Auch von mir nochmal eine kleine Zusammenfassung der Ereignisse aus Cadors Sicht.
Das ewige Leben... Für die einen ist es Verlockung und Verheissung, für mich jedoch, ist es vermutlich die einzige Wahl, die ich habe, will ich nicht aus dieser Welt scheiden und als verbitterter, alter Krüppel in der Erinnerung meines Hauses weiterexistieren.
Verflucht ja, ich bin verbittert, aber wer kann mir das verdenken? Und mein Äußeres tut den Rest, um beim Pöbel für Aufsehen und Gerüchte zu sorgen.
Vor ein paar Tagen hätte ich fast laut gelacht, als ich das neueste Gerücht hörte, nach dem ich in den Ruinen meines Anwesen gestorben sei, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe und aus den Feuern der Hölle wieder in diese Welt gekrochen bin.
Von einem prosaischen Standpunkt aus, haben sie vielleicht sogar Recht.
Der Teufel wohnt in meiner Brust und lässt mich seine Anwesenheit nur allzu oft spüren. Als Gegenleistung lindert er meinen Schmerz und bewahrt mich so davor, endgültig den Verstand zu verlieren. Oder habe ich das bereits? Bilde ich mir die Stimme in meinem Kopf nur ein?
Unmöglich! Ich fühle mich so klar, wie seit langem nicht mehr. Der Weg, der vor mir liegt könnte eindeutiger nicht sein.
Die Inquisition hat einen Ketzer in die Stadt gebracht. Ich konnte einen Blick auf ihn erhaschen, als sie ihn in einem Käfig durch die Stadt zogen, um ihn in die Bastion zu bringen. Augenblicklich wusste ich, dass ich dieses Gesicht kannte. Eine Zeichnung auf einer der alten Schriftrollen sah ihm so ähnlich, dass es keine Verwechslung sein konnte. Aber diese Schriftrolle ist bereits über 300 Jahre alt. Kann es sein? Hat dieser Mann das Geheimnis der Unsterblichkeit entschlüsselt? Ich muss es herausfinden. Um jeden Preis.
Es klopft an meiner Tür und ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Brune kündigt einen späten Gast an und kurz darauf betritt Gregor mein kärgliches Zimmer im Kontorhaus. Gregor... Wie lange ist es her? War es wirklich dieses Leben, in dem wir uns das letzte Mal trafen? Es tut gut sein Gesicht zu sehen, aber ich fürchte, er empfindet nicht ganz die selbe Freude bei meinem Anblick. So sehr ich mich über seinen Besuch freue, so sehr bin ich es leid, die selben alten Fragen zu hören, die sich seit jenem schicksalshaften Tag wie ein schmerzender Splitter in mein Fleisch bohren.
Was ist passiert?
Was ist mit den Kindern?
Wie hast Du überlebt?
Ich gebe ihm die Kurzfassung und er ist sichtlich erschüttert. Vielleicht auch, weil ich selbst bei der Rekapitulation der Ereignisse kaum eine Regung zulassen kann. Die Zeit für Sentimentalitäten ist vorüber.
Er fragt nach einer Unterkunft für die Nacht, die ich ihm gern gewähre. Als er sich zurückzieht, bleibe ich allein in meinem Gemach und trinke einen Schluck Milch, als ich das Zittern und die Unruhe in mir aufwallen spüre.
Gerade als ich Brune anweisen will, meinen alten Freund Gregor im Auge zu behalten, höre ich eine Stimme unten vor der Tür des Hauses.
Corras. Nichtsnutz. Tagedieb. Säufer. Betrüger. Und mein einziger Sohn. Er ist betrunken und verlangt nach Einlass, da er sonst erfrieren würde. Mein Mitleid hält sich in Grenzen und ich weise Brune an, ihn zu verjagen. Corras hat überall Freunde, bei denen er unterkommen kann. Er würde schon nicht erfrieren. Und wenn doch? Würde es mich betrüben? Die Stimme in meinem Kopf lacht und jubelt bei dem Gedanken, ihn abzuweisen. Ich kann meine eigenen Gedanken kaum hören.
Der Lärm von unten verklingt nicht, und ich beschließe nachzusehen. Gregor hat Corras bereits eingelassen und tut so, als ob sie beste Freunde wären. Was denkt er sich? Was glaubt er, wer er ist? Es scheint, mein alter Freund hat sich sehr verändert. Ich versuche hart zu bleiben, aber von Angesicht zu Angesicht gelingt es mir nicht und ich werfe Corras eine Decke und Gregor einen finsteren Blick zu. Als er sich obenrein noch an meiner Kanne mit Milch vergreifen will, weise ich ihn zurecht und ziehe mich zurück. Er ist so verändert. Ganz anders als noch vor wenigen Minuten. Kann es sein...? Könnte er sich mit etwas eingelassen haben, das der menschliche Verstand nicht in der Lage ist zu verstehen? Und was bedeutet das für mich? Ist er ein Verbündeter? Oder ein mächtiger Feind? Ich muss ihn wirklich gut im Auge behalten.
Ich beschließe noch etwas zu lesen, denn ob der Ereignisse ist an Schlaf eh nicht zu denken. Dabei entdecke ich eine Notiz, dass am morgigen Tage im Hause des Grafen ein Ball stattfinden soll, zu dem neben Paxtor Myrkonis auch die Gewürzbarone von Creist geladen sind. Dieser miese Schleimer! Die Barone haben ein Abkommen mit mir. Was hat Paxtor vor? Ich kann ihn nicht ungehindert agieren lassen und werde morgen den Ball besuchen. Ha, die hohen Damen und Herren werden sicherlich einen ordentlichen Schreck bekommen, wenn sie meine Fratze sehen. Vielleicht sollte ich Gregor mitnehmen. Ich will ihn nicht aus den Augen verlieren.
Am nächsten Morgen werfe ich Corras aus dem Haus und führe beim Frühstück ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit Gregor. Auch er scheint bemerkt zu haben, dass in mir noch eine zweite Stimme spricht. Ich halte mich zurück, äußere mich nur vage und Gregor tut es mir gleich. Scheinbar hat er seinen Dämon einem anderen Menschen entrissen. Interessant. Das könnte noch nützlich sein.
Meine Gedanken sind getrübt. Der verdammte Bote erscheint nicht und die Milch wird knapp. Ich versuche das Stechen in meiner Brust mit Käse und Butter zu verdrängen, aber das hält nicht lange vor. Ich zittere. Schwitze. Widerlich. Auch Gregor scheint es zu bemerken.
Ich schlage ihm vor, mit auf den Ball zu kommen und er zögert, aber als ich erwähne, dass auch hohe Beamte der Inquisition anwesen sein werden, willigt er ein. Was hat er vor? Er sprach von einem Narwon und von offenen Rechnungen, wollte aber nicht weiter ins Detail gehen. Das dürfet ein interessanter Abend werden.