Autor Thema: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?  (Gelesen 9537 mal)

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Ein

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Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« am: 15.01.2010 | 08:54 »
Wir diskuktieren gerade gegen im Shadowrun-Channel über die Verbindungen von Shadowrun und Earthdawn, die sehr intensiv waren.

Nun stelle ich mir die Frage, ob solche komplexen Settings eigentlich heutzutage noch 'in' sind oder ob das ein Ding der 90er war?

Die Komplexität des Shadowrun-Settings wurde bereits zweimal runtergeschraubt, einmal mit der Dritten Edition (Curse you, Mr. Mulvihill!) und dann noch einmal mit dem Quasireset der 4. Edition.

Aventurien steht auch sehr in dieser Tradition der komplexen Settings und erreicht da sicherlich mit deutscher Gründlichkeit den ersten Platz.

Und auch die oWoD war sehr gespickt von teils sehr obskuren Referenzen, sowohl zu realweltlichen als auch zu Ingame-Dingen, während mir das bei der nWoD weniger vorkommt (wobei ich die nur flüchtig kenne).

Anderes Beispiel D&D: Die Forgotten Realms wurden über 40 Jahre kontinuierlich weitergeführt, um dann mit dem Release von D&D4 so komplett resettet zu werden, dass man sie kaum widererkennt.

Also, wie seht ihr das? Liegt bei mir da nur eine verzerrte Sichtweise vor, weil ich mich heute weniger auf Kaufprodukte stütze, oder war das wirklich ein Trend?

Offline Der Oger (Im Exil)

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #1 am: 15.01.2010 | 09:06 »
Ich würde unterscheiden zwischen Echter und Scheinkomplexität. Bzw., den Detail - oder Texturgrad nicht mit Komplexität vermengen.
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Offline 1of3

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #2 am: 15.01.2010 | 09:10 »
Also teilweise hast du sicherlich recht, Ein. Bei den Spielen, die ihren Hintergrund ständig erweitern, kommt natürlich hinzu, dass sie viel umfangreicher sind als das ursprünglich mal geplant war.

Ein Punkt der da mit reinspielt könnte auch die Erwartung sein, dass Informationen besser aufbereitet werden. Ich hab mir z.B. grade mal Myranor ausgeliehen und bin schockiert, dass da keine Kartenausschnitte im Heft sind. Grade wenn man seitenweise über sich verändernde Grenzlinien spricht hätte ich damit gerechnet. Das ist nur ein Beispiel. Generell werden die Texte in Rollenspielprodukten heute eher graphisch aufbereitet, verschlagwortet etc.

Offline Xiam

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #3 am: 15.01.2010 | 09:12 »
Ich könnte mir vorstellen, dass die Rollenspiel Verlage vor dem grundsätzlichen Problem stehen, dass, je komplexer eine Hintergrundwelt ist, es für Neueinsteiger umso schwieriger ist, einen Draht zum SPiel zu finden. Gleichzeitig steigen immer mehr „Alte Hasen“, und damit langjährige Fans, die mit der Entwicklung der Hintergrundwelten mitgewachsen sind, langsam aber sicher aus dem Hobby aus.

Die Verlage müssen also, wenn sie weiter bestehen wollen, Neueinsteiger an das Hobby heranführen. Und das funktioniert wahrscheinlich nicht besonders gut, wenn man von den Neueinsteigern verlangt, sich erstmal eine sich über 20 Jahre kontinuierlich weiterentwickelte Hintergrundgeschichte der Spielwelt einzulesen. Es ist daher für mich naheliegend, dass die Verlage auf die Idee kommen, irgendwann tabula rasa zu machen.
Das ist philosophisch ungeklärt.

Ein

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #4 am: 15.01.2010 | 09:17 »
@1of3
Zitat
Ein Punkt der da mit reinspielt könnte auch die Erwartung sein, dass Informationen besser aufbereitet werden. [...] Generell werden die Texte in Rollenspielprodukten heute eher graphisch aufbereitet, verschlagwortet etc.
Klingt nach Generation MTV.

@Xiam
Zitat
Und das funktioniert wahrscheinlich nicht besonders gut, wenn man von den Neueinsteigern verlangt, sich erstmal eine sich über 20 Jahre kontinuierlich weiterentwickelte Hintergrundgeschichte der Spielwelt einzulesen.
Bei Shadowrun, jetzt mal als Beispiel, waren die ganzen Querverbindungen in Details versteckt. Damit wurden sie nicht notwendig zum Spielen, sondern waren eher Eastereggs, über die man dann und wann stollperte und merkte, dass das Setting einen starken inneren Zusammenhalt hat. Dadurch bekam das Setting auch eine gewisse Authentizität, weil sie die Struktur unserer Realwelt nachbaute.

Offline Der Oger (Im Exil)

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #5 am: 15.01.2010 | 09:21 »
Ich könnte mir vorstellen, dass die Rollenspiel Verlage vor dem grundsätzlichen Problem stehen, dass, je komplexer eine Hintergrundwelt ist, es für Neueinsteiger umso schwieriger ist, einen Draht zum SPiel zu finden. Gleichzeitig steigen immer mehr „Alte Hasen“, und damit langjährige Fans, die mit der Entwicklung der Hintergrundwelten mitgewachsen sind, langsam aber sicher aus dem Hobby aus.

Die Verlage müssen also, wenn sie weiter bestehen wollen, Neueinsteiger an das Hobby heranführen. Und das funktioniert wahrscheinlich nicht besonders gut, wenn man von den Neueinsteigern verlangt, sich erstmal eine sich über 20 Jahre kontinuierlich weiterentwickelte Hintergrundgeschichte der Spielwelt einzulesen. Es ist daher für mich naheliegend, dass die Verlage auf die Idee kommen, irgendwann tabula rasa zu machen.

Ich denke da anders. Tabula Rasa führt eher dazu, das man die Stammkundschaft vergräzt, siehe Vergessene Reiche.
Und für Neueinsteiger könnte vielleicht die Komplexität nicht nur abschreckend, sondern auch verlockend, und damit ein Verkaufsargument sein.
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Chiungalla

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #6 am: 15.01.2010 | 09:22 »
Ich denke der große Vorteil von wenig komplexen Settings ist halt, dass man sich schneller drin zurecht findet.

Die Forgotten-Realms zu Hochzeiten waren ja verdammt toll, aber wenn man da mit Nerds am Spieltisch saß, verstand man oft nur Bahnhof und die Hälfte der Zusammenhänge nicht.

Gleiches passierte mir in der Vergangenheit auch häufig bei Earthdawn, wenn ich Anfänger am Tisch hatte.
Das ist ja auch, wenn man möchte, ein hoch komplexes Setting, und gerade Anfänger hängt man da gerne mal ab.

Zumal heute die Leute mit denen ich spiele halt alle berufstätig sind, und wenig Freizeit haben, und sich kaum jemand die Zeit nimmt sich vollständig in einen Hintergrund einzulesen. Da ist die Komplexität dann kein Vorteil mehr, sondern eher eine Barriere, die es zu überwinden gilt, um voll am Spiel teilnehmen zu können.

Spielt man ein System über kurze Zeit mit wenig engagierten Spielern, dann ist Komplexität ein großer Nachteil.
Spielt man Systeme über 10 Jahre mit Hardcore-Nerds, dann kann sie sehr bereichernd sein.
Denke aber mittlerweile gibt es beim Rollenspiel eher etwas wie die "serielle Monogamie" im Beziehungsbereich, viele kurze Runden auf die häufig entweder ein System- oder Gruppenwechsel (oder beides folgt). Und dafür sind komplexe Systeme halt nicht das richtige.

Ich investiere gerade richtig massiv viel Arbeit um das komplexe Setting von Earthdawn über Handouts, Zusammenfassungen und Tagebücher für meine Gruppe wenigstens in Teilen leicht zugänglich zu machen. Weil ich Earthdawn einfach liebe. Aber ohne den Aufwand hat man oft das Problem, dass die Spieler sich in der komplexen Welt verloren fühlen, und man als SL fast alleine für die Atmosphäre sorgen muss. Zu mindestens meiner Erfahrung nach.
« Letzte Änderung: 15.01.2010 | 09:26 von Chiungalla »

Offline Xemides

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #7 am: 15.01.2010 | 09:32 »
Moin,

also ich bevorzuge komplexe Settings mit viel Details zu den Kulturen. In denen will ich auch über Jahre hinweg spielen und nicht nach einem 3/4 Jahr das Setting wechseln.

DSA hat mich lange Zeit eher abgeschreckt, weil ich Aventurien für langweilig hielt (Vor Borbarad), Midgard habe ich lange Zeit gespielt ohne mich für die mir zu erdnahe Welt zu interessieren.

Mein Favorit war immer Glorantha mit seiner Komplexität.



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Offline Xiam

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #8 am: 15.01.2010 | 09:37 »
Ich denke da anders. Tabula Rasa führt eher dazu, das man die Stammkundschaft vergräzt, siehe Vergessene Reiche.
Und genau da stellt sich eben die Frage, wie wichtig die alte Stammkundschaft für das Geschäft tatsächlich ist.

Mal ganz ehrlich, wieviel Geld hast du in den letzten Monaten in neue Rollenspielregelwerke bzw. Zusatzregelwerke investiert? Ich selbst habe im letzten Jahr - wenn es hoch kommt - vielleicht mal gerade so... 10 Euro im Rollenspielladen meines Vertrauens gelassen. Und was investiert ein Neueinsteiger in den ersten Monaten?

Der Großteil der "Alten Hasen" kauft mit der Zeit immer weniger, erstens, weil man massenhaft Material, mit dem man noch jahrelang spielen kann, im Regal stehen hat und zweitens, weil man auch - anders als vielleicht in jungen Jahren - nicht mehr jeden Hakenschlag einer Hintergrundwelt mitmachen muss/will. Mir persönlich fehlt auch aus beruflichen und privaten Gründen die Zeit, immer auf der Höhe der Entwicklung zu bleiben, also bin ich schon vor Jahren aus der aktuellen Entwicklung ausgestiegen und haben so gut wie nichts mehr nachgekauft.
« Letzte Änderung: 15.01.2010 | 09:39 von Xiam »
Das ist philosophisch ungeklärt.

Offline Zwart

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #9 am: 15.01.2010 | 09:59 »
Du unterschätzt den Sammeltrieb.
Ich habe im letzten Jahr für...weiß nicht...500€(??) Zeug gekauft.
Das allein ist schon mehr als ich je brauchen werde, geschweige denn bespielen kann (bei einigen bezweifle ich sogar das ich es lesen werde), aber gekauft habe ich es dennoch.
Sicher treibt das nicht jeder so wie ich, aber gerade bei den großen Systemen wird einfach alles auf gekauft. Die Stammspieler sind meiner Meinung nach einer der wichtigsten Kundengruppen. Deshalb gehen viele Setting ja so in die Breite und die Tiefe, weil die Leute immer mehr kaufen wenn sie einmal überzeugt sind.
Sogar bei Savage Worlds Hellfrost, einem System das sonst nur auf Regelwerk und einem Settingband besteht, scheint sich das herumgesprochen zu haben. So wird jetzt das Setting auf drei Bände aufgeteilt statt nur auf einen und ich könnte mir vorstellen das auch noch zu jedem Landstrich ein eigener Band kommt, genau wie es bei DSA im Moment ist. Da steckt einfach mehr und sicheres Geld drin.

EDIT: Deshalb werden komplexe Setting auch immer "in" bleiben, denn sie werden von den Verlagen forciert. Um da mal einen Bogen zum Thema zurück zu schlagen. ;)
« Letzte Änderung: 15.01.2010 | 10:03 von Zwart »

Ein

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #10 am: 15.01.2010 | 10:02 »
Sicherlich richtig, aber bitte zurück zum Thema.

Zwart, mich würde deine Einschätzung als Vielkäufer interessieren: Sind Settings heutzutage weniger komplex, also vor allem im Sinne von Referenzen und verteilten Informationshäppchen?

Offline Zornhau

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #11 am: 15.01.2010 | 10:05 »
Glorantha ist ja DAS Paradebeispiel für eine zwar seit Jahrzehnten in Breite und Tiefe fortgeschriebene Spielwelt, aber auch für eine, die nahezu UNZUGÄNGLICH ist, wenn man nicht wirklich VIEL Zeit in Vorbereitung (und VIEL Geld in den Erwerb der Publikationen mit den zugehörigen Informationen) stecken möchte.

Glorantha ist in "Häppchen" für unterschiedliche Regelsysteme, in unterschiedlichen Verlagen, in unterschiedlicher Darstellungsweise präsentiert worden, wobei ein "Big Picture" zwar mit dem Glorantha-Band für HeroWars existiert, welches aber VIEL ZU GROB für das konkrete Spielen ist, während z.B. der aktuelle Sartar-Band nur genau EINE Region herauspickt, dafür aber ALLE NACHBARREGIONEN nahezu ignoriert, was das Spielen in der Sartar-Region auch wiederum erst möglich macht, wenn die Nachbarregionen, die ja Sartar in weiten Teilen unter Besatzungsrecht halten, beschrieben sind.

Wie man es dreht und wendet: Wer nicht schon seit Anfang der 80er bei Glorantha "am Ball" geblieben ist, dem nutzen aktuelle Produkte zu dieser - wie ich finde SEHR faszinierenden Spielwelt - einfach nichts.

Man bekommt als EINSTEIGER in dieses Setting  so gut wie KEINE Unterstützung.

Als Spielleiter sitzt man vor einem zu knappen Buch oder vor einem BERG an uralten, alten, neueren, und neuesten Publikationen, und weiß nicht, wo anfangen.

Und wie man solch ein Setting den SPIELERN erschließen kann, die ja in das Setting passende Charaktere erschaffen und spielen wollen, ist auch noch offen (hier versucht der neue Sartar-Band wenigstens einen zugänglicheren Ansatz zu bieten, als dies die HQ/HW-Bände zuvor taten).



Auch andere Settings sind schwer zugänglich. - Man darf nicht vergessen, daß bei aller Freude sich als "Weltenschöpfer" auszutoben, für ein Rollenspielsetting die WESENTLICHE Anforderung ist, daß dieses auch IM SPIEL Verwendung finden soll.

Dazu müssen die Spieler ihre Charaktere bauen können und der Spielleiter den Spielern die Welt spielen können.

Und hier tut man sich mit Settings, die nur einen SPIELBAREN TEIL der Welt mit der sofortigen spielerischen Einstiegsmöglichkeit darbieten, einfach leichter. - Das Setting kann dann später immer noch "wachsen", aber man sollte eben GLEICH darin spielen können, nicht erst nach einem Studium von mehreren Semestern Aventuristik oder Gloranthagraphie.

Ein

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #12 am: 15.01.2010 | 10:07 »
Stimmt, Glorantha ist echt eine harte Nuss. Ich habe es immer wieder mal probiert einen Einstieg zu finden, aber es verhält sich genau, wie du es beschreibst, Zornhau.

Offline Boba Fett

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #13 am: 15.01.2010 | 10:07 »
Tendenziell denke ich, geht der Weg in Richtung "keep ist simple", weil die alten Rollenspieler durch Einbindung in Beruf und Familie schlicht weniger Zeit für das "sich mit Rollenspiel beschäftigen" haben, und die "neuen Rollenspieler" durch "in WoW brauch ich auch keine langen Leseorgien" verwöhnt sind.
Die Bereitschaft zur Einarbeit in komplexere Settings schwindet.

Außerdem kommt ja auch wenig neues, dass wirklich innovativ und komplex ist.
Die wenigen Ideen für Settings, wo es mal "erfrischen anders" ist, haben meistens nicht genug Ausdauer-Potential, um wirklich Komplexität zu entwickeln. Insbesondere, wo der Trend zu One-Shots und Mini-Kampagnen geht.
Wozu einen dichten Hintergrund ausarbeiten, wenn die Welt nach 10 Abenteuern wieder wechselt?
Selbst WotC wechselt die "main" Settings. D&D 3.0 hatte Greyhawk und Forgotten Realms. Bei 3.5 war es dann FR & Eberron, D&D 4 soll jetzt dieses Jahr wieder Dark Sun bekommen (auch wenn die alten Settings noch Campaignsets bekommen, der full-support geht immer auf etwas anderes)...

Dann kommt noch dazu, dass wir heute eine viel größere Auswahl besitzen, sich also die Spieler auf viel mehr Settings aufteilen.
Die meisten alten "dichten" Settings sind in ihrer Komplexität historisch gewachsen. Weniger Spieler impliziert auch "weniger Bedarf an Inhalt" bzw. weniger Potential für Quellenbücher.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Waldgeist

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #14 am: 15.01.2010 | 10:11 »
Ich erlebe gerade mit Paizos Golarion (das Pathfinder-Setting), wie sich immer dichter werdende Details auf Companions, Chronicles, Modules und Adventure Paths verteilen. Wer da nicht am Ball bleibt, wird sicherlich auf kurz oder lang den Überblick verlieren. Also so gesehen, sind "komplexe" Settings immer noch in.
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Offline Der Oger (Im Exil)

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #15 am: 15.01.2010 | 10:18 »
Mal ganz ehrlich, wieviel Geld hast du in den letzten Monaten in neue Rollenspielregelwerke bzw. Zusatzregelwerke investiert? Ich selbst habe im letzten Jahr - wenn es hoch kommt - vielleicht mal gerade so... 10 Euro im Rollenspielladen meines Vertrauens gelassen. Und was investiert ein Neueinsteiger in den ersten Monaten?

Ja, ich gebe deutlich weniger Geld aus als in früheren Jahren, was aber auch daran liegt, das vieles, was heute in den Läden liegt, mich nicht mehr zu packen weiß, sowohl vom inhaltlichen als auch vom ästhetischen. Das meiste, was ich sehe, ist GROTTENSCHLECHT.

Wobei das immer noch nichts mit Komplexität zu tun hat. Nochmal: Detailgrad der Textur ungleich Komplexität.

Und bevor ein anderer auf den Bolzen kommt: Feinkörnige Spielmechaniken und Unmengen von Charakterbauoptionen ungleich Komplexität.

Komplexität ist für mich Reichhaltigkeit -  an echten Entscheidungsmöglichkeiten, harten Fakten, verborgenen Geheimnissen, ablaufenden Entwicklungen, undsoweiter.

Ein Setting, das mich ansprechen soll, muss überquellen von diesen Dingen, und zwar so sehr, das ich auch beim dritten oder zehnten Mal noch nicht tatsächlich alle erfasst habe. Und nicht nur eine romantische Landschaftsstudie oder ein aus Kitsch und Klischees zusammengeklatschtes NDE - Setting ist.

Ein Regelwerk, das mich ansprechen soll, braucht dies nicht unbedingt, es braucht stattdessen WERKZEUGE, die meiner Inspiration Flügel verleihen - wie zuletzt Traveller, MechWarrior II (wohingegen ich Version III ab jetzt auf ewiglich ignorieren werde), AD&D, Mutant Future, Mazes & Minotaurs. Es muss die berühmte "Magic - in - a - Bottle" sein. Es muss mir ermöglichen und erleichtern, für meine Kampagnen meine eigene Komplexität zu erstellen.

Die Vergessenen Reiche unter 4E sind NICHT komplex. Sie wirken wie die Reisebeschreibungen eines Demenzkranken auf Steroiden. Sie sind inhaltlich leer, lieblos, und haben keine inspirative Kraft, man vergleiche es einmal mit "Abenteuer aus den Vergessenen Reichen" aus 2E und dem Kampagnenband der 3E, wo man mit Leichtigkeit komplexe Kampagnen draus hat erstellen können.

Ein weiteres Beispiel für gelungene, wahre Komplexität für ein Setting: Die alten BattleTech - Hausbücher, einen Schatz darf sie nennen, wer sie besitzt. (zum Vergleich: Die Field Manuals waren grottig, die Neuen schaffen es immerhin auf ein "befriedigend").

Wobei diese Dinge natürlich auch nur dann komplex sind, wenn SL und Spieler dies zulassen.
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Ein

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #16 am: 15.01.2010 | 10:23 »
Das stimmt sicherlich soweit, aber ich möchte noch einmal darum bitten beim Thema zu bleiben. Es geht um Komplexität der Settings by-the-book und nicht im Sinne einer Inspiration zur Komplexität im Actual Play.

Offline der.hobbit

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #17 am: 15.01.2010 | 10:26 »
Ich bemerke diese Entwicklung auch, allerdings ist es bei mir einfach die Zeit - hatte man zu Schüler und Studenten Tagen noch die Möglichkeit, sich in ein Setting wirklich hinein zu arbeiten, ist es heute eben nicht mehr möglich, und ich bin froh, wenn ich nicht stundenlanges Hintergrundsstudium betreiben muss, bevor es zur Sache geht.

Dass die MTV Generation nicht mehr dazu in der Lage sei, sich in komplexe Hintergründe einzuarbeiten glaube ich eigentlich nicht. Es gab immer die Idioten mit einer Aufmerksamkeitspanne von 10 Sekunden, die mit einem Grunzer "Titten" und gutturalem Lachen glücklich sind, und solche, die sich völlig in etwas hinein knien. Damals wie heute. Der Untergang des Abendlands wird schon zu lange propagiert.

Vielleicht ist es auch so, dass ein Hintergrund wachsen muss, um Tiefe und Komplexität zu bekommen. Nun kamen gerade zahlreiche neue Versionen heraus (DSA 4 schon etwas her, nWoD, SR4, D&D4 ...) und diese brauchen einige Zeit, bis sie wieder zu alter Größe und Komplexität angewachsen sind, um dann wieder zurecht gestutzt zu werden.
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Offline Zwart

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #18 am: 15.01.2010 | 10:28 »
Zitat von: Ein
Zwart, mich würde deine Einschätzung als Vielkäufer interessieren: Sind Settings heutzutage weniger komplex, also vor allem im Sinne von Referenzen und verteilten Informationshäppchen?
Ich kann da eigentlich nur für DSA sprechen und das wird immer noch ausgebaut.
Sehen wir uns mal an was bis zum Ende der vierten Edition vorhanden sein wird.

- 15 (grüne) Regionalbände die den gesamten Kontinent auf etwa 1800 Seiten beschreiben.
- 7 (rote) Regelbände, mit etwa 1500 Seiten. Wobei auch da noch etwa ein Drittel Hintergrundbeschreibung und ein Buch für SL-Tipps drin steckt und man nicht alle Regeln immer braucht. Ich finde das OK, aber darüber kann man ja bekanntlich geteilter Meinung sein. ;)
- min. 7 (blaue) Mischbände, die noch einmal verschiedene Themen behandeln. Darunter das Meer, den Handel, Dungeons, die Magierakademien Aventuriens, Abenteuer in Städten und wichtige NSC.
- min. 3 intime Bände (wenn sich die Gebetsbücher gut verkaufen auch mehr). Sie sind aufgemacht wie ein Intime-Buch, mit Sepia Filter und jede Mege Flufftext und behandeln Dämonen, Tiere und Gebete bzw. Religion.
- min. zwei Bände/Boxen die historische Epochen behandeln. Zum einen die Kaiser Hal Zeit, die von vielen Alt-Spieler als "die gute alte Zeit" wahrgenommen wird und zum anderen eine Box zu den Dunklen Zeiten Aventuriens

und das alles ohne die Abenteuer zu nennen, in denen man teilweise auch Hintergrundinformationen finden kann und von denen auch fast jeden Monat eines erscheint.

Das ist alles richtet sich nur bedingt an Neueinsteiger denke ich mir. Ich vermute also das für DSA Altspieler und Sammler eine wichtige Kundengruppe sind.

EDIT: Hach...schon wieder das Thema vergessen.  ;D Also äh...ja, was DSA angeht kann es gar nicht komplex genug sein und ist damit wohl "in". :)
« Letzte Änderung: 15.01.2010 | 10:40 von Zwart »

Offline Der Oger (Im Exil)

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #19 am: 15.01.2010 | 10:37 »
Das stimmt sicherlich soweit, aber ich möchte noch einmal darum bitten beim Thema zu bleiben. Es geht um Komplexität der Settings by-the-book und nicht im Sinne einer Inspiration zur Komplexität im Actual Play.

Naja, aber bei manchen Systemen entsteht das Setting und die Komplexität erst, in dem man es verwendet (z.B Traveller, mit freundlichen Gruß an Oliof), während andere Systeme dies eher behindern - es ist also nicht klar zu trennen.

Ich bemerke diese Entwicklung auch, allerdings ist es bei mir einfach die Zeit - hatte man zu Schüler und Studenten Tagen noch die Möglichkeit, sich in ein Setting wirklich hinein zu arbeiten, ist es heute eben nicht mehr möglich, und ich bin froh, wenn ich nicht stundenlanges Hintergrundsstudium betreiben muss, bevor es zur Sache geht.

Dass die MTV Generation nicht mehr dazu in der Lage sei, sich in komplexe Hintergründe einzuarbeiten glaube ich eigentlich nicht. Es gab immer die Idioten mit einer Aufmerksamkeitspanne von 10 Sekunden, die mit einem Grunzer "Titten" und gutturalem Lachen glücklich sind, und solche, die sich völlig in etwas hinein knien. Damals wie heute. Der Untergang des Abendlands wird schon zu lange propagiert.

Vielleicht ist es auch so, dass ein Hintergrund wachsen muss, um Tiefe und Komplexität zu bekommen. Nun kamen gerade zahlreiche neue Versionen heraus (DSA 4 schon etwas her, nWoD, SR4, D&D4 ...) und diese brauchen einige Zeit, bis sie wieder zu alter Größe und Komplexität angewachsen sind, um dann wieder zurecht gestutzt zu werden.

Ich befürchte, Komplexität wurde schon vor langer Zeit (sagen wir, Ende der neunziger?) auf dem Altar verschiedener Götzen geopfert. Es ist halt einfacher, etwas schick und kewl aussehen zu lassen, als tatsächlich Reichhaltigkeit zu liefern. Den pretenziösen Erzählspielern kam das natürlich auch entgegen. -
 
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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #20 am: 15.01.2010 | 10:41 »
@Zornhau:

Das Problem bei Glorantha ist nicht die Menge der Information, sondern die Aufbereitung. Wenn man die Information - sicherlich auf 2/3 kondensiert - regelmäßig gesammelt herausbrächte wie es z.B. DSA mit den Regionalspielhilfen macht, bestünde ein besseres Bild über Glorantha als es bisher vorhanden ist.

Noch dazu, wo jede Menge der Infos ja Fanmetrial ist und damit nur halboffiziell ist, selbst vnon den AH Sachen wie Sun County.

Ich gebe jeden Monat ja 50 - 100 Euro für Rollenspiele aus und bemühe m ich auch, das zu lesen. Allerdings verteilt auf die Systeme, die ich aktuell leite oder aus Interesse sammle.

@Boba: Also in meinem Freundeskreis ist kein Trend zu One Shots oder kurzen Kampagnen zu entdecken. Wir spielen über Jahre in einem Setting, auch mit den selben Charakteren. Ich fände es fürchterlich, alle 10 Monate das Setting, System und Charaktere wechseln zu müssen. Da würde mir die Motivation, mich mit dem Charakter zu beschäftigen völlig abhanden kommen.

Trotz Beruf und Ehefrau (die zugegebenermassen selber spielt) nehme ich mir gerne die Zeit, mich mit Settinginformationen zu beschäftigen.

Für mich ist Rollenspiel auch mehr als das Erleben von Abenteuern und heldenhafte Kämpfe. Für mich ist es zum großen Teil auch Kultursimulation. Ich will da in die fremde Welt abtauchen, die Welt erleben. Da gehört ein intensives Studium der Quellenbände einfach hinzu.







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Offline Yvo

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #21 am: 15.01.2010 | 10:59 »
Ich denke, dass liegt nicht am Trend, sondern einfach am ALTER (und wieviele Spieler es hat)...

5 Jahre nach erscheinen hatte weder DSA noch Shadowrun eine sonderlich komplexe, detaillierte Spielwelt. Es ist nur verständlich, dass Rollenspiele, die vor 5 Jahren rauskamen und wahrscheinlich auch weniger Spieler haben, nicht so komplex sind, wie Aventurien nach 25 Jahren...

Ich denke schon, dass fast alle Rollenspielverläge einen "Regionalband" oder so rausbringen würden, wenn es einen Markt dafür gäbe...
Aber das braucht Zeit und vor allem müsste das Rollenspiel ein HIT werden...

Ich sehe derzeit kein "aktuelles" Rollenspiel (sagen wir mal ab 2000), das an die Popularität von DSA, D&D oder Shadowrun rankommen könnte und in zehn Jahren bekannter wäre als diese...
(Ähnlich wie ich keine Sci-Fi-Welt sehe, die eine größere Fanbase als Star Wars oder Star Trek bekommen könnte...)

Die aktuellen Settings sind ja nicht schlechter, aber vielleicht gibt es auch ein "Überangebot"... ...früher saßen 100 Leute an DSA, heute sitzen 100 Leute an 20 verschiedenen Rollenspielen/Settings. Das da die gleiche Komplexität nicht erreicht werden kann, ist verständlich...

Ich glaube nicht, dass es da um "in" oder "out" geht...
Butt-Kicker  100%, Storyteller 83%, Method Actor 75%, Specialist 75%, Tactician 67%, Power Gamer 50%, Casual Gamer 33%...

Ein

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #22 am: 15.01.2010 | 11:10 »
Bezüglich der 5 Jahre stimmt das bei Shadowrun z.B. nicht. Nach 5 Jahren war die Crossover-Entwicklung bereits auf ihrem Höhepunkt, während die Anfänge, z.B. Harlekin oder Flaschendämon, bereits 1990, also ein Jahr nach der Erscheinung der 1. Edition veröffentlicht wurden.

Hier sieht man denke ich auch einen sehr wichtigen Unterschied zwischen einem Setting, welches bewusst mit Tiefe erdachte wurde (SR/ED, WoD), und solchen, die einfach über die Jahre hinweg gewachsen sind (Forgotten Realms, Aventurien, Glorantha).

Offline der.hobbit

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Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #23 am: 15.01.2010 | 11:17 »
Aber sind die tiefen Settings wirklich so durchdacht gewesen? Von Anfang an? Ich vermute mal stark, dass das auch einige coole Ideen waren, die einen Hintergrund angedeutet haben, der dann seinerseits wieder eine Eigendynamik entwickelte. ich unterstelle einfach mal, dass da die Autoren einfach bewusst oder unbewusst mehr Hooks ausgestreut haben, die sie später aufgreifen konnten, aber dass sie keineswegs von Anfang an tiefgängig geplant hätten.
Forenrollenspiel? FFOR!
Superhelden? FFOR!

Ein

  • Gast
Re: Komplexe Settings -- nicht mehr 'in'?
« Antwort #24 am: 15.01.2010 | 11:21 »
Sicherlich, aber bereits dieses Einstreuen von Hooks stellt ja schon eine ganz andere Herangehensweise dar, als das gerade anfangs planlose Wachsen z.B. eines Aventurien.

Sprich in dem einen Fall wurden schon vornherein die Anknüpfungpunkte für Zusammenhänge aus der Autorenperspektive gelegt, während in dem anderen Fall sich die Zusammenhänge einfach im Spiel der Redaktionsrunde(n) ergab.