Ich lese halt bei den Tarantino-Verteidigern zwischen den Zeilen immer "Du/Ihr verstehst ihn einfach nicht, das ist zu hoch für dich/euch. Pöbel!". Ich fand schon im Deutschunterricht, dass zu viel Interpretation nur beweist, was man sich alles einreden kann. Nicht, dass der Autor das alles auch tatsächlich gemeint hat.
Naja, und wir als Autoren der obigen Beiträge schreiben genau das halt nicht. Wir schreiben nicht "Du verstehst das einfach nicht! Pöbel!". Das interpretierst du in den Raum zwischen den Zeilen hinein. Und man kann viel in alles hineininterpretieren.
Insofern gebe ich dir Recht, dass der Deutschunterricht da ein wenig angestaubt ist und im Sinne der germanistischen Forschung (ich hab den Kram studiert, also nehme ich mir das Urteil jetzt mal heraus, lasse mich dafür aber auch gerne kritisieren) auch überhaupt nicht mehr zeitgemäß. "Was will der Autor uns damit sagen?" ist eigentlich eine furchtbar oberflächliche Frage, die man an einen Text stellen kann. Ich persönlich suche lieber nach Motiven und Rückbezügen auf Genres, andere Texte, universelle menschliche Themen, aktuelle Diskurse, etc.
Und ich weiß auch sehr wohl, dass ein Text (Film, Videospiel...) im Grunde ein Akt der Kommunikation ist. Da zählt nicht nur der Sender, sondern auch der Empfänger der Botschaft. Bedeutung ist immer auch von dem abhängig ist, was ich als Konsument in den Text mit hineintrage. Ich verstehe zum Beispiel die Faszination hinter "Dr. Who" nicht. Mir ist völlig schleierhaft, warum da irgendwer drauf steht. Ich find's doof, von vorne bis hinten. Und doch glaube ich, dass es trotzdem irgendwo ziemlich genial sein muss, dass es irgendwo einen Nerv trifft. Es begegnet uns ja quasi überall und ich kann was zu Dr. Who sagen, ohne es überhaupt gesehen zu haben, weil Elemente von Dr. Who in vielen anderen Filmen, Serien und Videospielen auftauchen. Dr. Who ist Teil der Popkultur und einflussreich. Und das ist die Frage, die ich mir stelle: Ist ein Autor, Film, etc. einflussreich? Und warum ist er das? Welche Elemente tragen sich weiter? Welche Elemente werden verworfen?
Tarantino
ist einflussreich. Er wird kopiert. Er hat Dinge neue Perspektiven ins Kino gebracht. Muss man ihn deshalb mögen? Nein.
Was mich betrifft: Ich glaube es gibt kein "du verstehst das einfach nicht" in Diskussionen über Kunst. Denn jeder trägt Teile seiner eigenen Bedeutung in etwas rein. Nicht die ganze Bedeutung: Wenn ich sage in "Forrest Gump" ginge es um ein 12-jähriges Mädchen, das mit ihrem Hund durch die Zeit reist und ich fand den Film dümmlich, weil ich keine Zeitreisegeschichten mag, dann ist das falsch, weil der Film das nun wirklich nicht hergibt.
Wenn du aber sagst, du magst Tarantino nicht wegen der übertriebenen, absurden und unlogischen Geschichten, die er erzählt: Ja, dann go for it! Du hast Tarantino verstanden. Du hast genau festgestellt, was Tarantino mit seinen Filmen ausdrücken will. Und das sagt dir nicht zu. Mir sagt es zu, weil für mich "logische Geschichte" keine Kategorie ist, nach der ich Tarantino bewerte. Mir geht's da um völlig andere Aspekte seiner Filme. Du verstehst Tarantino, und nicht grundsätzlich viel anders als wir. Eigentlich verstehst du ihn schon deshalb, weil er so gut darin ist, auszudrücken, worum's ihm geht. Und wir können dem, worum's ihm geht, halt mehr abgewinnen als du.
Das ist alles.
Ansonsten was tartex sagt: Das meine ich auch mit "Man trägt eigene Bedeutungen in etwas hinein."