Zum einen
Oskar Maria Graf - Das bayrische Dekameronzum anderen
Robert Harris - DictatorDas 1. Buch lese ich aus einer Mischung aus kulturellem Interesse und Schuldbewusstsein, dass ich ein dickschädeliger Holsteiner bin. Dass ich es lese, ist aus einer Diskussion heraus passiert, in der von süddeutschen Freunden festgestellt wurde, dass ich doch in ihren Augen sehr stereotypisch für ihre Vorstellung eines Norddeutschen sei. (Ob das so ist, lass ich dahingestellt. Wahrscheinlich ja und nein.)
Letztlich hat das Buch wenig mit dem Dekameron zu tun (außer, dass es ländlich-erotisch ist und in kleinen Bildnissen/Geschichtchen erzählt wird), und es ist sicher auch nur nicht urbayrisch, bis auf die Sprache. Es dreht sich eben um die leichten Geschichten bayerischer Lust. Es wird wenig an der Diskussion und den Inhalten ändern, aber ich habe dann immerhin zum Ausgleich mal ein Buch gelesen, in dem versucht wird, bayrischen Sprech in Schriftsprache zu packen. Und festgestellt, dass ich es flüssig lesen kann.
Ansonsten sind die anzüglichen Schnurren geprägt Zeitgeist des frühen 20. Jahrhunderts, und ab davon, für meinen Humor nicht sonderlich witzig und auch nur bedingt bauernschlau. Aber es ist ausreichende, leichte Unterhaltung.
Das 2. Buch lese ich, um die Cicero-Trilogie von Harris abzuschließen. Viele Jahre war Harris einer meiner Lieblingsautoren, gerade weil er so viele Subtöne in seiner Geschichte treffen konnte, oder behutsam mit seinen Themen umging.
Die beiden letzten Bücher, die ich las, fand ich dann allerdings nicht mehr so überzeugend.
Fear Index war mir etwas zu schnell erzählt und zu oberflächlich dadurch. Und dasselbe trifft eben jetzt auch auf Dictator zu, welches vielleicht ein bisschen zu viel von Cicero, Caesar, Crassus und Pompeius, dem Untergang der Republik, auf zu wenig Seiten unterbringen will. Dadurch wirkt es gehetzt, etwas disharmonisch und gepresst. Damit kann ich in Anbetracht dieses unglaublich großen wie interessanten Themas leben.
Allerdings opfert Harris seine ansonsten eher vorbildlichen, langsamen Charakterentwicklungen zugunsten von platten Zuschreiben. In den ersten Büchern war das schöner gelöst. Jetzt darf ich permanent lesen, dass Cicero ein grandioser Genius war, und nur anhand dessen, dass Tiro und der Autor es ihm zuschreiben. Die Szenen reichen nicht aus, um das zu verbürgern. Es gibt keine Zwischentöne mehr, Cicero ist entweder blendendes Licht oder verhüllender Schatten. Alle Grautöne verschwinden.
Deswegen bin ich im Moment etwas enttäuscht. Und die große Allegorie auf moderne Politik, welche die Hauptkritiker versprechen, ist es bei weitem auch noch nicht.
Ich habe erst 1/3 gelesen, mal sehen, wie sich das Buch weiterentwickelt. Vielleicht kann ich am Ende gnädiger urteilen. Ich wünsche es mir.