Ich meine die Frage durchaus ernst: Wann ist ergebnisoffen tatsächlich ergebnisoffen?
Vorab:Ich unterscheide zwischen "
freien Rollenspiel", das dem, was Jasper beschrieben hat, entspricht,
aufgabenorientierten Rollenspiel und
plotorientierten Rollenspiel.
Der Unterschied zwischen themen und plot-orientiertem Rollenspiel ist schlicht, dass beim "plotorientierten Rollenspiel" der Spielleiter sich bemüht die Handlungsentwicklung auf einem vorgefertigtem Kurs zu halten und dazu auch Werkzeuge wie "Railroading" und dergl. einsetzt, während beim aufgabenorientierten Rollenspiel nur klar festgelegt wird, was zu tun ist (Der Mörder muss entlarvt werden) - aber insofern ergebnisoffenheit besteht, dass nicht festgelegt ist, ob das passiert oder wie es dazu kommt.
Aufgabenorientiertes Rollenspiel ist insofern ein Zwischenstufe zwischen freiem Rollenspiel und plotoriertem, dass es - wie beim Plotorientierten Rollenspiel einen klaren Rahmen gibt, worum es geht, aber eben auch bedingte Ergebisoffenheit innerhalb dieses Rahmens existiert.
Zur Frage:Erebnisoffen ist ein Abenteuer dann, wenn dessen Entwicklung nicht vorgezeichnet ist.
Nehmen wir das von Dir (?) erwähnte Ermittlungsabenteuer.
"plotorientiertes Abenteuer": Charaktere kommen an einen Ort, an dem ein Verbrechen geschehen ist und müssen den Täter entlarven.
Vielleicht sind sie Zeuge des Geschehens, müssen ihre eigene Unschuld beweisen, werden beauftragt, müssen einen Verbündeten entlasten, wie auch immer - lassen wir unwichtiges mal beiseite...
Im klassischen plotorientierten Abenteuer wissen alle (Spieler und Spielleiter): "Hui, das ist jetzt das Abenteuer, darum müssen wir uns heute kümmern."
Also konzentriert sich das Rollenspiel auf die Fortentwicklung in den Ermittlungen.
Innerhalb des Spiels werden bestimmte Stationen abgelaufen, die vorherbestimmt sind, man sammelt Hinweise ein, und am Ende weiss man, wer der Täter war. Schnitzeljagd.
im Aufgabenorientierten Rollenspiel ist auch klar "Das ist jetzt das Abenteuer! Darum müssen wir uns kümmern!"
Der Spielleiter bereitet ein Verbrechen vor, das geschieht (geschehen ist, wird, wie auch immer).
Dazu braucht es einen Täter, Motive, Tatort, Tatzeit, Tathergang, wie auch immer... Der Spielleiter muss diese nicht alle im Vorfeld vorbereitet haben. Zunächst einmal ist wichtig: Am Ort X zur Zeit Y passiert grundsätzlich Z
Ergebnisoffen defniert hier, dass nicht klar ist, welche Entwicklung das Abenteuer nimmt. Klar ist aber, dass die Charaktere sich drum kümmern werden - es gibt eine klare Aufgabe, die Inhalt des Abenteuers sein wird.
Es ist allerdings unklar, ob die Charaktere erfolgreich sind, oder ob sie scheitern. Vielleicht überführen sie den Täter auch, kommen aber zu spät, denn der ist zuvor schon geflüchtet. Die Flucht ist aber keine Entscheidung aus Gründen der Dramatik oder des "den Antagonisten brauche ich später nochmal" sondern der Plausibilität - wenn es dem Täter zu heiss wird, setzt er sich ab - bzw. auch dann, wenn er andere Gründe hat.
Hinweise ergeben sich auch nicht vorgefertigt, wie bei einer Schnitzeljagd. Es gibt Zeugen, Leute mit Motiven, Tatort-Fundstücke, etc. pp.
freies RollenspielDas wichtigste, das fehlt ist das oben erwähnte Bewusstsein, dass es heute um die Auflösung des Verbrechens geht.
Der Spielleiter bereitet auch hier ein Ereignis vor, in diesem Beispiel "die Tat", die irgendwann irgendwo aus irgendeinem Grund stattfinden wird.
Wo ist das jetzt ergebnisoffener?
Vielleicht entscheiden die Charaktere, doch nicht zu Ort X zu reisen. Man erinnert sich, dass man die Motivation hatte, was ganz anderes zu machen. Folge? Die Tat findet statt... Möglicherweise reist die Gruppe später zu Ort X, dann kann sie erfahren, dass damals, als sie beinahe da vorbeigereist wäre, ein Mord geschehen ist. Der Spielleiter verlegt die Tat zeitlich nicht! Wenn die Gruppe sich dann später für eine Ermittlung entscheiden sollte, wird es eben schwerer, weil die Zeugen eben sich nicht an alles erinnern, oder die Hinweise inzwischen verloren gegangen sind.
Möglicherweise nehmen die Charaktere das auch nur als Erzählung wahr und kapieren gar nicht, dass sie darin vielleicht verwickelt worden wären.
Es spielt keine Rolle!
Vielleicht kommt die Gruppe auch früher an, als erwartet. Dann besteht die Option, dass in den Ereignisverlauf eingegriffen werden kann. Möglicherweise kann die Tat sogar verhindert werden. Oder das Motiv löst sich durch die Ankunft der SCs auf. Oder statt des ursprünglichen Opfers wird ein SCs zum Ziel. Oder die Charaktere lehnen aus guten Grund den Auftrag ab, oder, oder...
Nehmen wir an, die Charaktere kommen normal an, die Tat geschieht, die Charaktere haben die Motivation, das aufzuklären und nehmen die Ermittlungen auf. Das Abenteuer findet erstmal so seinen Lauf, wie es auch aufgaben-orientiert passiert wäre...
Wichtig wäre hier eben nur zu erwähnen, dass dies nicht forciert wird. Es spricht aber eben auch nichts dagegen, wenn das so abläuft.
Was dann?
Nun vielleicht geht alles seinen gewohnten Gang, dann wirds ein Ermittlungsabenteuer, dass sich vom Abenteuerorientiertem Spiel nicht unterscheidet.
Vielleicht (!) ereignet sich aber mitten im Geschehen auch etwas, dass die weitere Entwicklung maßgeblich beeinträchtigt.
Ein SC kommt auf den Trichter, Kontakt zum hiesigen organisierten Verbrechen aufzunehmen. Das hat zwar mit der Tat gar nichts zu schaffen, kennt den Täter auch nicht... Aber der Charakter versaut es sich völlig mit dem Big Boss der Bande und die Gruppe hat plötzlich ein ganz anderes Problem. Vielleicht wird ihnen der Boden so heiss, dass sie lieber die Gegend verlassen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Vielleicht führt das sogar dazu, dass die Stadtwache, der das Verschwinden der SCs verdächtig vorkommt, sie plötzlich verdächtigt.
In diesem Fall geht es plötzlich nicht mehr um das Verbrechen und den Täter, der entlarvt werden will.
Ein anderes Szenario wäre, dass die Charaktere einer Verschwörung gewahr werden, die mit der Tat nichts zu tun hat, aber sie haben zufällig in den falschen Ecken gegraben - jemand will den König umbringen und die Charaktere können es verhindern, aber nur, wenn sie sich unvermittelt zur Hauptstadt aufmachen - auch dann wird die Ermittlung beendet. Den Täter später zu entlarven ist eher unwahrscheinlich, die Rettung des Königs aber wichtiger...
DAS ist ergebnisoffen!Ergebnisoffen heisst nicht, dass man eine pure Simulation betreibt. Der Fokus kann sehr gut auf abenteuerliches Spiel liegen.
Ergebnisoffen bedeutet, dass alle Beteiligten (also auch die Spieler) sich bewusst sind, dass es keinen Fokus auf irgendetwas gibt, dass es zu erledigen gibt.
Es herrscht keinen Zwang, das, auf das man sich eingelassen hat, bis zum Ende durchzuspielen, ausser den, dass man es möchte UND dass nichts dagegenspricht. Gibt es wichtigeres oder interessanteres, dann gilt es, dass zu tun.
Der Spielleiter ist nicht verletzt, wenn sich die Spieler etwas anderem zuwenden. Er verschiebt auch keine Ereignisse, um sie passgenau da stattfinden zu lassen, damit das Abenteuer seinen Weg gehen kann.
Andersherum sind die Spieler aber auch nicht auf den ursprünglichen Plan verbohrt, sondern wenn sowas wie die Probleme mit der Mafia dazwischen kommen, dann reagiert man eben entsprechend. Das Abenteuer war dann im Nachhinein das "man legt sich mit der Mafia an" und nicht "man entlarvt den Täter".
Das ist alles und das ist auch absolut nichts neues.
In Bezug auf DSA: DSA hat viele viele Kaufabenteuer. Und die tun sich mit solch freiem Spiel meist äußerst schwer.
Ich vermute, dass ist auch der Grund für die Probleme, die DSA damit hat, bzw. die viele Spieler (Spielleiter) damit haben.
Denn man ist durch die Kaufabenteuer darauf trainiert, ein vorgesehenes Abenteuer zu spielen.
Es wäre nicht gerade konsumförderlich, wenn auf Seite 9 von 50 in den Meisterinfos stehen würde "sollte sich die Spielergruppe mit der hiesigen Diebesgilde anlegen, dann spielen sie dies weiter durch und vergessen Sie die verbliebenen 41 Seiten..."
Die Existenz der vielen Kaufabenteuer führt dazu, dass Spielleiter ihre eigenen Abenteuer nach ähnlichem Prinzip entwerfen.
Man orientiert sich eben nach Vorlagen.
DSA ist da durchaus kein Einzelfall. AD&D hatte mit Dragonlance und Dark Sun Settings, deren Abenteuermodule auch nicht anders konzipiert waren. Selbst das vielgerühmte Traveler hat einige Kauf-Abenteuer (zB "Argon Gambit") nach diesem Schema.
Ich persönlich bewerte das Aufgabenorientierte Spiel nicht als besser oder schlechter als das "freie Rollenspiel" ein.
Mit plotorientiertem Abenteuer kann ich aber nur dann etwas anfangen, wenn der Spielleiter so gute Darstellerische Qualitäten und eine tolle Story hat, dass ich mich quasi im Kino oder Hörbuch wiederfinde - das ist aber nur seltenst der Fall. (Kaymac fällt mir da ein)
Ich finde es aber auch nicht schlimm, wenn andere sich zu plotorientertem Rollenspiel bekennen und damit großen Spaß haben.
Ihr Ding ist dann halt nicht mein Ding. Solange jeder den anderen respektiert, ist alles okay.
Solange die Spieler sich auf das aufgabenorientierte Spiel einlassen, wissen sie ja, dass ihnen eine Aufgabe gestellt wird, die es zu bewältigen gibt und dass es nicht "vom Kurs abzuweichen" gilt. Dann weiss man auch entsprechende Hinweise vom Spielleiter zu interpretieren und spielt eben gemeinsam eine Story durch.
Wenn die Spieler freies Rollenspiel spielen, müssen sie das auch wissen. Denn dann muss man sich bewusst sein, dass es keinen vorgezeichneten Kurs gibt. Dass der Mord am Anfang nicht automatisch dazu führt, dass man am Ende einen Täter entlarven soll.
Dann weiss man eben auch Situationen einzuschätzen, dass der Ärger der Mafia eben keine Randerscheinung des Abenteuers ist, sondern dass man es sich grad böse verscherzt hat und vielleicht aufpassen und ggf. die Stadt verlassen sollte.
Wichtig ist bei beiden Spielweisen, dass alle Spieler (und SpL) wissen, worauf sie sich einlassen. Dann können sie gut unterhalten nach dem Rollenspiel nach Hause gehen.
Das freie Rollenspiel hat einen entscheidenden Faktor, den ich persönlich sehr angenehm finde:
Der Spielleiter selbst wird durch den Handlungsverlauf selbst überrascht. Er verkommt nicht zum Dienstleister, der die Story, die durchlaufen wird, vorbereitet.
Das Plot- und Aufgabenorientierte Rollenspiel hat einen wichtigen Faktor: Man kann als Verlag viele Kaufabenteuer raushauen und als Spielleiter viele Kaufabenteuer umsetzen, ohne selbst viel Arbeit zu haben.