Da ist man mal einen Tag lang nicht am Rechner, und schon zoffen sich die Leute exakt am Thema dieses wunderbaren Threads vorbei. Dabei hat Jasper aus meinem letzten Post ja noch etwas sehr Sinnreiches herausgepult, was es sich vielleicht näher zu beschreiben lohnt, wenn man der Faszination auf den Grund gehen möchte, die vom alten DSA, vor allem vom Basisset ausging:
Die fehlende Geschichte. Ich habe insgesamt sicher mehrere Stunden auf das Schlachtengemälde aus Silvanas Befreiung gestarrt und mich ständig gefragt, wo diese Schlacht wohl stattgefunden hatte und wann sie geschlagen wurde. Denn es gab keine Geschichtsschreibung. In der Basis-Box gab es noch nicht einmal Andeutungen. Insofern war die Vorzeit genauso grau wie dieses Bild. Später gab es die Havena-Box, in der der erste Geschichtsabriss drin war (oder kam die Ausbau-Box zuerst? Egal). Aber diese Geschichte war noch auf die Stadt selbst begrenzt, sehr grob nur dargestellt und geheimnisvoll. Gerade auch was den Untergang der Altstadt anging, gab es viele Andeutungen, aber man verzweifelte fast, weil man keine konkreten Infos bekam.
Wäre es bei dem Geschichtsabriss aus der Ausbau-Box geblieben, hätte man das düstere, mysteriöse Gefühl noch aufrecht erhalten können. Da gab es das alte untergegangene Bosparan, Dämonenschlachten, Rohal den Weisen. Obwohl dadurch eine erste Struktur reinkam, war noch immer alles sehr lückenhaft, und es gab genug Ansatzpunkte, aber auch Freiflächen, um auf unbekannte Relikte der Vergangenheit zu stoßen.
Später wurden die Lücken nach und nach gefüllt und viele Erkenntnisse auch aus Abenteuern kanonisiert. Das Geheimnis um Kaiser Hal ist darum kein Geheimnis mehr, weil das Geheimnis offiziell ist. Und da jedermann Ypollitas Werdegang nachlesen kann, ist sie nicht mehr so fasznierend wie bei ihrem Auftritt in der Verschwörung von Gareth.
Und ich sehe das Problem nicht einmal so sehr an der Geschichte selbst, sondern daran, dass sie fest definiert ist. Kürzlich habe ich das Skaven-Buch für Warhammer gelesen, und darin stehen allein schon zweieinhalb Versionen der historischen Belagerung Middenheims durch die Skaven. Da wird dem Leser klipp und klar deutlich gemacht: Dieses Ereignis fand wohl irgendwie statt, aber wie genau, das ist uns völlig schnurz, denn dieses Ereignis war etwas Unerhörtes, um das sich Geheimnisse ranken, darum werden wir einen Teufel tun, und das Geheimnisvolle durch eine offizielle Version enträtseln.
So fühlte sich Aventurien damals an. Man wusste, es gab irgendwelche Ereignisse, aber wie die Dämonenschlacht tatsächlich aussah - who knows? Man müsste also, wenn man etwas vom alten Flair wieder retten wollte, zum Beispiel mit dem Geheimnis um Kaiser Hal Folgendes machen: nicht jedesmal darauf verweisen, in welchem Abenteuer die definitive, offizielle Enthüllung nachzuspielen ist, sondern Gerüchte streuen, Varianten der "Wahrheit" verbreiten, das Geheimnis also weiterhin verschleiern und in Rätsel hüllen. Es lebe die Andeutung, bei DSA1 war eben alles immer nur angedeutet, das könnte man heute genauso machen. Dem entgegen steht natürlich der Reiz, alle Informationen möglichst clever zu verzahnen, weshalb das keine Empfehlung für das Vorgehen der Redaktion sein soll. Wenn ich gerade an die geplante Schwarze-Lande-Kampagne denke, meine ich, das könnte man auch mit dem heutigen Aventurien noch machen. Wenn ich mir von der offiziellen Geschichtsschreibung nicht vorschreiben lasse, wie genau die Amazonenburg Kurkum zerstört wurde, dann kann ich daraus einen Tummelplatz nach alter Schule machen. Die SCs können darin ungeahnte Geheimnisse, Verliese, Schätze, Ungeheuer entdecken, ich kann das völlig umdichten und mich dennoch innerhalb des Metaplots bewegen, denn ich rühre ja nicht an der Tatsache, dass die Burg von Borbarads Horden vernichtet wurde. Aber ich schaffe den Flair: Sie ist untergegangen, aber niemand weiß, wie genau das geschah. Oder ist das vielleicht nur ein Gerücht, und in Wahrheit lebt die Königin noch? Ha, sie wurde entführt und mit einem Dämon verheiratet! Oder sie ist endlich mit ihrem heimlichen Geliebten Borbarad vereinigt, nachdem sie ihre lästigen Schwestern losgeworden ist. Alles Gerüchte, es hilft nichts, die Helden müssen dorthin, wenn sie die Wahrheit herausfinden wollen. Und die muss nicht dem Abenteuer entsprechen, in dem man das "nachspielen" kann. Wieso auch, juckt doch keinen mehr. Die Schwarzen Lande sind in einem schrecklichen Krieg gegen Dämonen und Untote entstanden. Punkt. Das reicht erst mal.
So viel zu meinem "Geschichtsexkurs". Ich finde übrigens diese Theriak-Nadeln oder wie die Dinger in Gloranas Reich heißen, cool und auch ein bisschen SF, zumal da auch so ein trashiges Sklavenhaltermotiv mit reinspielt. Ich vermute, auf das bezog sich der Verweis auf "Winternacht", oder?