"Projekt Pluto" von Lucy Kissick. Hard SF aus der Feder einer Wissenschaftlerin, die in ihrer Doktorarbeit Seen auf dem Mars simuliert hat und jetzt in der Atomwissenschaft arbeitet. Zumindest sind das die biografischen Daten, mit denen der Roman beworben wird.
Nach knapp einem Viertel des Buches habe ich leider erhebliche Zweifel an ihrer fachlichen Kompetenz.
Zunächst waren da nur Kleinigkeiten. Zum Beispiel die Behauptung, ein Funksignal zwischen Erde und Pluto bräuchte 19 Stunden. Ich habe es anhand der Bahndaten mehrfach nachgerechnet und sicherheitshalber noch mal nachgeschlagen, ob ich irgendwas übersehen habe. Aber selbst wenn Pluto im Aphel steht und zudem noch auf der anderen Seite der Sonne, bräuchte ein Funksignal maximal sieben Stunden. Ich hätte die neunzehn ja noch geschluckt, wenn sie die irgendwie mit einem System von Relais-Satelliten begründet hätte, aber sie schreibt ausdrücklich, es handele sich um eine Direktverbindung. (Hat hier irgendjemand eine Idee, wie sie auf ihre Zahl gekommen sein könnte?)
Endgültig abgehängt hat sie mich an der Stelle, an der ihr Protagonist zu einem zehnjährigen Kind sagt: "Ich muss aus dem Shuttle steigen, um in einem Außenbordeinsatz einen defekten Fusionsreaktor(!) zu flicken. Hast du Lust, mitzukommen?" Egal wie sehr das Kind schon an Raumanzüge gewöhnt ist (Es ist auf Pluto aufgewachsen) -- BEI EINEM SOLCHEN EINSATZ NIMMT NIEMAND EIN KIND MIT!!!
Ich wäre ja bereit, über solche Merkwürdigkeiten hinwegzusehen, wenn der Roman wenigstens eine spannende Handlung hätte. Aber alle Dialoge dienen allein dem Infodumping darüber, wie sich die Autorin ein Terraforming-Projekt für den Pluto vorstellt (mit ein bisschen Alibi-Gemenschel, damit es "natürlich" wirkt). Zwischen den Charakteren herrscht kein Milligramm Konflikt. Alle haben sich lieb und die wenigen Ausnahmen gehen sich aus dem Weg. Es werden keine dramatischen Entscheidungen gefällt. Alles läuft nach Plan und wenn mal was schiefgeht, dann immer im Rahmen dessen, worauf alle vorbereitet sind. Das Emotionalste sind die Szenen aus der Sicht des traumatisierten Kindes -- und dieser spezielle Plot würde genausogut in einem Dorf am Ostseestrand funktionieren. Es gibt keinen Plotfaden, durch den bei mir ein SF-Feeling aufkäme.
Im letzten Kapitel ist ein wenig lauwarme Spannung in die Suppe geraten, darum breche ich es noch nicht ab. Momentan stehen bei mir aber die Wettquoten 4:1 auf: meine nächste große Enttäuschung in den Phantastik-Genres.
EDIT: Abgebrochen. Der Plot um das traumatisierte Kind wurde immer langatmiger -- Die Einführung des Kindes in die Gebärdensprache brauchte ich nun wirklich nicht in tolkieneskem Detailreichtum. Als ich daraufhin zum Ende vorgeblättert habe, stellte ich fest: Sämtliche Mysterien um die Sabotageakte und das Schweigen des Kindes werden in einem Geständnis des reuigen Antagonisten-Handlangers offengelegt. Man muss die 400 Seiten davor nicht gelesen haben, um die Aufdeckung zu verstehen. Also spare ich sie mir und übergebe ein weiteres "Meisterwerk" dem Altbücher-Container um die Ecke.