Wir haben uns vorgestern endlich
Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm angegeschaut. Im Nachgang bleibt der immer noch sehenswert und übertrifft deutlich meine - durch die larmoyante Feuilleton-Kritik etwas geschwächte - Erwartung! Lars Eidinger überzeugte mich als vordergründig arroganten Intellektuellen, der doch jede aburteilende Bemerkung mit einem verschmitzen Lächelen kommentiert, gerade so als wäre er sich bewußt, was er wieder für eine Zitat für die Nachwelt geliefert hat*
Die surreale Vermischung des Films, wie er in Brechts Kopf entsteht während er in der Wirklichkeit zum einen mit dem Korsett des Filmverleihs zu kämpfen hat sowie dem Widerwillen, sich dem stumpfen Anbiedern an das Filmpublikum zu Beugen und zum Anderen mit den ersten Auswüchse des Nationalsozialismus konfrontiert wird, finde ich ebenso wunderschön wie passend filmisch umgesetzt. Die musikalische Umsetzung mit der Stimme von Max Raabe tut ihr Übriges. Allein das Ballet unter der Brücke zu
Wovon Lebt Der Mensch hat mir als Quasi-Auftakt Gänsehaut beschert.
Fazit: 5 von 5 zerkauten ZigarrenWer auch nur das leiseste bißchen mit der Musik der Dreigroschenoper etwas anfangen kann, sollte die Gelegenheit nutzen - und sich vorher keine Kritiken durchlesen!
Denn das ist die zweite Seite des Films: Dass das deutsche Feuilletonisten, die schon mit La La Land überfordert waren hier wieder ihre Betroffenheitskarte spielen müssen und dem Film ernsthaft attestieren, er würde den Rahmen der NS-Zeit zu sehr ignorieren (!) zeigt, was im deutschen Film nach wie vor immer wieder schief läuft:
- wie genau diese Leute Gefangene einer Pflicht-Erwartungshaltung werden, die sich sich aufgedrückt haben, um "dazu zu gehören"
- wieso ein deutscher Film, der sich traut, auch nur einen Funken deutsche Geschichte mit so etwas wie Leichtigkeit und Verträumtheit darzustellen, mehr Haltung braucht als jene, die den Kritikern gefallen wollen
- dass genau diese Anspruchshaltung wirklich neue Ideen, mutige Drehbücher und frische RegiseurInnen mit Nachdruck verhindert
Ich vermag nicht urteilen, wie Brecht den Film gefunden hätte (viele der Kritiker sind sich dazu ja nicht zu blöde...) - aber ich vermute, die Reaktionen hätte er sicher amüsant gefunden und seine Meinung von Dem Film als Solches bestätigt.
Zum Glück ist aber ein Umbruch zu bemerken: Serien wie Ku'Dam 56 und Babylon Berlin zeigen ja, dass "wir" doch noch was Anderes können. Bleibt zu hoffen, dass sich das auch immer mehr in den Filmbereich durchschlägt, solange dieser noch einigermaßen relevant ist...
PS: Als Trailer gab es u.A. irgendeinen Deutsche-Geschichte-Film, der zu Beginn ganz interessant aussah. Aber schon nach 15 Sekunden mussten natürlich die Hakenkreuze auftauchen, was bei mir schon zu einem reflexhaften "Och nö - nicht schon wieder" führte... Mir kommt es immer so vor, als würde der Regisseur wie ein Junge in der ersten Reihe schnipsend nach dem Oscar rufen "Hier, hier, ich ich!"
Er zitiert ja auch "nur": Alles, was Brecht im Film spricht entstammt überlieferten Zitaten. Weiß man das, so fühlen sich die ersten 10 Minuten doch ein wenig hölzern/gesteltzt an, später bietet sich der Eindruck, dass Brecht möglicherweise wirklich so verkopft-verschroben gewesen sein könnte.