The Professor verdient einen Nachruf. Ja, ich kannte ihn gut, diesen Professor (oder sollte ich sagen, den werten Richard... hmmm, vielleicht passt die deutsche Übertragung „The Professor“ für einen Film, der eigentlich „Richard Says Goodbye“ heißt, besser auf die Kondolenzkarte, was weiß ich...)
Naja, wie gesagt, ich kannte ihn gut. Hatte ja oft genug das Vergnügen. Johnny Depp spielt da diese bürgerliche Akademiker-Version von sich selbst, mit viel schweifender Nachdenklichkeit. Die Diagnose Krebs im Endstadium wirft unseren Englischprofessor so aus der Bahn, dass er punktum nicht mehr den Rest seiner kostbaren Tage im Alltagstrott verbringen will. Stattdessen flucht er viel, trinkt noch mehr und hat Sex mit jederfrau (und in einer Szene auch jedermann, eine seltsame Szene, die aber voll auf Linie mit dem verkrampften Verständnis ist, das der Film von Homosexualität hat).
Aber klar doch, bevor der gute Richard unter der Erde ist, will der der Nachwelt noch etwas mitgeben. Das tut er, indem er im Klassenraum in bester Keating-Manier den Lehrplan zum Teufel jagt und seine Studenten einfach lange Referate zu dicker Weltliteratur halten lässt (als ob Literaturwissenschaftliche Seminare nicht ohnehin hauptsächlich so ablaufen würden). Aber Obacht, darum geht es ja nur oberflächlich. Was er eigentlich sagen möchte (und das sagt er, ausführlich), ist, dass es im Leben darum geht sich nicht unterbuttern zu lassen. Dass man der Welt den eigenen Stempel aufdrückt und die irdischen Freuden in vollen Zügen genießt. Wahrhaftig leben sollen sie, dem Richard seine Studenten. Das Mark des Lebens in sich aufsaugen. Rosenknospen pflücken, solange es geht.
Oder war das aus einem anderen Film?
Auch egal: Jedenfalls platzt Richy Dead -2-Soon am Ende vor versammelter Fakultät raus, dass er bald sterben wird und gibt auch bei der Gelegenheit zu Protokoll, dass er seine Frau liebt und seinem besten Freund dankbar ist... ach, man möchte Johnny durch die powerlockigen Haare wuscheln, ob so viel rühriger Ehrlichkeit.
Sterben tut der gute Richard natürlich dann im Einklang mit sich und der Welt. Endlich hat er Gottes großen Witz verstanden. Und so bilden die beiden besten Shots, eine Vogelperspektiven-Totale relativ am Anfang, wo Gott in Gestalt eines Schwans über ihn lacht, und eine nächtliche Landstraße, wo es umgekehrt ist, einen passenden Rahmen für diesen Film. Was sich in den vielen Leibwand-Minuten dazwischen abspielt, ist auf banale Weise schon einmal dagesessen. Die ganze „Totkrank? Gott sei Dank!“-Story habe ich schon tausend mal in ähnlicher Form oder auch in besserer Form gesehen. Allerdings, das muss ich zugestehen, noch nie in so kreuzbraver, sehnsuchtsvoll den „alten, weißen Mann“ zelebrierender Gestalt (hey, der Professor schafft es sogar seine kampffeministische Studentin davon zu überzeugen, dass „Moby Dick“ ein guter Roman ist... man muss es eben nur wollen.)
Manche Dinge kommen einem doch ein bisschen zu bekannt vor.