicus 25 Jahre vorher endgültig ad acta gelegt hatte. Und dass ein paar Finanzjongleure Mist gebaut haben, bedeutet doch nicht, dass die "mainstream economics" falsch liegen. Und wer soll das überhaupt sein? Die Idioten aus Harvard und Stanford vermutlich. Schreib denen doch mal. Die erkennen üblicher Weise überlegene Denker und akzeptieren das erstaunlich neidlos. Nicht, dass ich dazu imstande sehen würde. Aber ich habe das beispielsweise bei Herrn Tushman gegenüber Dritten persönlich erlebt. Fand ich sehr bemerkenswert. Insofern rennst Du mit WIRKLICH cleveren Ideen bestimmt offene Türen ein. Aber irgendwie hege ich leise Zweifel. Das sei mir gestattet, oder?

[Arbo]

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So ein Blödsinn. Wofür hat denn Kahnemann noch 2003 seinen Nobelpreis bekommen? Doch wohl dafür, dass er den Homo Oeconomicus 25 Jahre vorher endgültig ad acta gelegt hatte. Und dass ein paar Finanzjongleure Mist gebaut haben, bedeutet doch nicht, dass die "mainstream economics" falsch liegen. Und wer soll das überhaupt sein? Die Idioten aus Harvard und Stanford vermutlich. Schreib denen doch mal. Die erkennen üblicher Weise überlegene Denker und akzeptieren das erstaunlich neidlos. Nicht, dass ich dazu imstande sehen würde. Aber ich habe das beispielsweise bei Herrn Tushman gegenüber Dritten persönlich erlebt. Fand ich sehr bemerkenswert. Insofern rennst Du mit WIRKLICH cleveren Ideen bestimmt offene Türen ein. Aber irgendwie hege ich leise Zweifel. Das sei mir gestattet, oder?

OT, daher im Spoiler.

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Sorry, das ist nicht vollständig Blödsinn. Ich gebe zu, dass sich verschiedene Denker jetzt der Kritik am mangelhaften Menschbild des homo oeconomicus (HO) nicht verschließen konnten. Doch schau Dir mal die gängigen Lehrbücher an. Die meisten Theorien, die wir haben, funktionieren noch damit. Ansonsten empfehle ich Dir

• die Artikelsammlung von Ötsch/Thomasberger (2009) "Der neoliberale Markt-Diskurs Ursprünge, Geschichte, Wirkungen",
  
  
• Dürmeier/Egan-Krieger/Peukert (2006) "Die Scheuklappen der Wirtschaftswissenschaft
  Postautistische Ökonomik für eine pluralistische Wirtschaftslehre" oder
  
  
• den von Aufsatz von Hodgson (2009) "The great crash of 2008 and the reform of economics" (aus dem Cambridge Journal of Economics 2009, 33, 1205–122).
  

Ist jetzt auch nicht als Nachweis für meine Klugscheißerei gemeint, sondern all das sind wirklich recht interessante Beiträge zum Thema, die ich in genereller Hinsicht zur Lektüre empfehle.

Ich selbst habe dann im Studium u.a. was von "behavioral economics" mitbekommen und von Witts "Individualistische Grundlagen der evolutorischen Ökonomik", die bereits 1987 verfasst wurden. Ich weiß, dass es da schon länger Forschung zu gibt. Heute sind neue Disziplinen wie die Neuro-Economics oder auch die Glücksforschung auf der Bildfläche erschienen. Und bereits vor 1900 hat Thorstein Veblen insbesondere die psychologische Komponente beschrieben. Diese Tendenzen gab es immer schon. Aber tatsächlichen Niederschlag hat das selten gefunden (außer vielleicht in der neuen Institutionenökonomik, wo dann mit beschränkter Rationalität umgegangen wird ... was aber nur eine "abgespeckte" Version des HO ist*). Etabliert hat sich bisher noch nicht wirklich viel. Nach meiner Einschätzung sind wir noch weit davon entfernt, eine Makroökonomik auf gruppendynamischen Prozessen zu entwickeln, die eben nicht auf einem HO basieren. Die Lehrbücher und "courses" sind jedenfalls noch voll davon.

Hinzu kommt die "Mathematisierung". Auch das u.a. in den obigen Beiträgen / Büchern kritisiert.

Das könnte ich noch weiter ausführen. Aber das wäre sehr weit OT. Wenn Interesse besteht, gerne per Mail oder PM.

[Edit]* Die "typischen" Modelle der Verhaltensökonomik können in gewisser Weise auch als "abgespeckte HO" aufgefasst sein. Die Eigennutzmaximierung spielt dort immer noch eine Rolle, nur, dass der Eigennutz dann "elegant" so in eine Formel gepackt ist, dass auch bestimmte negative Effekte den Eigennutz schmälern können. Gute Beispiele dafür sind die Ungerechtigkeitsfunktion (inequity aversion equation). Mal abgesehen davon, dass dort auch noch Bewertungsprobleme enthalten sind und sich diese Modelle auch meist nur auf den Mikro-Fall (eine Person) beziehen. [/Edit]

Arbo

[Humpty Dumpty]

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Sorry, das ist nicht vollständig Blödsinn. Ich gebe zu, dass sich verschiedene Denker jetzt der Kritik am mangelhaften Menschbild des homo oeconomicus (HO) nicht verschließen konnten. Doch schau Dir mal die gängigen Lehrbücher an. Die meisten Theorien, die wir haben, funktionieren noch damit. Ansonsten empfehle ich Dir

• die Artikelsammlung von Ötsch/Thomasberger (2009) "Der neoliberale Markt-Diskurs Ursprünge, Geschichte, Wirkungen",
  
• Dürmeier/Egan-Krieger/Peukert (2006) "Die Scheuklappen der Wirtschaftswissenschaft
  Postautistische Ökonomik für eine pluralistische Wirtschaftslehre" oder
  
• den von Aufsatz von Hodgson (2009) "The great crash of 2008 and the reform of economics" (aus dem Cambridge Journal of Economics 2009, 33, 1205–122).
  

Ist jetzt auch nicht als Nachweis für meine Klugscheißerei gemeint, sondern all das sind wirklich recht interessante Beiträge zum Thema, die ich in genereller Hinsicht zur Lektüre empfehle.

Ich selbst habe dann im Studium u.a. was von "behavioral economics" mitbekommen und von Witts "Individualistische Grundlagen der evolutorischen Ökonomik", die bereits 1987 verfasst wurden. Ich weiß, dass es da schon länger Forschung zu gibt. Heute sind neue Disziplinen wie die Neuro-Economics oder auch die Glücksforschung auf der Bildfläche erschienen. Und bereits vor 1900 hat Thorstein Veblen insbesondere die psychologische Komponente beschrieben. Diese Tendenzen gab es immer schon. Aber tatsächlichen Niederschlag hat das selten gefunden (außer vielleicht in der neuen Institutionenökonomik, wo dann mit beschränkter Rationalität umgegangen wird ... was aber nur eine "abgespeckte" Version des HO ist*). Etabliert hat sich bisher noch nicht wirklich viel. Nach meiner Einschätzung sind wir noch weit davon entfernt, eine Makroökonomik auf gruppendynamischen Prozessen zu entwickeln, die eben nicht auf einem HO basieren. Die Lehrbücher und "courses" sind jedenfalls noch voll davon.

Hinzu kommt die "Mathematisierung". Auch das u.a. in den obigen Beiträgen / Büchern kritisiert.

Das könnte ich noch weiter ausführen. Aber das wäre sehr weit OT. Wenn Interesse besteht, gerne per Mail oder PM.

[Edit]* Die "typischen" Modelle der Verhaltensökonomik können in gewisser Weise auch als "abgespeckte HO" aufgefasst sein. Die Eigennutzmaximierung spielt dort immer noch eine Rolle, nur, dass der Eigennutz dann "elegant" so in eine Formel gepackt ist, dass auch bestimmte negative Effekte den Eigennutz schmälern können. Gute Beispiele dafür sind die Ungerechtigkeitsfunktion (inequity aversion equation). Mal abgesehen davon, dass dort auch noch Bewertungsprobleme enthalten sind und sich diese Modelle auch meist nur auf den Mikro-Fall (eine Person) beziehen. [/Edit]

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Na siehste, das klingt doch schon ein bisschen qualifizierter. Es ist aber keineswegs so, dass sich die von Dir Angegriffenen der Problematik nicht bewusst wären. Das Gegenteil ist der Fall, glaub mir. Aber es ist eben leichter, sich in mathematischen Modellierungen zu verlieren. Nicht umsonst fordern alle anerkannten Journals mehr Experimente, mehr Moderator-Mediator-Analysen und ähnlichen Kram, um eben beispielsweise jene Bedingungen zu untersuchen, unter denen die Nutzenmaximierung von Individuen systematisch außer Kraft wird. Aber das ist halt deutlich schwieriger als das Formelwälzen. Kahnemann hat sich den Preis durchaus hart verdient. Und außerdem muss man erst einmal ein paar grundlegende Zusammenhänge (zum Beispiel die multiattributive Nutzentheorie) verstanden haben, bevor man sich solcherlei Feinheiten widmet. Deshalb sind die Lehrbücher entsprechend gestrickt. Anders ergibt es nämlich keinen Sinn, da man mit den Ausnahmen anfangen müsste, ohne die Regel verstanden zu haben. Meinetwegen könnte man über Gewichtungen streiten, das gestehe ich Dir zu.

Insofern: Ich glaube, dass Du Dir da weithin einen Strohmann aufbaust. Die von Dir so verachteten "mainstream economics" existieren nämlich nicht in der von Dir behaupteten Form. Vielmehr lechzen alle nach Erkenntnissen, die in die von Dir genannte Richtung gehen. Aber es ist halt nicht so einfach, dazu auf akzeptablem Niveau zu publizieren. Glaub mir: mit einer guten Idee, einer sauberen Methodik und einer vernünftigen Diskussion bekommst Du eine Veröffentlichung in A+ Journals, was Dir als Erstautor in Deutschland ziemlich sicher direkt eine Professur einbringt. Der Grund, weshalb das nicht massenhaft gemacht wird, lautet jedoch: es ist leider nicht so einfach. Die Leute sind sich der von Dir angemahnten Dinge durchaus bewusst. Ich beispielsweise verfolge dieses Thema nur am Rande, fühle mich aber bereits recht gut im Bilde. Und wenn das schon für mich als nur Halb-Insider in diesem Bereich gilt, so lässt sich das mit absoluter Sicherheit verallgemeinern. Die wenigsten Profs sind nämlich blöd. Selbst VWLer nicht  

[Arbo]

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Na siehste, das klingt doch schon ein bisschen qualifizierter. Es ist aber keineswegs so, dass sich die von Dir Angegriffenen der Problematik nicht bewusst wären. Das Gegenteil ist der Fall, glaub mir. Aber es ist eben leichter, sich in mathematischen Modellierungen zu verlieren. Nicht umsonst fordern alle anerkannten Journals mehr Experimente, mehr Moderator-Mediator-Analysen und ähnlichen Kram, um eben beispielsweise jene Bedingungen zu untersuchen, unter denen die Nutzenmaximierung von Individuen systematisch außer Kraft wird. Aber das ist halt deutlich schwieriger als das Formelwälzen. Kahnemann hat sich den Preis durchaus hart verdient. Und außerdem muss man erst einmal ein paar grundlegende Zusammenhänge (zum Beispiel die multiattributive Nutzentheorie) verstanden haben, bevor man sich solcherlei Feinheiten widmet. Deshalb sind die Lehrbücher entsprechend gestrickt. Anders ergibt es nämlich keinen Sinn, da man mit den Ausnahmen anfangen müsste, ohne die Regel verstanden zu haben. Meinetwegen könnte man über Gewichtungen streiten, das gestehe ich Dir zu.

Insofern: Ich glaube, dass Du Dir da weithin einen Strohmann aufbaust. Die von Dir so verachteten "mainstream economics" existieren nämlich nicht in der von Dir behaupteten Form. Vielmehr lechzen alle nach Erkenntnissen, die in die von Dir genannte Richtung gehen. Aber es ist halt nicht so einfach, dazu auf akzeptablem Niveau zu publizieren. Glaub mir: mit einer guten Idee, einer sauberen Methodik und einer vernünftigen Diskussion bekommst Du eine Veröffentlichung in A+ Journals, was Dir als Erstautor in Deutschland ziemlich sicher direkt eine Professur einbringt. Der Grund, weshalb das nicht massenhaft gemacht wird, lautet jedoch: es ist leider nicht so einfach. Die Leute sind sich der von Dir angemahnten Dinge durchaus bewusst. Ich beispielsweise verfolge dieses Thema nur am Rande, fühle mich aber bereits recht gut im Bilde. Und wenn das schon für mich als nur Halb-Insider in diesem Bereich gilt, so lässt sich das mit absoluter Sicherheit verallgemeinern. Die wenigsten Profs sind nämlich blöd. Selbst VWLer nicht  

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Den Vorwurf mit dem "Strohmann aufbauen" kenne ich, u.a. aus der wirtschaftsethischen Diskussion. Das zu vertiefen würde m.E. wirklich zu weit führen, aber vereinfacht gesagt, richtet sich die Kritik an den "mainstream economics" gegen bestimmte einzelne Elemente, die leider sehr wohl immer wieder auftauchen und immer noch im Gebrauch sind (z.B. eben der HO in verschiedenen Nuancen). Insofern ist der Begriff "mainstream economics" wohl auch etwas missverständlich (ich wollte nicht "neo-liberal" oder "neo-klassisch" schreiben, weil das noch missverständlicher wäre; aber deshalb habe ich ihn auch in Anführungsstriche gesetzt   ). Eigentlich steckt's auch im Begriff selbst drin, dass nicht die eine (!) Mainstream-Wissenschaft gemeint ist, sondern eher eine Mehrzahl an Theorien. Wie auch immer ... der Vorwurf lässt sich nicht gegen jede (Unter-) Disziplin gleichermaßen vorbringen, die "immunisieren" sich da sehr gut, aber  gleichfalls ist der Vorwurf nicht unberechtigt (weil sich halt immer etwas ind dieser Richtung im Mainstream finden lässt).

Dein Hinweis mit den Journals und den Berufungen (Professur) ist m.E. aber leider etwas blauäugig. Da lässt sich nun wirklich der Vorwurf eines "mainstreams" machen. Wissenschaftstheoretisch mit Thomas S. Kuhn, was u.a. auf die Schulenbildung hinaus läuft. Die gängige Publikationspraxis spricht ebenfalls nicht gerade dafür, dass mensch mit neuen Ideen offene Türen einrennt. Habe gerade eine Veranstaltung (Konferenz) zu dem Thema besucht, wo mehrmals darauf hingewiesen wurde, dass es da so ein "Club-Verhalten" gibt. Dazu empfehle ich Dir wirklich mal den Artikel von Hodgson, der Evolutions-Ökonom ist und - haha, natürlich - schon mehrere kritische Artikel verfasst hatte. Interssant ist der Artikel u.a. deshalb, weil er sich zu den Journals und der Lehrpraxis äußerte. Leider entspricht viel von dem, was Hodgson schrieb (z.B. den Mangel an dogmenhistorischen Wissen innerhalb der Ökonomik) dem, was ich selbst erlebt habe.

Hodgson, Geoffrey (2009) "The great crash of 2008 and the reform of economics" (Cambridge Journal of Economics 2009, 33, 1205–122).

Um auf das Thema des Threads zurück zu kommen: So wie Du mir indirekt vorwirfst, auf einen Strohmann einzudreschen, könnte ich Dir den Vorwurf machen, das zu verharmlosen. Das zeigt, dass es durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen zum Thema Wirtschaft gibt. Und dass sich daher "Wirtschaft" auch nicht einfach  in eine Regel pressen lässt. Die eine Wahrheit gibt es nicht. Und dem müsste auch ein Rollenspiel Rechnung tragen.

P.S.: So und weitere Diskussionen zum Thema "Wirtschaft" in Science without Fiction, Speakers Corner oder dann per Email oder PM!   Sonst wird das hier noch ein kostenloses Seminar, das viele langweilt. Und abgesehen davon rennen da draussen genügend arbeitslose oder prekär beschäftige Wirtschaftsexpert|inn|en (Achtung: Signatur) herum. Denen möchte ich ihren Job abnehmen.

[ErikErikson]

Öh, ihr ärgert euch das allzuviel Wirtschafttheorien auf dem veralteten homo oecomenicus modell beruhen, und deshalb wollt ihr diese nicht in eurem Rollenspiel haben? Löblich.

Aber es gibt doch inzwischen sicher auch theorien, die auf complex man, social oder self actualicing man beruhen. Wär damit gediehnt?

[Humpty Dumpty]

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Den Vorwurf mit dem "Strohmann aufbauen" kenne ich, u.a. aus der wirtschaftsethischen Diskussion. Das zu vertiefen würde m.E. wirklich zu weit führen, aber vereinfacht gesagt, richtet sich die Kritik an den "mainstream economics" gegen bestimmte einzelne Elemente, die leider sehr wohl immer wieder auftauchen und immer noch im Gebrauch sind (z.B. eben der HO in verschiedenen Nuancen). Insofern ist der Begriff "mainstream economics" wohl auch etwas missverständlich (ich wollte nicht "neo-liberal" oder "neo-klassisch" schreiben, weil das noch missverständlicher wäre; aber deshalb habe ich ihn auch in Anführungsstriche gesetzt   ). Eigentlich steckt's auch im Begriff selbst drin, dass nicht die eine (!) Mainstream-Wissenschaft gemeint ist, sondern eher eine Mehrzahl an Theorien. Wie auch immer ... der Vorwurf lässt sich nicht gegen jede (Unter-) Disziplin gleichermaßen vorbringen, die "immunisieren" sich da sehr gut, aber  gleichfalls ist der Vorwurf nicht unberechtigt (weil sich halt immer etwas ind dieser Richtung im Mainstream finden lässt).

Dein Hinweis mit den Journals und den Berufungen (Professur) ist m.E. aber leider etwas blauäugig. Da lässt sich nun wirklich der Vorwurf eines "mainstreams" machen. Wissenschaftstheoretisch mit Thomas S. Kuhn, was u.a. auf die Schulenbildung hinaus läuft. Die gängige Publikationspraxis spricht ebenfalls nicht gerade dafür, dass mensch mit neuen Ideen offene Türen einrennt. Habe gerade eine Veranstaltung (Konferenz) zu dem Thema besucht, wo mehrmals darauf hingewiesen wurde, dass es da so ein "Club-Verhalten" gibt. Dazu empfehle ich Dir wirklich mal den Artikel von Hodgson, der Evolutions-Ökonom ist und - haha, natürlich - schon mehrere kritische Artikel verfasst hatte. Interssant ist der Artikel u.a. deshalb, weil er sich zu den Journals und der Lehrpraxis äußerte. Leider entspricht viel von dem, was Hodgson schrieb (z.B. den Mangel an dogmenhistorischen Wissen innerhalb der Ökonomik) dem, was ich selbst erlebt habe.

Hodgson, Geoffrey (2009) "The great crash of 2008 and the reform of economics" (Cambridge Journal of Economics 2009, 33, 1205–122).

Um auf das Thema des Threads zurück zu kommen: So wie Du mir indirekt vorwirfst, auf einen Strohmann einzudreschen, könnte ich Dir den Vorwurf machen, das zu verharmlosen. Das zeigt, dass es durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen zum Thema Wirtschaft gibt. Und dass sich daher "Wirtschaft" auch nicht einfach  in eine Regel pressen lässt. Die eine Wahrheit gibt es nicht. Und dem müsste auch ein Rollenspiel Rechnung tragen.

P.S.: So und weitere Diskussionen zum Thema "Wirtschaft" in Science without Fiction, Speakers Corner oder dann per Email oder PM!   Sonst wird das hier noch ein kostenloses Seminar, das viele langweilt. Und abgesehen davon rennen da draussen genügend arbeitslose oder prekär beschäftige Wirtschaftsexpert|inn|en (Achtung: Signatur) herum. Denen möchte ich ihren Job abnehmen.

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Alles klar, will auch gar nicht weiter nachbohren. Wichtig war mir nur, dass die ursprünglichen Aussagen etwas ins korrekte Licht gerückt werden. Damit können wir es gerne bewenden lassen.

@ Erik: Ohne despektierlich klingen zu wollen: Schein ist in diesem Zusammenhang korrekt, aber die Diskussion war schon ein paar Schritte weiter.