Freiheit heisst erst einmal nur die Gelegenheit willkürlich unter verschiedenen Möglichkeiten zu wählen, ohne dabei (gesellschaftlichen) Zwang ausgesetzt zu sein. Diese Freiheit endet natürlich da, wo die Freiheit des anderen beginnt. Dies gilt für beide "Seiten" am Spieltisch, denn ein Spiel kommt nur dann zustande, wenn man bereit ist einen Konsens zu finden.
Der Spieler wird Kompromisse bei der Wahl seiner Handlungen eingehen müssen, so wie der Spielleiter Kompromisse bei der Wahl der Spielweltreaktionen eingehen muss. Wenn sich eine der beiden Seiten dieser Konsenssuche verweigert, so pocht diese auf ihre Rechte (Entscheidungsfreiheit) ohne dabei Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenseite zu nehmen. Dies ist sowohl der Fall beim RR als auch bei Verweigerung der Spieler zum Spiel beizutragen.
Mit irgendeiner Einordnung auf einer Skala Erzählonkel-Sandbox oder einer absurden Vorstellung von Sachzwängen virtueller Welten hat dies dabei aber gar nichts zu tun, sondern allein mit einer naiven Vorstellung von Freiheit im gesellschaftlichen Kontext.
Da muss man erst mal wieder die ebenen auseinanderklamüsern:
Zum einen haben wir die Freiheit der realen Spieler, einen (meist impliziten) Vertrag miteinander einzugehen, bei dem wiederum alle (frei) bestimmte Verpflichtungen auf sich nehmen. Der Vertrag kann so aussehen, dass man Sandboxing betreibt, dass man brav dem Script des SL folgt oder dass jeder so spielt, wie es ihm am besten gefällt und dabei versucht, seine Vorstellungen durchzusetzen. Das freie dabei ist, dass einen niemand zwingt, diesen Vertrag einzugehen. Dabei sollte man wohl die ganze Problematik bürgerlicher Vertragsfreiheit, strukturellen gesellschaftlichen Zwang usw. außen vorlassen, denn in einer RSP-Runde ist die Vertragsfreiheit ja tatsächlich relativ idealtypisch gegeben: Es gibt kaum strukturellen Gesellschaftlichen Zwänge, die mich nötigen, einer Rollenspielrunde beizutreten, und kaum etwas, was mich daran hindert, die zu verlassen, wenn mir der Vertrag nicht mehr zusagt.
Wenn man die positive Erfahrung von Freiheit im Sinne solcher Vertragsfreiheit maximieren will, dann heißt das erstmal nur: Möglichst klar kommunizieren, wer welche Ansprüche und Erwartungen mitbringt, damit niemand den Vertrag unter falschen Prämissen eingeht und sich damit evtl. Ansprüchen unterwirft, die er überhaupt nicht erfüllen will (z.B. den Plot des SL zu bedienen, oder als SL konsequent auf das Handeln der Charaktere zu reagieren).
Das ist schön und gut, sagt aber noch absolut nichts über den Spielstil - und so, wie ich es verstehe, geht es hier doch um den. Anders ausgedrückt: Was sind die Vertragsbedingungen, die einem freien, nicht schicksalsgelenkten Handeln der Charaktere in der Sekundärwelt des RSP Vorschub leiten? Und wie wird die Freiheit dort definiert? Und dann hat das Ganze evtl. sehr wohl mit Sachzwängen in virtuellen Welten zu tun.
Die Helden antiker Sagen z.B. sind tendenziell nicht in einem bürgerlichen Sinne frei, weil das Schicksal sie lenkt - sie haben keine Kontrolle über die Folgen ihres Handelns (Ödipus WIRD seinen Vater töten, egal was er dagegen unternimmt). Der moderne Bürger versteht sich dagegen als aufgeklärter Mensch, der die Folgen seines Handelns abschätzen und in gewissem Maße kontrollieren kann (lassen wir dabei jetzt auch mal außen vor, inwieweit das nur eine hübsche Ideologie ist und ob der moderne Mensch die Folgen seines Handelns tatsächlich kontrolliert, sonst kommen wir zu weit in die Philosophie). Ich kann jetzt einen freien Gruppenvertrag für ein Spiel eingehen, in dem die Protagonisten unfrei sind, d.h. die Folgen ihres Handelns nicht beeinflussen können (der SL hat das alles vorgescriptet). Das ist okay, bedeutet aber, dass die Charaktere im Spiel unfrei sind. Oder ich kann einen Vertrag eingehen, der bestimmt, dass die Charaktere im Spiel die Folgen ihres Handelns maßgeblich beeinflussen können, also ein Spiel, in dem moderne, bürgerliche Formen von Handlungsfreiheit innerhalb der Sekundärwelt zum Tragen kommen.
Wenn man über Freiheit auf der Ebene des Gruppenvertrags redet, dann sagt man aber noch nichts über Spielstile, und ich habe den Eindruck, dass hier eben nach Spielstilen gefragt ist.