Der Mauretanier ist ein Courtroom-Politthriller. Und damit ist eigentlich alles gesagt. Es ist einer dieser Filme, bei dem man im Nachklapp, wenn die weiße Schrift auf schwarzem Grund uns erzählt, wie die ganze Sache für die Beteiligten dann
eigentlich ausgegangen ist, zu sich selbst sagt: "War schon gut." Ohne dem Film gleich einen Platz in irgendeiner Hall-of-Fame einräumen zu wollen.
Politthriller halt.
Die sind wie Pizza: Sogar die schlechtesten sind noch ganz gut. Für gewöhnlich. Wie alle Politthriller werde ich den Film trotz seiner magenumdrehenden, wahren Geschichte übermorgen schon wieder vergessen haben. Die großen Hollywood-Namen im Film (Jodie Foster, Benedict Cumberbatch) spielen ihre Rollen, aber ob das jetzt gut oder schlecht gelang, geht in den Faktenbombardements und den rechtlichen Winkelzügen unter, um die der Film sich dreht. Die Kamera, die Ausstattung, der Schnitt - alles davon Industriestandard, keine Experimente, keine kreative Innovationskraft, gutes Handwerkszeug, kein Pfusch am Aufbau.
Politthriller eben.
Promising Young Woman war der Film, von dem ich gehofft hätte, er wäre
Last Night in Soho gewesen. In beiden Filmen geht es im weitesten Sinne um die Rache an übergriffigen Männern, was "Last Night in Soho" aber in Richtung "Crazy Woman Bad" entwickelt, während "Promising Young Woman" das Thema mit soviel mehr Verstand und Charme ausdifferenziert. Carey Mulligan ist mir vor allem in ihren Rollen als verhuschte Unschuld bekannt (etwa in "The Great Gatsby" oder "Drive"), aber hier spielt sie eine schmerzhaft direkte Einzelkämpferin, eine No-Bullshit-Frau, die sämtliche Skrupel abgelegt hat... wie es sich für einen guten Rachefilm gehört.
Die allerletzte Szene fand ich ein wenig zu konstruiert, aber alles, was davor kommt, inklusive der direkt vorangegangenen Szenen, erzählt das Los von Frauen, die Übergriffen ausgesetzt sind, eigentlich sehr gut und reflektiert das auch in der Struktur des Films: Wer kommt wann wie oft vor und wie sehr fällt der Zuschauer auf bestimmte Figuren herein – das sind Kernfragen. Ja, ich glaube den Film kann ich empfehlen.
Luca ist mein schwuler Film des Jahres.
Ich habe in den letzten Jahren Pixar zunehmend skeptisch betrachtet, vor allem, weil ich viele ihrer Filme nachgeholt und festgestellt habe, dass die doch eher enttäuschen, hauptsächlich in der zweiten Hälfte: Bei "WALL-E" und "Oben" ist eigentlich nur der Anfang toll, "Finding Dory" gewinnt auch nicht den Drehbuchpreis, "Onward" und "Toy Story 4" verweigere ich mich aktuell noch, "Soul" hatte eine tolle Message, die in einer mäandernden Umsetzung untergeht... der Film ist überall und nirgends und alles zugleich.
Aber, dann wenn ich es nicht erwarte, dann überrascht mich Pixar doch. "Alles steht Kopf" z.B. habe ich zufällig in der Sneak gesehen und war vom Trailer schon wenig angetan gewesen... ich dachte die Prämisse trägt vielleicht für einen Kurzfilm... aber siehe da, der war richtig, richtig Klasse!
Und mit "Luca" ist mir dasselbe passiert. Ich meine, zwei Jungs am Strand in Bella Italia... was wird das schon sein? Naja, es war Einiges: Ein herzensguter, leuchtend eingefärbter Sommerfilm, der viel Spaß macht und gleichzeitig seine Message – Akzeptanz homosexueller Gefühle im Teenage- und Kinderalter durch die Erwachsenen – super rüberbringt: Alberto schwärmt für Luca und das Ganze kumuliert in einer Zugfahrtszene, wie man sie sonst in alten Liebesfilmen kennt. Der Film erinnert in dieser speziellen Hinsicht natürlich dann ein wenig an "Call Me By Your Name", aber das liegt wohl primär an Italien. Woran er jedoch
absichtlich erinnert, sind ältere Filme von Studio Ghibli, allen voran "Porco Rosso" (vs. "Porto Rosso", die fiktive Stadt, in der "Luca" spielt). Aber es bleibt nicht beim Namecalling: Auch in der Animation zeigen sich die Ghibli-Einflüsse. Giulias Papa hätte sicherlich größere Augen und sein Bart wäre eher gerundet als kantig, aber sonst ist er ein bäriger Ghibli-Mann, wie er in "Das Schloss im Himmel" im Dutzend herummarschiert ist. Und dann noch der Detailreichtum bei zwei Dingen, die auch in Ghibli-Filmen stets mit höchster, geradezu fantastisch-realistischer Präzision dargestellt werden: Motorisierte Gefährte und das Abendessen.
Abzüge kriegt "Luca" bei mir nur in der B-Note – das ist in der
Bösewicht-Note. Pixar tut sich schwer mit gutkonstruierten Bösewichten... da kriegt der große Bruder Disney erinnerungswürdigere Schurken hin, aber die Zeit des "coolen Bösen" ist auch beim Mauskonzern inzwischen vorbei. Der Schulhofbully mit dem Vespa-Tick bei "Luca" fällt jedenfalls nicht durch besondere Einprägsamkeit auf. Ich hätte ihn wahrscheinlich ganz rausgenommen und viel stärker eine "(Mer)man vs. society"-Story draus gemacht... dafür trägt der Stoff auch besser. Aber jeder Pixar-Film braucht scheinbar eine turbulente Verfolgungsjagd.
Das ist aber auch wieder Meckern auf hohem Niveau: "Luca" war wirklich schön!
Nur eines noch, wenn ihr den Film mit euren Kindern schaut, sollten sie vielleicht nicht zu klein sein, denn: Onkel Ugo ist wirklich unheimlich. Also
wirklich unheimlich. Ich fand den unangenehm. Und die Post-Credit-Szene mit ihm ist quasi der totale Creep-Overkill. Ich habe euch gewarnt.