Da ich ja hier viel weiter oben schon von Bad Horse als Beispiel angeführt wurde, kann ich ja mal ein wenig zu dem Thema aus Sicht eines männlichen Spielers, der seit über 20 Jahren gefühlt zu 95% weibliche Charaktere spielt etwas zu diesem Thema sagen.
Wenn ich mich frage, warum ich überwiegend weibliche Charaktere spiele, ist die Antwort gar nicht so einfach. Im wesentlichen denke ich, dass jeder eine männliche und eine weibliche Seite in sich selbst hat, die unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Vielleicht ist die weibliche Seite in mir stärker ausgeprägt, als bei den meisten anderen Männern, jedenfalls bietet das Rollenspiel mir die Möglichkeit diesen Teil von mir auszuleben und ich fühle mich irgendwie wohler dabei weibliche Charaktere zu spielen als männliche.
Interessanterweise hat in all den Jahren mir nie einer meiner Mitspieler die Frage nach dem "warum" gestellt. Wirkliche Ablehnung, dass jemand sagt er will keine Crossgender-Charaktere habe ich nur ein oder zweimal erlebt. Ansonsten akzeptiert oder besser vielleicht noch toleriert die große Masse der männlichen Mitspieler zwar den Wechsel, aber wirklich darauf eingegangen wird kaum. Manchmal habe ich da eher das Gefühl eine Art "Neutrum" zu sein, was besonders auffällig wird, wenn auch weibliche Spieler mit weiblichen Charakteren in der Runde sind, die dann häufig anders behandelt werden.
Weibliche Mitspieler sind meinen Erfahrungen nach tendenziell aufgeschlossener gegenüber meinen weiblichen Charakteren. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass ich bei ihnen viel eher in einer weiblichen Rolle akzeptiert bin und darauf auch eingeganen wird. Auch die eher wenigen romantischen Beziehungen, die meine Charaktere haben und hatten waren in der überwiegenden Anzahl mit von Frauen gespielten Charakteren, wobei ich hier aber sagen muß, dass es dann meist NSC waren, die von Spielleiterinnen geführt wurden.
Rein prinzipiell ist es innerhalb des Rollenspiels ja völlig unproblematisch in eine Rolle zu schlüpfen, die sich vom Spieler deutlich unterscheidet. Niemand hat ein Problem damit, wenn der übergewichtige, unter Bewegungsmangel leidende Spieler einen Superathleten spielt. Niemand hat ein Problem beim Spielen eines Elfen oder Zwergen. Und genauso sollte rein "objektiv" auch niemand ein Problem damit haben, wenn jemand einen Charakter des anderen Geschlechts spielt, denn auch in diesem Fall schlüpft man nur in eine andere Rolle. Dennoch wirft gerade der Geschlechterwechsel Probleme und Kontroversen auf. Ich glaube nicht, dass es viel bringt jemanden, der sich unwohl damit fühlt, wenn jemand einen andersgeschlechtlichen Charakter spielt mit rationalen Argumenten zu überzeugen. Die Ursachen scheinen mir eher im Unterbewußtsein zu liegen, in dem das andere Geschlecht bei vielen ein Mysterium bleibt, das man nicht versteht.