Es gibt ja immer die Möglichkeit eine Rezension als "Play-Test Review" oder als ein Review der reinen "Papierform" abzufassen. - Dann können gleich diejenigen, die nichts von Papierform-Reviews halten, diese ignorieren und auf die irgendwann eintrudelnden Play-Test-Reviews warten.
Ein Papierform-Review hat das Problem, daß man nur den Stand des Spielmaterials (meist Bücher, oft Karten und Handouts, manchmal auch anderes Material wie Würfel, Figuren, besondere Hilfsmittel) beurteilen kann, nicht aber die Eigenschaften des Materials "zur Laufzeit", d.h. zur Spielzeit.
Wenn man aber GRUNDSÄTZLICH Papierform-Reviews ablehnt, dann finde ich das ausgesprochen ARROGANT. - Der Reviewer hat nämlich seine URTEILSKRAFT in das Review eingebracht. Und es ist diese Urteilskraft, die ich gerade bei mir namentlich bekannten Reviewern (insbesondere solchen, bei denen ich weiß, wie MEIN Geschmack und MEINE Vorlieben sich zu denen des Reviewers positionieren) zu SCHÄTZEN weiß.
Das bedeutet, daß jemand, der schon viel gesehen hat, viel gespielt hat, viel Erfahrung hat, und all seine Erfahrung in ein Review eingebracht hat, mir auf jeden Fall ein deutlich WERTVOLLERES Review schreiben wird, als jemand, der ein "Monokulturspieler" ist, der aber von mir aus wochenlang ein bestimmtes Rollenspielprodukt probegespielt hat.
Es ist die URTEILSKRAFT, die ein Review auszeichnet - NICHT die Review-Methode!
Zur Play-Test-Reviews ist übrigens zu sagen, daß sie einerseits eine "Laufzeit"-Betrachtung enthalten, aber zumeist eine sehr PUNKTUELLE, damit für meine Interessen und meine Spielweise möglicherweise einfach nichts aussagende Facette der Anwendung der Reviewgegenstände aufführen.
Ein Problem bei Play-Test-Reviews ist ja, daß für eine zufriedenstellende Spielrunde, für ein gutes Spielerlebnis das jeweilige Spielsystem außerordentlich GERINGE Bedeutung hat, sogar bestenfalls zweitrangig ist. - Den Haupteinfluß haben die beteiligten PERSONEN.
Daher ist ein Play-Test-Review von einem Reviewer, der - zumeist ja als Spielleiter - an allen Runden beteiligt war, außerordentlich von SEINEM jeweiligen Spielstil geprägt. Ist er als Spielleiter jemand, der seine Spieler gerne mit unnötigen Würfeleien für jeden Scheiß quält? Dann wird das auch in der Probespielrunde der Fall sein und den Eindruck der Mitspieler vom Regelsystem beeinflussen. - Geht er gerne über seiner Meinung nach überkomplizierte oder einfach nur nicht beim ersten Lesen verständliche Regeln hinweg und entscheidet schnell mal "freihändig", wie das Spiel weitergehen soll, dann macht er das auch in der Probespielrunde und so kommen in dieser Runde Regelmechanismen nicht zum Einsatz, die eigentlich zentrale Bedeutung für das System haben.
So subjektiv ein Review sein SOLL, so wenig aussagekräftig sind Play-Test-Reviews, da sie nicht nur die aufgrund der Urteilskraft des Reviewers begutachteten Gegenstände, die Spielmaterialien, sondern eben auch den EXTREM ZUFÄLLIGEN, und VON DER QUALITÄT der Spielmaterialien UNABHÄNGIGEN Verlauf von Probespielrunden in die Bewertung einfließen lassen.
Ich WILL aber NICHT wissen, "wie gut" die Spieler in den Probespielrunden spielen, sondern ich will wissen, ob die Materialien, für die ich Geld bezahlen muß, oder zumindest Lebenszeit zum Lesen opfern muß, etwas taugen. - Eine GUTE Spielrunde mache ich aus den Materialien dann schon selbst.
Ich sehe Play-Test-Reviews als eine UNGUTE Mischung von für sich genommen interessanten "Actual Play"-Aufschrieben und einem Review der Spielmaterialien, d.h. des gelieferten Produktumfangs.
Actual Play ist immer GRUPPEN-abhängig und man kann Dutzende Actual Plays lesen, und trotzdem immer noch keinen brauchbaren Eindruck von einem Rollenspielprodukt haben.
Ein Review der Spielmaterialien hingegen setzt auf die durch ERFAHRUNG gebildete URTEILSKRAFT des Reviewers und bringt daher mehr brauchbare Reviewer-Einschätzung als jeder zufälligerweise gute oder schlechte oder mittelmäßige Actual-Play-Aufschrieb.
Wer einem Reviewer die Urteilskraft absprechen will, hat vermutlich selbst ausgesprochene UNSICHERHEITEN beim Beurteilen von Rollenspielprodukten und verfügt über zu wenig Erfahrung im Hobby um eine sachgerechte Beurteilung vornehmen zu können.
Die meisten Rollenspiele kochen mit Wasser - und zwar mannigfach recycletem Wasser! - Ob nun ein Attribut+Fertigkeit+eine Handvoll Würfel gegen Zielwert oder ob nun W%-Roll-Under oder einen Eimer voll Würfel und Erfolge zählen usw. - Grundmechanismen werden quer über Rollenspielprodukte WIEDERHOLT angewandt. Hier kann man sich nach ein paar Jahren aktiver Analyse von Spielsystemen durchaus einen Überblick verschafft haben, der einen ein Attribut+Fertigkeit+2W6 und ein Attribut+Fertigkeit+3W10 usw. System korrekt in Stärken und Schwächen und Anwendungsbereichen einordnen läßt.
Die meisten Rollenspielwelten kochen mit demselben Wasser, das seit Jahrzehnten durch die Filteranlagen strömt. - Ob nun Fantasy-Welten mit Spitzohren, Kleinwüchsigen, usw. oder Sci-Fi-Universen mit Imperien, Kolonien, korruptem Beamtenapparat, Rebellen, usw. - Versatzstücke gibt es nicht mal wirklich endlos viele. Über die Qualität entscheidet meist nicht, WELCHE Versatzstücke ein Rollenspiel verwendet, sondern WIE sie verwendet werden, wie sie in Beziehung gesetzt werden, und WIE sie DARGESTELLT werden. - Und das sind ALLES rein an der Papierform beurteilbare Qualitätsmerkmale, die jemand, der schon das 40. oder 50. oder mehr Fantasy-Rollenspiel gelesen hat, SEHR GUT beurteilen kann, auch ohne den Wiederaufguß gespielt zu haben.
Ich kann daher das hier aufgekommene Schlechtreden von Papierform-Reviews nur als UNINFORMIERT und ausgesprochen NAIV zurückweisen.
NUR ein Review, das sich mit den KONKRETEN Liefergegenständen eines Rollenspielprodukts befaßt und das die URTEILSKRAFT des Reviewers zur Bildung einer Einschätzung, einer MEINUNG als Basis hat, taugt etwas.
Actual-Play-Aufschriebe taugen NICHT als Review!