Habe beschlossen, ein seit 350 Tagen offenes Buch zu beenden dies Wochenende, um einmal Altlasten abzubauen.
Ethel Lilian Voynich - Die StechfliegeEs ist ein Buch aus dem späten 19. Jahrhundert, was immer ein Stück weit als geerdetere, unromantischere Variante des Graf von Monte Christo verstanden wird.
Nach etwa 4/5 des Buches kann ich sagen: dem ist mitnichten so. Es ist ein rein romantisches Werk vor der Kulisse der italienischen Revolution. Die Kulisse ist sehr skizzenhaft, stattdessen geht es um die Entwicklung des Protagonisten Arthur Burton in seinen unterschiedlichen und tragischen Lebensphasen.
Sein Leben wird dabei mit den Entwicklungen seiner Jugendliebe und seines (Zieh-)Vaters verbunden, was sowas wie die Erzählung von der Revolution einbindet.
Für Voynichens Werk spricht, dass sie alle Erzählstränge in ihr tragischstes Moment dreht, sodass nicht nur die etwas zu schwülstig-tragische Sprache ihre Konsequnzen und Zähne behält, sondern das Werk vor seinem Hintergrund auch seine Plausibilität behält.
Sprachlich habe ich mit dem Werk allerdings außerordentlich schwer getan, weil es repetativ geschrieben ist, sprachlich zu wenig Zwischentöne zulässt und sich manchmal in seinem Schmonz etwas zergeht.
Ich erkenne aber durchaus, warum das Werk gerade im kommunistischen Staaten einen gewissen Zuspruch gefunden hat, aufgrund der revolutionären Leidensgeschichte des Protagonisten. Auch wenn der religiöse Hintergrund nur oberflächlich passend erscheint. (Hier ist vielleicht interessant, dass dieses Werk wohl die letzten Jahre im Iran einigen Zuspruch findet, wenn man von den vielen iranischen Reviews auf Goodreads ausgeht.)
Die Charaktere bleiben grob nachvollziehbar, weil es Voynich gelingt, ihre philosophischen, moralischen und religiösen Abstraktionen und Ideen durch ihre Charaktere zu personifizieren, letztlich bleiben sie aber dadurch auch in entscheidenden Situationen leidlich oberflächlich und funktional.
Das Buch hat dennoch freilich seine Stärken. Das liegt vor allen darin, dass Voynich alle uninteressanten Entwicklungen außen vor hält und nur die zentralen Szenen für ihren Zweck beschreibt, ohne jedoch alle Details auszusparen, sodass es ein angenehmes Erzähltempo hat.
Am Ende bleibt dennoch stehen, dass es romantische Salon-Lektüre des späten 19. Jahrhunderts ist. Und wenn man sie als solche betrachtet, ist sie recht gefällig.
Darüber hinaus kann ich immerhin nachvollziehen, warum ich mich schwer mit der Lektüre tat. Es ist kein schlechtes Buch, aber es zieht bei mir auch keinen Hering vom Teller.
5 von 10 Punkte, wenn ich es bewerten sollte.