Im autoritären Stil ist der SL kein Spieler, sondern etwas fundamental anderes, er ist fast aus dem Spiel heraus gehoben, häufig sogar über das Spiel hinaus (goldene Regel: "SL hat immer Recht"). In diesem Stil richten sich alle Regeln eigentlich nur an den SL, genauso wie alle Beiträge von Spielern nur Vorschläge für den SL sind, die er in seine Erzählung einarbeiten kann. Das ist wie eine Art Client-Server-Architektur.
...
Der gleichberechtigte Stil sieht alle Teilnehmer als Spieler denen nur unterschiedliche, frei definierbare Rollen zukommen, die auf eine Weise interagieren wie sie vom System vermittelt wird.
In diese beiden "Stile" bekomme ich aber folgendes NICHT eingeordnet:
Es gibt Spielende. Und zwar sind das ALLE in einer Spielrunde.
Diese unterscheiden sich in Spieler (meist mehrere) und Spielleiter (meist einer).
Es gibt KLARE Regeln, an die sich ALLE halten.
Dies unterscheiden sich in Regeln, die nur jemand in der Rolle des Spielers beachten kann, und Regeln, die nur jemand in der Rolle des Spielleiters beachten kann, sowie in Regeln, die für BEIDE Arten von Rollen der Spielenden gleichermaßen zu beachten sind.
Der Spielleiter spielt MIT den anderen, aber - durch seine besondere Stellung, seine besonderen Aufgabenbereiche (u.a. definiert durch die besonderen, für die Rolle des Spielleiters geltenden Regeln) - ANDERS als die Spieler.
Der Spielleiter gehört zur Gruppe der Spieler dazu, ist aber nicht TEIL der Gruppe (wie ja auch ein Gruppenleiter nicht Teil der von ihm geleiteten Gruppe ist).
Die Aufgabe eines Spielleiters ist die Aufgabe einer "Führungskraft". Motivation, Organisation, Leitung, Entscheidung, Regelung, Förderung, usw. - Der Spielleiter ERMÖGLICHT aufgrund dieser Aufgaben erst das gemeinsame Spiel der Spieler. - Gibt es keine Basis, auf der das Zusammenspiel erfolgen könnte, und gibt es niemanden, der diese Basis auch exekutiv DURCHSETZT, dann gibt es keine Fairness im Spiel und damit nur ständige Streitsituationen unter den Spielern (nicht etwa den Charakteren). "Anarchische" Gruppen funktionieren nicht. Selbst bei IDENTISCHEN Regeln für alle Beteiligten wird es den Gruppenführer geben, der in Fragen der Regelauslegung, der Anwendung, oder sonstigen strittigen Punkten als ENTSCHEIDUNGS-INSTANZ von allen akzeptiert wird. Der Spielleiter im Rollenspiel ist nichts anderes als diese Rolle in Gruppen formalisiert und als grundsätzliche Notwendigkeit für das gemeinsame Spiel präsentiert.
In dieser Rolle als Entscheidungs-Instanz gilt NICHT etwa die "Goldene Regel", denn diese stellt einen MISSBRAUCH der Rolle dar (wie ein korrupter, bestechlicher Fußballschiedsrichter einen Mißbrauch dessen Rolle als Entscheider im Spiel darstellt).
Es ist so, daß sich die Regeln zunächst einmal an ALLE Mitspielenden richten. Auch wenn es unterschiedliche Gültigkeitsbereiche für manche Regeln gibt, die sich nach der Rolle Spieler oder Spielleiter unterscheiden, so ist die Existenz dieser Regeln ALLEN BEWUSST und die Einhaltung dieser Regeln wird VON ALLEN ERWARTET. - Ein Regelbruch wird nicht nur nicht erwartet, sondern stellt den Regelbrecher außerhalb jeglicher Gruppenbeziehungen, da er die gruppenbildenden "Gesetze" verletzt. Das ist es ja auch, was die "Goldene Regel" so schlimm macht: Es ist eine UN-REGEL! Es ist ein als "Gesetz für alle in der Gruppe" formuliertes "ERMÄCHTIGUNGSGESETZ" sich GEGEN die gemeinsame Spielgrundlage zu verhalten. Das ist DESTRUKTIV für die Bindungskräfte innerhalb einer Gruppe und auch schädlich für die Beziehung des Gruppenleiters/Spielleiters zur Gruppe. Es ZERRÜTTET das Verantwortungsbewußtsein des Anwenders dieser Ermächtigungs-"Regel". Und das stellt ganz grundsätzlich eine STÖRUNG der Gruppe und damit des Spiels dar.
Ich kann daher NICHT zustimmen, daß ein Spielstil, der eine "klassische" Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten von Spielleiter und Spielern darstellt, automatisch eine "Goldene Regel" und ein "SL hat immer Recht" beinhaltet. - Das tut er nur im GESTÖRTEN Falle eines gruppenzerrüttenden Verfahrens, wo sich Einzelne über die Gruppe erheben und sie dadurch schwächen.
Ich kann weiters NICHT zustimmen, daß "alle Beiträge von Spielern nur Vorschläge für den SL sind, die er in seine Erzählung einarbeiten kann". Es GIBT KEINE "Erzählung" während des Spiels, sondern nur NACH dem Spiel. Und da ist schon JEDER Input eines Spielers "eingearbeitet". - Damit eben NICHT jeglicher Input von Spielern durch den "Filter" der Genehmigung durch den Spielleiter erfolgen kann, gibt es ja REGELN.
Regeln legen fest, unter welchen Umständen, welche Art von Input der Spieler zu FAKTEN in der Spielwelt wird. - Da sich ALLE an die Regeln halten, ist das Ergebnis einer Regelanwendung durch die Spieler BINDEND für Spieler UND Spielleiter!
Der Spielleiter spielt die Welt, die Spieler schaffen Fakten darin. - Und der Spielleiter hat diese SOFORT in seiner Weltdarstellung zu berücksichtigen. Der "Einbau" erfolgt mit Feststehen eines Würfelergebnisses UMGEHEND. - Eine "Filterung" auf "Genehmheit" ist NICHT GEGEN DIE REGELN möglich.
Es mag Regeln geben, die hier dem Spielleiter genau diese Filterung zugestehen. Das sind Regelsysteme, die eben genau diese Filter-Instanz - aus welchen Gründen des Regelsystementwicklers auch immer - vorsehen.
Aber auch da gilt: Regeln werden EINGEHALTEN. Von ALLEN!
Das Schlimme an der Goldenen Regeln ist, daß hier ein Spielleiter einem Spieler die Regelanwendung VERWEHREN kann. Damit ZERBRICHT das gemeinsame Fundament der Gruppe, auf dem sie sicher miteinander spielen kann.
Die enorm WICHTIGE, absolut GRUNDLEGENDE Funktion von Regeln und deren DURCHSETZUNG ist das bestimmende Element bei der Spieler-Spielleiter-Beziehung. - Das gilt sowohl bei maximalem "Empowerment" der Spieler, bei beschränkten Spielleiter-Resourcen, bei Erzählrechte-Regelungen, usw.