Ich mach das mal in der Reihenfolge wie mir die Beiträge ins Auge Fallen:
@Teylen:
Selbst wenn Fiktion von Rollenspiel erschaffen wuerde, und selbst wenn sie einen kuenstlerischen Wert haette wuerde es nicht folgern das Rollenspiel eine Kunst(form) ist.
Naja, das hab ich aber auch nie geschrieben. Lies doch nochmals den Eingangspost: Meine These ist, daß Rollenspiel ein Medium ist, mit dem man vielleicht Kunst schaffen
kann. Und ich habe explizit gesagt, daß Rollenspiel per se keine Kunst ist. Analogie: Schreiben. Niemand wird bezweifeln, daß man schreibend Kunst schaffen kann (Beispiele: Shakespeare, Goethe, Rushdie und beliebig viele weitere Autoren). Aber ebenso wird ja wohl niemand behaupten, daß jedes geschriebene Wort gleich Kunst ist.
Nun und just als These, wuerde jemand Rollenspiel unter der Praemisse eines kuenstlerischen Schaffungsvorgang betreiben, so waere es kein Spiel und erst Recht kein, Rollenspiel mehr.
Wieso "erst Recht"?
Damit sagst Du: Spiel kann keine Kunst sein, und Rollenspiel erst recht nicht.
Aber wieso solle Spiel keine Kunst sein können? Und wieso besonders Rollenspiel nicht?
Du sagst, Kunst muss für einen gewissen Zeitrahmen beständig sein. Das ist RSP doch - nämlich für die Dauer der Durchführung. Wie Performance Art auch. Und wieso sollte etwas nach außen hin abfallen? Wenn Kunst dadurch definiert wird, daß es ein Publikum gibt: Im RSP sind die Spieler auch gleichzeitig Publikum.
Nein, die sind am Rollenspiel beteiligt.
Wenn man beim Jazz eine Jam Session hat sind die einzelnen Beteiligten auch nicht Beobachter / Rezipienten des gesamten.
Was? Aber natürlich. Wenn ich jamme, dann bin ich gleichzeitig auch Publikum. Natürlich kann man gleichzeitig Sender und Empfänger sein - immerhin sind da ja auch noch andere beteiligt.
Was genau hat dieser Einwurf mit meinem Gegenbeispiel zu tun? Ich verstehe dich da gerade nicht, sorry *ernstmein*
Er bezieht sich hierauf:
Gegenbeispiel: Jemand war in einen schrecklichen Unfall entwickelt (furchtbares Ereignis) und erinnert sich fortbleibend daran...wird der Unfall dadurch zur Kunst...wenn der Unfall dir zu Zufallsbehaftet ist, nehmen wir einen Amokläufer, der in einigen Leuten ein Trauma auslöst....hat der Amokläufer damt Kunst geschaffen? Ich denke nicht (und ich hoffe, das dies auch fast alle anderen so sehen), insofern sind die Erinnerungen einer RPG Gruppe für mich eben auch Erinnerungen an ein Ereignis, aber aben keine Kunst.
Du sagst "nicht alles, was nur als Erinnerungen bleibt ist Kunst, deshalb ist nichts, was nur als Erinnerung bleibt Kunst". Die gleiche Argumentation kann man aber auch auf "dingliche Kunst" anwenden: "Eine Straße ist etwas, was konkret gebaut wird und was man anfassen kann. Aber sie ist keine Kunst. Also ist nichts, was man anfassen kann Kunst"
Da hinkt einfach die Logik ein wenig
Rollenspiel unter der Prämisse zu betreiben "Kunst" zu machen halte ich für fragwürdig. Meines Erachtens geht nämlich genau dieser Kunstanspruch verloren, wenn bemüht versucht wird eine Sitzung zur Kunst zu machen. Ich muss da unweigerlich an pseudo-philosophische Emo-Vampire-Sitzungen denken, die ja soooo hohe Erzählkunst sind.
Guter Einwand. Dieses Eindrucks kann ich mich auch oft nicht erwehren. Geht mir aber nicht nur im RSP so. Ich kenne Leute, die sich selbst als Poeten, Schriftsteller und Künstler bezeichnen, die aber einfach nur wie blasierte Möchtegerns daherkommen.
Genau. Kunst kommt von Können und nicht von künstlich.
Müsste es dann nicht "könnst" heißen?
So, und nun zu Kirilow.
Zuerst zur letzten Frage:
Was ist für Dich ein Medium und inwiefern ist Rollenspiel ein Medium?
Darauf beruht ja Deine Argumentation.
Darüber hatte ich mir an sich gar keine Gedanken gemacht, weil ich das als selbstverständlich vorausgesetzt habe. Ich machs kurz und schreibe aus
Wiki ab:
"Medium als Übermittler von Informationen: Ausgehend von der stofflich vermittelten Informationsübertragung ergibt sich eine Verallgemeinerung, bei der die stoffliche Qualität eines Mediums in den Hintergrund tritt. Ein Medium kann hier ein Kommunikationsmittel beliebiger Art zwischen Sender und Empfänger bedeuten. Dies kann beispielsweise ein Brief, das Fernsehen, das Internet oder ein Mensch sein."
Die transportierten Informationen können natürlich fiktiv sein (wie in vielen Filmen und Büchern) oder auch spontan, und gleichzeitig mit der Übermittlung erst entstehen (wie im Falle von Rollenspiel).
Wenn Du das Thema vertiefen möchtest, können wir das gern an anderer Stelle tun, für jetzt würde ich es gerne dabei belassen.
Die anderen Fragen lauteten in etwa:
1.) Welche Kriterien würde ich an eine Spielrunde anlegen, damit sie Kunst ist?
2.) Wenn ich mich an den Spieltisch setzen würde, mit dem erklärten Ziel Kunst zu schaffen - welche Auswirkungen hätte das auf meine Spielweise?
3.) Gesetzt den Fall, es stellt sich heraus, daß man mit RSP Kunst schaffen kann - wäre ich der Meinung, daß es staatliche Förderungen erhalten sollte?
ad 1.): Zunächst einmal kurz mein eigener Kunstbegriff dazu: Ich bin da recht nah bei Turning Wheel - ein wichtiges, sogar ein entscheidendes Kriterium ist die Intention des Ausführenden: Man muss Kunst schaffen
wollen um Kunst schaffen zu können. Allerdings wäre das ein notwendiges und kein hinreichendes Kriterium. Weiterhin gehört dabei für mich eine hinreichende "Schaffenshöhe" (ist das das richtige Wort?) - es muss etwas Neues geschaffen werden oder zumindest einer bekannten Sache ein neuer Aspekt, ein neuer Blickwinkel abgerungen werden. Hierzu genügt mir aber eine Neuinterpretation mit persönlicher Note (Beispiel Musik: Coverversion) oder das Hernehmen von etwas Bekanntem, um etwas Neues auszusagen.
Dazu kommt noch ein gewisses je ne sais quoi - das kann ganz unterschiedlich sein - um es von einem reinen Konsumprodukt abzuheben. Das kann ein gewisses ästhetisches Niveau sein oder eine damit verknüpfte Message oder die schiere Individualität - ist das einigermaßen verständlich?
Eine dingliche Komponente, eine Aufzeichnung, etwas haptisches ist in meinen Augen dagegen übrigens kein notwendiges Kriterium für Kunst.
Mit diesem Kunstverständnis ist Frage 1 also einfach beantwortet: Damit eine Spielrunde sich in meinen Augen als Kunst qualifiziert muss sie
a) mit der Absicht, Kunst zu schaffen gespielt werden
b) Innovation beinhalten (wirklich neue Geschichte oder zumindest neuer Aspekt bei bekannter Geschichte)
c) das "Je ne sais quoi" mitbringen, sei es in Form von herausragender Performance oder besonderer Aussage
Niemand hat je gesagt, dass es einfach ist
ad 2.)
Wenn ich mit der Intention, Kunst zu schaffen an eine Spielrunde herangehen würde, dann wäre das Ergebnis ganz einfach: Ich würde auf Krampf versuchen, den oben genannten Kriterien zu genügen und die Runde mit recht hoher Wahrscheinlichkeit an die Wand fahren.
ad 3.)
Es tut mir leid, auf diese Frage habe ich keine Antwort gefunden, da ich auch bei den bestehenden "anerkannten" Kunstformen nicht sicher bin, ob eine staatliche Förderung Sinn ergibt.
Das Problem das ich damit habe ist das folgende: Einerseits ist es wünschenswert, die Vielfalt innerhalb der Kultur zu erhalten und auch die Möglichkeit zu eröffnen, sich eben dieser Kunst voll und ganz zu widmen. Andererseits: Wo soll man da die Grenze ziehen? Welche Kunst ist es wert, gefördert zu werden und welche nicht?
Diese Seite ist zwar satirisch, aber ich kann mir nur zu gut vorstellen, daß es so etwas gibt: Leute, die sich selbst Künstler nennen, einfach um Kohle abzugreifen und sich einen faulen Lenz machen zu können. Wie will man sowas von "echten" Künstlern unterscheiden?