So, inzwischen ist der neueste Ableger der Serie,
Disciples: Liberation ja schon seit über einem Monat erhältlich. Und da bislang noch niemand etwas dazu geschrieben hat, dachte ich mir, ich mache das mal.
Ich habe sowohl Disciples II samt allen Add-Ons als auch Disciples III (ebenfalls mit allen Add-Ons) gespielt und war dementsprechend gespannt, wie sich also nun Disciples: Liberation spielen würde. Einen ersten Eindruck bekam ich damals von/in der Beta-aber es war eben nur die Beta. Jetzt habe ich das Spiel 2x durch und mehr als 120 Stunden Spielzeit investiert und versuche mal, hier meine Eindrücke vom Spiel wiederzugeben:
Im Soloplayer-Modus spielt man eine Kampagne (durch). Es erwarten einen über 10 verschiedene Maps in der Kampagne, die einen insgesamt 60-80 Stunden beschäftigen.
Man übernimmt die Rolle von Avyanna, einer Söldnerin, die im Laufe der Kampagne aber noch weitere Gefährten um sich scharen kann. Von jeder der 4 Fraktionen (Menschen, Elfen, Dämonen, Untote) gibt es dabei mindestens 2, die sich Avyanna anschließen können. In den Kämpfen können aber nur maximal 2 weitere Begleiter (neben) Avyanna teilnehmen. Jeder der Gefährten hat dabei noch eine persönliche Questreihe.
Während der Kampagne muss man mit Avyanna immer wieder Entscheidungen treffen, die dann tatsächlich Auswirkungen auf den weiteren/späteren Spielverlauf und Ausgang der Kampagne haben. Man hat dabei in den zahlreichen Dialogen unterschiedliche Antwortmöglichkeiten zur Auswahl. Leider sind nicht alle Dialoge im Spiel vertont, sondern nur ca. 70%. Warum das so ist, ist/bleibt ein Rätsel. Die Vertonung & Synchronisation ist gut; die Englische hat mir aber (von den Stimmen her) noch ein bisschen besser gefallen als die Deutsche Synchro. Bei den deutschen Texten finden sich hin und wieder Orthographiefehler, insgesamt ist die (An)Zahl aber echt verschmerzbar. Die Übersetzung ist gut, nur an einigen wenigen Stellen erscheint sie unpassend. Soundtechnisch und grafisch gefällt es mir aber echt ganz gut.
Ausgangspunkt der Kampagne ist die neutrale Stadt Yllian, von der aus ihr eure Schritte plant und eure Armee aufbaut. Neu ist, dass ihr nun alle Gebäude von allen Fraktionen bauen dürft - sofern ihr den dafür nötigen Bauplan erworben habt. Ihr könnt in eurer Armee auch Einheiten von verschiedenen Fraktionen mischen- was früher ja nicht möglich war. Allerdings ist der militärische Fortschritt (bessere Einheiten) hier unmittelbar mit dem Story- bzw. Kampagnenfortschritt verknüpft. So kommt es immer wieder vor, dass ihr mit niedrigstufigen Einheiten gegen höherstufige Einheiten kämpfen müsst, obwohl ihr die höherstufigen Einheiten noch gar nicht bauen könnt.
Es gibt einen Marktplatz und eine Schmiede. Beim Marktplatz kann man Ressourcen einkaufen, jedoch leider nicht eintauschen oder gar verkaufen. In der Schmiede kann man Ausrüstung verbessern. Komplett ausrüsten könnt ihr übrigens nur Avyanna. Den Gefährten und Einheiten könnt ihr Gefühlssplitter vermachen mit verschiedenen Eigenschaften- aber mehr nicht. Ausrüstung, die ihr nicht (mehr) braucht könnt ihr zerlegen und erhaltet dafür - je nach Ausrüstung & Qualität- im Austausch dafür Rohstoffe.
Im Gegensatz zu den Vorgängern könnt ihr nun eine wesentlich größere Armee mit euch führen. Einerseits entfällt dadurch das etwas nervige Feature aus den vorherigen Teilen, dass ihr bei Verlusten immer mühsam in das HQ zurück musstet, um diese aufzufüllen. Andererseits verkommen alle Einheiten dadurch leider auch zu(m) Kanonenfutter. Verluste sind egal, denn ihr könnt sie durch den deutlich größeren Armeebildschirm einfach kurzerhand kompensieren. Oder ihr teleportiert euch - in bester Diablo-Manier- mittels Townportal zurück in die Stadt und füllt da wieder eure Truppen auf.
Vom strategischen Ansatz her bleibt Liberation einerseits der Linie treu. Man zieht mit seiner Armee auf den Karten umher und erobert Rohstoffminen. Es gibt 7 verschiedene Rohstoffe. Allerdings ist das Erobern der Rohstoffminen leider nur schmückendes Beiwerk-sobald ihr ein paar davon erobert habt, habt ihr im Prinzip (wirtschaftlich) schon ausgesorgt, da der Ressourcengewinn nun sekündlich(!) erfolgt und nicht täglich wie etwa bei Heroes of Might and Magic. Ihr müsst auch keine Angst haben, dass gegnerische Helden oder unabhängige Truppen die Rohstoffminen wieder zurückerobern- so etwas gibt es nämlich nicht. Da wundert es einen aber schon, dass man Anfang den Tipp bekommt, man solle seine Rohstoffminen mit Einheiten besetzen, damit sie nicht von gegnerischen Truppen kampflos zurückerobert werden können ?!
Andererseits verlaufen die Kämpfe schon etwas anders. Es gibt zwar wieder Hexfeld-Schlachtfelder...allerdings ist die Anzahl der Hex-Felder nicht gerade groß, so dass es meistens schon nach 2 Runden schon direkt zum Feindkontakt kommt (auch wenn man das eigentlich gar nicht möchte). Sämtliche Einheiten haben nun eine " 2. Reihe-Fähigkeit", d.h. sie stehen hinter den Truppen und boosten entweder die eigenen Truppen durch Defensiv-oder Heilzauber- oder sie schwächen gegnerische Einheiten mit/durch Offensivzauber. Maximal 3 Einheiten kann man in die 2. Reihe stellen, es müssen aber 3 verschiedene sein (was der KI gelegentlich egal ist, was soll's...). Die Einheiten in der 2. Reihe können nicht angegriffen werden. Die Schlacht ist gewonnen, sobald alle Einheiten der 1. Reihe besiegt sind. Einheiten haben nun zudem verschiedenfarbige Aktionspunkte. Manche können ziehen und angreifen, andere können 2x ziehen oder 2x angreifen usw.
Die KI agiert leider selten wirklich klug oder fordernd (was auch mit an fehlenden, einstellbaren Schwierigkeitsgraden liegen mag). Einerseits scheint ihr friendly fire ziemlich egal zu sein. Andererseits ist /wirkt ihr Verhalten selten (strategisch) durchdacht. Es gibt Missionen, da muss man einen bestimmten Gegner töten, dann hat man die Mission gewonnen. Was macht die KI? Zieht genau mit dem Gegner direkt an die Front, wo der besagte Gegner nach 2-3 Zügen stirbt.
. Auf den Schlachtfeldern gibt es auch "Ereignis-felder", die eigene Einheiten boosten oder aber diesen Schaden. Und die KI rennt gerne mal durch die Felder, die den eigenen Einheiten schaden, ohne Rücksicht auf Verluste...
À propos Verluste: Die hatte ich meistens nur dann, wenn die KI in der Überzahl war (was sie häufig ist) und nicht etwa, weil sie sich besonders klug angestellt oder clever taktiert hätte...
Ebenfalls schade bei den Kämpfen: Man kämpft nur gegen feindliche Truppen der Menschen, Elfen, Dämonen oder Untote. Das heißt man kämpft im Prinzip immer gegen die gleichen (bekannten) Einheiten. Strategische (Einheiten)-Vielfalt sieht wahrlich anders aus. Auch schade: Einheiten kann man jetzt durch Geld & Ressourcen per Knopfdruck (auf)leveln. Sie verwandeln sich nicht mehr (bei genug gewonnenen XP) in eine nächsthöhere oder nächstbessere Einheit wie noch bei den Vorgängern. Das ist ein Feature, dessen Fehlen viele Leute bei Steam bemängelt haben - mir fehlt das auch.
Taktik: Der taktische Anspruch und die taktischen Möglichkeiten in den Kämpfen sind gering. Zwei Einheiten können eine generische Einheit flankieren und die Zange nehmen. Dann machen sie 20% mehr Schaden- aber nur im Nahkampf. Das war's. Es gibt keine Deckung, keine Höhenunterschiede, keine AO (Attack of Opportunity), keine Sneak-Attack oder Sonstiges was man aus Age of Wonders oder Heroes of Might and Magic kennt.
Der Multiplayer schließlich ist ein schlechter Scherz. Es gibt einen Arena-Modus, wo sich 2 Armeen gegenseitig (online) bekämpfen können. Das war's. Kein HotSeat. Kein Online-Coop (vs AI). Kein Random Map Generator. Keine Skirmish Maps. Eine ziemlich herbe Enttäuschung, hart an der Grenze zum Etikettenschwindel.
Fazit: Liberation hat mich im Solo-Modus wirklich gut unterhalten. Die Kampagne macht einfach Laune. Schon durch die unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten und Verläufe der Story lohnt sich ein zweites Durchspielen. Aber: Bei solchen Spielen lege ich eher weniger Wert auf die Kampagne denn auf die Skirmish-Maps und den Multiplayer. Und da versagt Liberation leider auf ganzer Linie. Dadurch fühlt sich Liberation leider "unfertig" an. Es hat einen wirklich guten Solo-Modus. Aber nachdem ich das Spiel durch hatte, hatte ich das Gefühl, dass da noch etwas fehlt. Ein Multiplayer-Modus wie in den Vorgängern oder aber Age of Wonders oder Heroes of Might and Magic.
Wer ein rundenbasiertes Fantasy-4x- Spiel sucht, mit einer guten Kampagne(nstory), dem kann ich guten Gewissens zu Liberation raten. Wer hingegen einen klassischen Nachfolger zu Disciples III (und II) sucht, der wird -wie ich hingegen eher enttäuscht sein.
Unentschlossenen oder denjenigen, die sich nicht sicher sind, sei die kostenlose Demo auf Steam empfohlen.