Also ich fiebere gerade den Oscars entgegen, weil ich mich auf die Verleihung des
Besten Animationslangfilms freue. Ich hatte am Wochenende die Gelegenheit 4 von 5 Nominierten zu sehen ("Mirai" von Mamoru Hosoda gibt es einfach nirgendwo zu kaufen oder leihen... vielleicht hat ja wer einen heißen Tipp für mich, wo ich den beziehen kann).
Anyhow, ich freue mich deshalb so sehr, weil die Academy weder dem Disney-, noch den Pixar-Beitrag in diesem Jahr den Oscar geben kann, ohne sich lächerlich zu machen (was nicht bedeutet, dass es nicht geschieht, aber in diesem Jahr sind die Voraussetzungen für die anderen drei Filme besonders günstig).
Chaos im Netz war quasi eine Zumutung. Der Film hat eine ungeheuer schlechte Struktur. Es beginnt mit einer MacGuffin-Jagd, wo im Stakkato munter die Set-Pieces durchgetauscht werden. Dann wird im 2. Akt noch schnell ein innerer Konflikt der Protagonistin (geht in dem Film mehr um Vanellope als um Ralph) herbeikonstruiert, der dann am Ende in einem ganz typischen Muster aufgelöst wird: "Es tut mir leid!" "Nein, mir tut es leid!" "Nein, ich werde deinem Traum nicht im Weg stehen..." Ist nicht so, dass ich solche Muster nicht mögen würde (ich mag ja auch Disney-Filme), aber hier war es echt ein wenig platt.
Hinzu kommt, dass dieser Film an dieser Art toxischer Referenzialität leidet, die ich schon bei "Ready Player One" schwer erträglich fand: Überall schwirrt Zeugs in diesem Film rum, was ihn nicht weiterbringt, sondern nur da ist, damit der Zuschauer sich denkt "Ah, guck mal, das erkenne ich wieder." Die Szene Vanellopes mit den Disney-Prinzessinen mochte ich dabei sogar ziemlich gerne, die hat einen guten Humor, tut aber auf so eklatante Weise nichts für die Handlung, dass sie besser als Promo-Kurzfilm für den Film funktioniert hätte (dass Disney dabei gar nicht anders kann, als seine eigenen alten Märchenfilme bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu dekonstruieren und, ja, zu verarschen, ist dabei ein Wehmutstropfen).
Und lustig war er auch nicht wirklich (das Beste an diesem Film sind tatsächlich die beiden After-Credits-Szenen)... und das hat nichts damit zu tun, dass ich jetzt irgendwie ein kaltschnäuziger Erwachsener mit Zwiebelvisage wäre oder so: Ich saß in einem Saal voller Kinder im Alter 6-12. Gelacht wurde da nur, wenn jemand sich auf die Nase gelegt hat. Und das ist sehr, sehr selten passiert.
Also, kein auch nur ansatzweise würdiger Nachfolger für den sehr gut durchgetakteten, ersten Teil.
Die Unglaublichen 2 hat ein bisschen dasselbe Problem, wie
Chaos im Netz: Der Konflikt, der im ersten Teil gelöst wurde, ist plötzlich wieder Thema (bei
Chaos das Ganze Thema Zughörigkeit als Außenseiter, bei den
Unglaublichen dann
Blöde Superhelden, die sind nie für mich da und
Daaaaaaaad, ich habe auch Superkräfte, ich will auch mitkommen!). Schien alles aufgelöst, ist alles wieder da. Gut,
Die Unglaublichen 2 spielt sich handlungstechnisch da ein wenig komplexer aus und hat noch einen feministischen Subtext (Stichwort Haushalt, Arbeitsteilung), der aber auch irgendwie dazugedichtet wirkt. Bob und Helen haben als Ehepaar doch immer schon ziemlich gleichberechtigt gewirkt haben und das Rollenverständnis, zumindest in meiner Erinnerung, nie prominent Thema war. Kurz: Es läuft auf das typische "Ha, da sieht das Alphamännchen mal, wie anstrengend Hausarbeit ist!" hinaus. Ohne dass es für diesen Konflikt einen großartigen Build-Up gab.
Dieser Konflikt läuft übrigens so nebenbei und hat keinerlei Verbindung zum Antagonisten der Hauptgeschichte, der leider auch blass bleibt und im Grunde eine ganz ähnliche Motivation hat wie der Bösewicht im ersten Teil. Oh, über einfache Verneinung, sogar ziemlich vorhersehbar ist. Der Antagonist betritt zum ersten Mal den Raum und ich wusste: Das ist der Antagonist. Der Film ist durch die ganze Zerfaserung (das waren nämlich noch nicht alle Konflikte, oh nein... Violetta hat auch noch einen Teenage-Angst-Konflikt am Start) auch nicht in der Lage, irgendeinen Charakter wirklich wachsen zu lassen (Violetta vielleicht ein winziges Bisschen, aber auch meilenweit vorbei an der Haupthandlung).
Daumen hoch gibt's hingegen für die Action, die mir schon im ersten Teil am Besten gefallen hat und schön zeigt, wie man sowas macht, ohne dass der Zuschauer vor lauter Wackelbild nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht. Aber gut, Animation hat da ja auch den Vorteil. Aber so gesehen... war okay, der Film. Bin froh, dass ich da nicht im Kino war.
Und bin noch froher, dass ich
Spider-Man: Into the Spider-Verse (warum auch immer der im Deutschen wieder einen anderen englischen Untertitel hat als im Englischen... kann mir das wer erklären?) im Kino gesehen habe. Mann, ich hatte große Freude an dem Film. Er hat einen wahnsinnig coolen Look (der leider nicht in aller Stringenz durchgezogen wurde... das war aber nicht immer schlimm, die ersten 10 Minuten, wo sich alle Figuren sehr abgehackt bewegen, also minimalen Frame-Skip haben, hat nicht viel für den Film getan... dafür aber Tiefenunschärfe als Bewegungsunschärfe statt mit dem Weichzeichner umgesetzt, stylo!). Dazu dann eine No-Bullshit-Dimensionsportal-Handlung linear durchgezogen und ein paar nette Gags. Hier hat die Selbstreferenzialität auch wirklich gut in die Geschichte reingespielt, weil es ja eben um den Clash verschiedener Spider-Man-Interpretationen ging – und damit eben auch auf die Meta-Ebene des Spiderman-Fandoms verwies.
(Und kurzes Schmankerl für die Aufmerksamen: Ich bin ziemlich sicher, dass Tante May und Doc Oc eigentlich befreundet sind...)
Also, das ist eine Empfehlung, seht ihn euch an! Wenn er den Oscar bekäme, käme ich ganz gut damit klar.
Noch viel lieber wäre mir natürlich, dass
Isle of Dogs die Trophäe erhielte. Ich meine, boah,
Isle of Dogs, Wahnsinn! Streng genommen ist das der Einzige Animationsfilm in der Reihe mit einem echten Subtext. Der Film ist eine echte Analogie. Ja gut,
Spider-Verse hat "Glaube an dich selbst!" und "Leute, seid nicht solche Kanon-Nazis, alle Spidermänner sind doch cool!"... aber das ist ein Subtext, der schon tief verwurzelt im eigenen Franchise bleibt.
Isle of Dogs hat dagegen wirklich was zu sagen:
Es geht um einen japanischen Bürgermeister, der Katzen liebt und alle Hunde daher auf eine Müllinsel vor der Küste verbannt. Streicht das! Eigentlich geht es um populistische Regierungen, die die Massen über Medienpropaganda manipulieren, dass sie bestimmte Volksgruppen aus ihrer Gesellschaft ausgrenzen, bis schließlich sogar die Wissenschaft, die die Argumente für diese Ablehnung entkräftet, selbst als Feind angesehen wird. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma, sind die jungen Generationen, die ohne diese Vorurteile aufgewachsen sind und sich noch dagegen wehren können.
Und ja, das alles wird über Stop-Motion-Hunde erzählt, die geschliffene Wes-Anderson-Dialoge vortragen, und durch eine mit Motiven aus Post-Apokalypse-Filmen, japanischem Puppentheater und "Dem Kleinen Prinzen" angereicherte Müllwelt spazieren. Also, ein Animationsfilm mit einer echten Message. Mit tollen Figuren. Und die Animation war auch ganz nett, besonders die Kombination aus 2D- und Stop-Motion. Aber... eben auch nicht weltbewegend... hier sind die Spinnen etwas vor den Hunden.
Aber unabhängig davon ist von den gesehenen "Isle of Dogs" mein ganz eindeutiger Favorit für den Oscar. Der Film hat sogar Charakterentwicklung. Und lachen musste ich auch, mehr als bei den anderen Filmen. Also, Knallerfilm, Megaempfehlung!