Gestern Abend habe ich Contagion gesehen (ich war aus unerfindlichen Gründen in der Stimmung dazu ). Der Film ist toll inszeniert. Er erzählt sehr nüchtern den Ablauf einer tödlichen Virus-Pandemie. Die hochkarätig besetzten Schauspieler gehen allesamt in ihren Rollen auf und ich habe sie sehr schnell nicht mehr als Matt Damon oder Kate Winslet sondern als Mitch Emhoff oder Dr. Erin Mears gesehen.
Die Schlussszene, die den Ursprung des Virus erklärt, tut dem Film aber überhaupt nicht gut. Darin wird gezeigt, wie der Baum einer Fledermaus durch einen Bagger umgewälzt wird. Die Fledermaus lässt dann ein Stück Banane über eine Schweinefarm fallen. Von dieser Schweinefarm stammt ein Ferkel, das in einem Casino in Hong Kong zubereitet wird. Über die Hände des Kochs gelangt der Virus an die erste infizierte Person, ausgerechnet eine hochrangige Beschäftigte des Produzenten der Bagger. Das ist in meinen Augen eine plumpe "Mutter-Natur-wehrt-sich-gegen-den-pösen-Menschen"-Szene und zutiefst inhuman. Es wird eine gewisse Rechtfertigung geschaffen für einen Virus, der Millionen Menschen dahinrafft. Wenn ich mir dann anschaue, dass beim jetzigen Corona-Virus die Sozialdarwinisten bereits aus ihren Löchern gekrochen sind, und entweder den Tod von alten Leuten für total natürlich, angebracht und sogar für gut halten oder behaupten, die Menschheit habe diese Krise verdient, dann bekommt diese Szene für mich einen noch faderen Beigeschmack.
Der Film war bei mir bisher unter dem Radar geblieben, und das obwohl ich eigentlich ein Soderberghfan bin. Ich fand den Film
nicht schlecht, allerdings war Outbreak insgesamt doch besser. Was die Schlussszene angeht, so wird hier ja nur Patient 0
gezeigt: Ein Koch - mit einer erschreckend verschmutzten Schürze -, der sich gerade mit dem betreffenden Spanferkel
beschäftigt. Obwohl Gwyneth Paltrow sofort am Anfang des Films stirbt, fand ich ihre Szenen äußerst stark, da hier,
im Gegensatz zu Matt Damon, ein äußerst lebensfroher Mensch gezeigt wird. Nun will ich Matt nicht zu nahe treten,
aber sein Charakter war so normal und vernünftig, dass er einfach eintönig bis langweilig rüberkommen mußte - das
war mit Sicherheit auch so gewollt. Nicht falsch verstehen, ich fand Damon völlig ok, aber er konnte gegen einen
Casinobesuch in Macao mit anschließendem Fremdgehen in Chicago halt nicht anstinken.
Alles in allem ein recht guter Film, der einen lehrt, dass kleine Dinge eine große Wirkung haben können und dass man sich
besser nicht beim Küchenpersonal für das gute Essen bedankt, sondern lieber sofort ordentlich mit Trinkgeld um sich schmeißt.
Ob die Allegorie jetzt sonderlich subtil war was den Konzern angeht, weiß ich nicht, aber es ging halt wohl darum, die
Banalität des Ansteckungsweges zu zeigen; nicht zuletzt spielen beim Coronavirus ja Fledermäuse auch eine Rolle, und zwar
im Zusammenhang mit der in China recht beliebten Fledermaussuppe. Das konnte Steven Soderbergh damals natürlich nicht
wissen, aber offenbar sind Fledermäuse in Asien regelmäßig Wirtstiere für Viren, die auch dem Menschen gefährlich werden können.