Ich habe mir vor einigen Tagen Systemsprenger mit meiner Freundin angesehen. In aller Kürze: ein großartiger, sehr intensiver Film!
Nun arbeite ich in der Drogen- und Suchthilfe und damit selbst in einem Hilfesystem. Obwohl ich aus vielen Gründen die Jugendhilfe eher meide (und der Film berührt einige davon), kommt man im Studium kaum an einer Beschäftigung mit diesem Hilfesystem vorbei und einige Themen, die der Film aufgreift, sollte jede*r Sozialarbeiter*in in der ein oder anderen Form kennen.
Besonders tragisch ist hier natürlich die Hauptfigur Benni, für die sich der Film sehr viel Zeit nimmt. Handwerklich ist hier sehr schön, dass sich der Film vorbildlich an show don't tell hält und Bennis verzweifeltes Ringen um Zuneigung, ihre Bindungsstörung und Traumata sehr viel aus den Bildern heraus aufbaut. Einfach nur dieses Mädchen zu beobachten, das in seinen besten Momenten ein ganz wunderbarer Mensch ist und in seinen schlechtesten der größte Kotzbrocken, den man am liebsten vor die Wand hauen würde, ist schon unheimlich aufwühlend. Dabei bekommt man als Zuschauer aber ein sehr gutes Gefühl dafür, warum ihre schlechten und guten Momente so sind.
Aber besonders intensiv wurde es für mich erst im Zusammenspiel mit der Figur des Erlebnispädagogen Micha. Während die übrigen Sozialarbeiter*innen eher blass bleiben und eigentlich nur bestimmte Eigenschaften der Jugendhilfe bzw der Sozialen Arbeit im allgemeinen verkörpern, nimmt sich der Film auch für Micha und seine Einführung Zeit. In seinem Ringen um den richtigen professionellen Umgang mit Benni werde wohl nicht nur ich mich wiedererkannt haben.
Insgesamt habe ich nur wenig zu mäkeln gefunden. Der Film gleitet an keiner Stelle in simple Feel-Good-Tropes ab und verweigert dem Publikum sowohl einen durchschlagenden Erfolg als auch ein Happy End. Lediglich Teilerfolge werden den Figuren zugestanden, die aber durch Rückschläge fast immer zu nichte gemacht werden und nur Ausblick darauf geben, was Benni benötigt und strukturbedingt nicht vom Hilfesystem erhalten kann.
Also noch einmal: ich bin begeistert und empfehle den Film uneingeschränkt.