Ich glaube, wenn es dazu kommt, fehlt es an Outtime-Kommunikation. [...] Eine Gruppe mit Charakteren, die sich nicht einig sind, ist noch lange keine auseinandergebrochene Gruppe.
Ich muss sagen, das ist mir etwas zu oberflächlich analysiert, erst recht vor dem Hintergrund von vorgefertigten Abenteuern.
Wenn man halbwegs auf Schlüssigkeit wert legt, dann müssen die gruppentrennenden Aspekte (gleichgültig ob von den Charakteren und/oder der Situation ausgehend) eben ungefähr durch gruppenvereinende Aspekte aufgewogen werden.
Sicher, man kann eine disharmonische Gruppe auch vor spaltende Entscheidungen stellen, und darauf hoffen, dass die Spieler sich OT irgendwie so abstimmen, dass die Charaktere trotzdem zusammenbleiben und in irgendeine gemeinsame Richtung laufen. Dass ist dann aber nicht mehr "frei", und auch nicht mehr "stimmig". Ist letztlich nichts anderes als spielerseitiges Railroading: Die Charaktere müssen jetzt zusammen in diese Richtung laufen, weil das jetzt wegen OT-Überlegungen so festgelegt wurde, auch wenn es in der Situation gar keinen Sinn macht.
Und wenn man sich jetzt einfach mal DSA in Hinsicht auf Rollenwahl und Abenteuer anschaut, dann kommt recht schnell als grobe Richtung bei raus:
- DSA-Gruppen können kulturell sehr heterogen sein (etwa mit Elfen und Zwergen), ein spaltendes Element ist also oft gegeben
- Kaufabenteuer sollen einen recht großen Kundenkreis ansprechen (um entsprechend nachgefragt zu werden), und in der Regel soll das angeschafte Kaufabenteuer zur bestehenden Gruppe passen, nicht umgekehrt. Dies ist umso wahrer für episodenhafte Abenteuer (im Gegensatz etwa zu Kampagnen).
Unter diesen Gesichtspunkten braucht es also ein gruppenübergreifendes vereinendes Element, dass dann entsprechend von den Kaufabenteuern auch aufgegriffen werden kann.
Bei DSA hat man sich da für den "guten Kern" entschieden: Egal ob grummeliger Zwerg oder geldgieriger Söldner, irgendwo sollten die trotzdem alle die Fähigkeit zu Empathie und Menschlichkeit mitbringen, oder dem wenigstens nicht im Weg stehen. Das wird ja auch schon bei der Charaktererschaffung so kommuniziert.
Und mit diesem "universellen Plothook" kann man dann auch Gruppen ködern, die sonst wenig gemeinsam haben. Etwa weil sie aus Rondrageweihten und Elfen bzw. aus geradlinig denkenden Praios-Akoluthen-Wannabes und philosophierenden Sumu-Anhängern bestehen. Eine gute Prise "Unschuldige in Not", und auch die heterogenste Gruppe reisst sich zusammen.
Klar, DSA eignet sich typischerweise am besten für das Heldenteam, das in Einmut den Gegner zur Strecke bringt. Da ist auch prinzipiell nichts Falsches dran. Andererseits ist es aber nicht so, dass es im Rollenspiel prinzipiell keine anderen Wege gibt.
Jein. Die Einmütigkeit ist durch die OT-Rahmenbedingungen beim Tischrollenspiel mehr oder weniger vorgegeben. Ein Spielleiter, etwa fünf Spieler. Wenn da jeder sein Ding macht ist das von der individuellen Spielzeit her suboptimal, und die Möglichkeiten da gegenzusteuern (etwa durch NSCs in Spielerhänden) sind meist begrenzt.
Dass es andere Wege gibt die Gruppe zusammenzuschweissen als "es sind halt die Guten" wird hier glaub keiner abstreiten. Aber oft genug sind die eben auch nicht besser für "tiefgreifende Konflikte" geeignet als der Heldenansatz. Egal ob man jetzt etwa Goldgier, Pflichtgefühl oder Wenn-ihr-nicht-kooperiert-werdet-ihr-alle-sterben als gemeinsamen Nenner ansetzt: Dagegen anzuspielen riskiert OT-Krampf, sei es durch Gruppenspaltung und Spielzeitverlust, oder durch OT-Kompromisse zu Lasten des Spielgeschehens.
Prinzipiell spricht das nicht gegen ein entsprechendes DSA-Abenteuer (etwa ein geldmotiviertes Schurkenabenteuer a la Shadowrun), aber es bleibt die Frage: Lohnt sich das? Würden wirklich genug DSA-Runden für soetwas eine neue Gruppe aufstellen? Und würde sich das wirklich so anders spielen, dass sich das lohnt - Oder veröffentlicht man nicht lieber ein "Schurkenabenteuer für Gutmenschen-Charaktere"?