Autor Thema: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?  (Gelesen 1581 mal)

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Offline Zornhau

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Ich bin ja, was das Thema "Player Empowerment" anbetrifft, KEIN Freund dieser "Kampf-Rhetorik.

"Player Empowerment" ist so eine Art Revolutions- und Widerstands-Parole, als ob die Spieler unter einem Unterdrückerregime geknechtet würden, und sich nur nach der Freiheit zum Atmen sehnten, die ihnen durch die bösen Spielleiter genommen würde.

Das ist es, was für MICH bei dem PE-Begriff mitschwingt, und weshalb ich ihn auch immer als "ideologisch" betrachte.

Nun ist es aus meiner "old school"-igen Sicht auch so, daß die Spieler ja SEIT EH UND JE "ermächtigt" sind. - Sie sind es, die unter Einhaltung der Spielregeln die Spielwelt des Spielleiters nach Belieben (und den Regelmechaniken) ÄNDERN können.

Was auch immer sich ein Spielleiter überlegt haben mag, schafft ein Spieler nach den Regeln eine Änderung, dann wird diese FAKT in der Spielwelt. - Das kann auch der per Messerwurf getötete Gute König Auftragsbert sein, der eigentlich als ständiger Auftragsszenario-Lieferant für die SCs hätte herhalten sollen.

Die Spieler HABEN ja schon MACHT.

Die Macht FAKTEN zu schaffen. Fakten in der Welt des Spielleiters. Fakten, die der Spielleiter OHNE "VETO-RECHT" akzeptieren MUSS! (Zumindest ist das nach "old school"-iger Spielweise so der Fall, da hier der Spielleiter KEINE "Geschichte erzählen" will, sondern nur die Welt und ihre Interaktionen mit den SCs spielen will.)

Daher halte ich im Bereich dessen, was ich so als "normales Rollenspiel" kenne, die Forderungen nach mehr "Player Empowerment" für völlig sinnlos und unbegründet.



Kommen wir mal zu HeroQuest. - HeroWars und HeroQuest 1 waren beides Rollenspiele, die sich - Vorsicht! Jargon! - als "narrativ" bezeichneten. - Was auch immer die Autoren dieser Regelbände unter "narrativ" verstanden haben mögen, meine Erfahrung mit beiden ist, daß sie sich spielen wie NORMALE Rollenspiele.

Es gibt eine übliche Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung zwischen Spielleiter als Führer einer Gruppe von Spielenden und Spieler der Spielwelt insgesamt (abzüglich der SCs) und Spielern, die einen eigenen, geschützten Zuständigkeitsbereich haben, ihre Charaktere.

Die INNERE PLAUSIBILITÄT der Spielwelt (bei HW/HQ war das immer Glorantha) wird zu KEINEM Zeitpunkt in Frage gestellt. Die Widerstände, gegen die gewürfelt wird, ergeben sich aus den SPIELWELT-INTERNEN Verhältnissen. - Drama-Überlegungen finden NICHT IM GERINGSTEN bei der Bemessung der konkreten Widerstände einer konkreten Handlung statt!

Eine Mauer ist so und so schwer zu erklettern. Das ist sie heute, und morgen, und das ist sie unabhängig davon, ob sie zu Beginn einer Spielsitzung oder gegen Ende erklettert werden soll.

Erzählerische Überlegungen werden in diesen beiden Regelsystemen genau wie in jedem anderen "nicht-narrativen" Rollenspiel vorgenommen: Stärkere Gegner gegen Ende als "Boss-Gegner", "Aufwärm-Konflikte" zum Einfinden in den Charakter und die Welt am Anfang, usw.

Die DRAMATURGIE dessen, was konkret gespielt wird, wird aber NICHT betrachtet. - Es wird KEINE BEWUSSTE STEUERUNG entlang eines gewünschten Handlungsbogens oder auch nur eines abstrakteren Pass-Fail-Zickzack-Kurses vorgenommen!


HQ2.0 macht alles das ANDERS.

Hier soll, laut Auskunft und Willen der Entwickler das "Narrative" im Vordergrund stehen.

Daher wird NICHTS mehr mit Spielwerten versehen, die irgendwelche spielwelt-internen Verhältnisse, irgendetwas Plausibles, irgendetwas Glaubhaftes darstellen sollen, sondern die Spielwerte, und damit die EIGENSCHAFTEN der Dinge, die an sich eigentlich statisch sein sollten, um als Welt glaubhaft zu sein, sind ALLEIN DRAMATURGISCHEN ÜBERLEGUNGEN unterworfen.

Dieselbe Mauer IST schwieriger, wenn sie am Ende der Spielsitzung zu erklettern ist. Die Mauer IST leichter, wenn der Charakter im Pass-Fail-Zyklus vorher zu oft Fail-Resultate eingefahren hat, und er jetzt langsam mal wieder ein Pass-Resultat bekommen soll.

Dieses BRECHEN DER NATURGESETZE macht in meinen Augen die Spielwelt UNGLAUBWÜRDIG.

Wenn ein Apfel bei Szenario-Beginn noch vom Ast zu Boden fällt, dann ERWARTE ich, daß er dies auch am Ende der Spielsitzung noch tut. - Doch das ist bei HQ2.0 eben nicht sicher.

ALLE Spielwerte-Festlegungen durch den Spielleiter erfolgen nach "dramaturgischen" Gesichtspunkten für die "bessere Story". - Die Mittel, die ihm an die Hand gegeben werden, zielen alle darauf ab, daß er alles nach freiem Gutdünken zurechtbiegen kann, solange es eine "gute Story (tm)" gibt.

Nur die Spielwerte der SPIELERCHARAKTERE NICHT!

Diese sind gegeneinander und gegen den Rest des Regelsystems HART balanciert. Hier werden begrenzte Punkte-Resourcen, Resourcen-Kosten, und eben viele Würfelwürfe gegen immer GLEICHE Schwierigkeiten umgesetzt.

Eine Mauer ÄNDERT ihren Widerstand gegen das Erklettern mit dem Verlauf des Handlungsbogens. Ein Charakter kann aber IMMER GLEICH GUT Klettern, egal ob er sich über den Verlauf des Handlungsbogens "charakterlich weiterentwickelt" haben mag, oder nicht.

Die Spieler sind somit in ihrer, nach Old-School-"Werten" NOTWENDIGEN und WICHTIGEN, Fähigkeit FAKTEN in der Spielwelt zu schaffen, ENTMACHTET. - Sie sind die einzigen, die sich vollständig an die Regeln halten müssen. Der Spielleiter kann und SOLL die Spieler BESCHEISSEN (tatsächlich steht eine direkte Aufforderung dazu im Buch!) und er kann seine Welt jederzeit nach Gutdünken gegen die Änderungswünsche der Spieler via ihrer SCs ABHÄRTEN!

So kann er den Widerstand gegen den Messerwurf auf den König ins Astronomische hochschnellen lassen. Der Spieler wird zwar noch würfeln dürfen, aber er macht dem König bestenfalls einen Kratzer ins Hermelin-Cape, wenn der Spielleiter einfach seinen "OVERRIDE" durch Widerstandsfestsetzung verwendet.

Wozu dann ÜBERHAUPT NOCH WÜRFELN?

Wenn es eh EGAL ist, wie gut der Charakter ist (das ist ja statisch und steht fest auf dem Charakterbogen), da sich die Welt NICHT VERLÄSSLICH verhält, sondern einer charakter- und spielwelt-EXTERNEN "Logik" gehorcht!

Der Spielleiter "nimmt und gibt". - Es wird zwar in den Kapiteln zum Spielleiten"Erzählen" betont, daß der Spielleiter doch bitte seinen Spielern auch mal zuhören sollte und deren Wünsche einbeziehen sollte. - Aber das ist bei HQ 2.0 ja sogar NOCH ÄRMLICHER als ähnliche Tipps in uralten D&D-Versionen (und dort war es ja schon immer SELBSTVERSTÄNDLICH, daß man KOOPERATIV spielt).


Ich habe den Eindruck, daß mit der Änderung weg vom mehr die inneren Verhältnisse der Spielwelt abbildenden HQ1 bei HQ2 ein radikaler Schritt nur zur HÄLFTE ausgeführt wurde.

Wenn man schon das DRAMA als das Maß ALLER Dinge auf die Fahnen der neuen HQ2-Regeln stellt, dann aber bitteschön auch unter Einflußnahme der SPIELER auf die Dramaturgie!

Und hier kommt das Thema "Spielerermächtigung" für mich tatsächlich BEGRÜNDET auf: Warum soll NUR und EINZIG UND ALLEIN der Spielleiter ALLE GEWALT über das Drama in HQ2.0 haben?

Das ist der klassische "Alleinerzähler". Der "Erzählonkel", bei dem man NICHT würfeln wird, weil er KEIN SPIEL SPIELT!

Wenn aber Würfelmechaniken vorgesehen sind, dann bitteschön auch so, daß sie NICHT SCHON VON VORNEHEREIN ENTWERTET werden! - Das ist aber bei HQ2 durch die dramaturgiebestimmte Widerstandsfestlegung der Fall!


Hier nun meine Frage an alle, die sich mit HQ2.0 befaßt haben: Sehe ich dieses Problem zu überzogen? Braucht es KEINE Spielerermächtigung bei HQ2.0? Falls keine, warum? Wie spielt Ihr HQ2.0, daß die Spieler sich nicht "gespielt" vorkommen?

So wenig ich explizite Regelungen für "Player Empowerment" generell für notwendig oder erstrebenswert halte, bei HQ 2.0 würde ich mir so etwas WÜNSCHEN, weil es den vorgenommenen Schritt zum "Erzählspiel" nur halblebig gegangen ist.



Über die Diskussionen im Fate-Unterforum kam mir beim Wiederlesen der HQ 2.0 Regeln der Gedanke, wie HQ 2.0 wohl wäre, wenn es MEHR Spielereinflußmöglichkeiten gäbe und der Spielleiter in seinem "Narrativen Despotismus" irgendwie reglementiert wäre.

Offline Horatio

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #1 am: 22.03.2010 | 18:30 »
Hm, leider kenn ich das System nicht, aber was du da schreibst klingt tatsächlich, je nachdem welche Intention man den Autoren unterstellt, bizarr oder inkonsequent.

Ich nehme mal an, dass ich zu wenig von dem System weiß, um die Zusammenhänge bewerten zu können, aber so wie es beschrieben wurde, wirkt das auf mich wie eine Mechanik um die Story / den Plot vor den Spielern zu „beschützen“. Naja wie heißt es so schön, wenn der eigene Plot so gut ist, das Spielerinput ihn nur ruinieren kann, dann sollte man Bücher schreiben ;D.

Allerdings sehe ich darin notwendigerweise keine Zerstörung der Spielweltplausibilität. Was regeltechnisch passiert und wie sich das im Vorstellungsraum auswirkt sind zwei Dinge. Wenn mein Wurf sagt ich bin ausgewichen, dann kann ich mich abgeduckt haben, zurückgesprungen sein, vielleicht bin ich sogar gestolpert und nur durch Zufall dem Faustschlag entkommen. Es könnte sogar einer der namenlosen Gäste der Taverne in mich reingestolpert sein und mich aus dem Weg gestoßen haben.

Wenn nun mein begnadeter Messerwerfer auf den König ein Messer wirft und das geht schief, gibt es jede Menge Möglichkeiten das so zu Beschreiben, dass mein Messerwerfer weiterhin kompetent wirkt. Fairerweise kümmens sich da viele Filme auch nicht drum^^. Wenn ich da an eine Menge schlechter Mantel und Degen Filme denke, in denen die Schurken nicht mehr richtig fechten können, sobald der Held seine Waffe verliert.. :P.

Natürlich ist damit alles taktisches Planen dahin und was dem Spieler bleibt ist sich am Plot-Sightseeing zu ergötzen und falls der SL / die Gruppe dies zulässt, die "vorgegebenen" Ausgänge der Proben, zu beschreiben. Insofern würde mich interessieren, wie weit ein solcher Ansatz von Hero Quest unterstützt wird.

Solange da das Pacing stimmt (oder man durch schnelles Handeln als Spieler selbst darauf Einfluss nehmen kann) und man nicht frustrierend durch einen Flaschenhals nach dem anderen muss (der erst gefunden werden will), sondern wenigstens den Weg vorgezeichnet bekommt und der SL einem nicht noch erzählt wie man auf die Geschehnisse reagieren soll, kann das auch durchaus mal Spaß machen. Meine Erfahrung ist nur, dass die meisten SLs, die so spielen, den Fokus stark auf die Story und ihre NSCs legen und am liebsten alles ignorieren was da von Spielerseite an Fluff und Farben angeboten wird.

Ehrlicherweise würde mich da einfach mal interssieren, wie das Spiel in der Praxis wirklich abläuf :P.
« Letzte Änderung: 22.03.2010 | 18:40 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
that would be revealed after the fact, not before.
- Eero Tuovinen: A Loveletter to a Story Gamer

Offline Heretic

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #2 am: 22.03.2010 | 18:31 »
Das heisst, man sollte sich möglichst von HQ2 fernhalten?
Gut zu wissen...
ErikErikson: Ich weiss immer noch nicht, wie ich meinen Speer am besten einführe.
kirilow (IRC): Ich denke mir aber, dass Du gerne ein Misanthrop wärst.
oliof (IRC): Zornhau: Ich muss gleich speien.

Offline Zornhau

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #3 am: 22.03.2010 | 19:37 »
Was mich besonders wurmt (ein paar Highlights):

Zitat
To choose a resistance, start by deciding whether you want
the odds to lean toward failure or success, and to what extent.
...
If the action attempts to leapfrog a series of interesting
obstacles to solve the main problem of the story in a
disappointingly abrupt fashion, assign a Very High Resistance.
(If they succeed, you must then find a new main problem
arising from their solution of the one you were prepared for.)
...
... look to the PCs’ current position on the
pass/fail cycle. You can do this instinctively or mechanically.
To measure instinctively, read the players’ collective mood.
Do they think they’re doing well, and starting to get cocky?
If so, hit them with a High Resistance. Do they perceive that
they’re faring poorly, and growing disheartened? Give them a
Low Resistance. Does their mood seem neutral? If so, use a
Moderate Resistance.
Es wird immer von Entscheidungen gesprochen, die auf eine Bewertung des "Emotionale Investments" der Spieler aufsetzen.

Hier ist die Frage: WIE BEWERTET man dieses "Emotionale Investment"?

Und WARUM sollte ich überhaupt als Spielleiter nach solch einer - in sich schon schwammigen! - Größe IRGENDWELCHE Entscheidungen über das Führen des aktuellen Szenarios und über die konkreten Spielwertfestlegungen treffen?

Wo ist denn überhaupt die HERAUSFORDERUNG für die Spieler, wenn ihnen ständig ihr momentanes "Lieblingsessen" SERVIERT werden soll?

Abenteuer bedeutet, daß man NICHT das bekommt, was man gerade will, sondern daß man sich allen Widerständen zum Trotz DURCHSETZT.

Wenn man nur nach maximaler Gefälligkeit die Spielwelt als "anschmiegsame Wunscherfüllungswelt" spielt, dann KANN es überhaupt KEINE Abenteuer geben! - Und zwar geht das dann ganz grundsätzlich NICHT!

Mal zum Vergleich, was eher Abenteuer hervorbringt:

... introduce the hero and swat him with a fistful of trouble.
... The hero pitches in to cope with his fistful of trouble.
... Shovel more grief onto the hero.
... Hero, being heroic, struggles, and his struggles lead up to:
... Is the hero getting it in the neck?
... Shovel the grief onto the hero.
... Hero makes some headway, and corners the villain or somebody in:
... A surprising plot twist, in which the hero preferably gets it in the neck bad,
... The hero finds himself in a hell of a fix?
... The idea is to avoid monotony.
... Shovel the difficulties more thickly upon the hero.
... Get the hero almost buried in his troubles.
... The hero extricates himself using HIS OWN SKILL, training or brawn.

Das ist der CHARAKTER. - Aber der Charakter ist ja NICHT wirklich verschieden vom SPIELER!

Das ist der große Unterschied von Rollenspielen und Geschichtenschreiberei: In der Geschichte LIEST man nur von den Abenteuern des Protagonisten und kann diese zum Teil nachempfinden, wenn man in der Geschichte "drin" ist. Im Rollenspiel IST MAN SELBST der Abenteuerer, der mit aller FINDIGKEIT und aller GEWITZTHEIT des SPIELERS SELBST versucht all die Probleme, die einem der Spielleiter ins Genick schlägt, all die Mühsal, die Gefahren, die Herausforderungen, die Schwierigkeiten, die DEM SPIELER gestellt werden, zu überwinden. - Der Charakter ist nur das Mittel der LÖSUNG dieser Herausforderungen in der Spielwelt.

Das ist so UNMITTELBAR im Erleben und im TUN, daß eben die Verwendung von literarischen "Erzählmethodiken" kaum UNGEEIGNETER sein können, um wirklich ABENTEUER im Rollenspiel erleben zu können.

Wunscherfüllungs-Erzählonkel-Stunden sind NICHT abenteuerlich, sondern betulich und uninspirierend. Nur am WIDERSTAND nicht etwa der Spielwelt, nicht etwa den Festlegungen der Spielwerte, sondern am Widerstand durch den SPIELLEITER ist das Erleben und BESTEHEN von Abenteuern möglich.

Und DAS ist eben für mich das Besondere am Rollenspiel, was mir Romane, Hörbücher, Forenrollentextweiterschreibspiele, Computerspiele NICHT geben können. - Eine Art ALLEINSTELLUNGSMERKMAL für das Pen&Paper-Rollenspiel.

Wenn ich nun von Robin Laws die lang und breit dargelegten Empfehlungen zum "Playing Stories" und "Narrating" lese, dann bekomme ich dabei, anders als bei HeroQuest 1 oder HeroWars, negative somatische Marker. Einen geradezu körperlichen WIDERWILLEN meine Spieler so OHNE SPIEL, vor allem OHNE SPIELFREIHEIT durch eine Geschichte, die gerade "nach Plan" bzw. "nach Dramaturgie" geschrieben wird, zu führen.

Die Spieler sind IN dieser Geschichte. - Aber sie erleben nicht, daß sie SELBST DIE WELT VERÄNDERN, sondern sie handeln entsprechend wie in einem Malbuch: sie füllen mit Farbe (ihren Charakteren, flotten Sprüchen usw.) die bereits VORGEZEICHNETE Form aus. Sie zeichnen KEINE EIGENEN Formen.

Mir ist das zuwenig GESTALTUNGSMÖGLICHKEIT für die Spieler.

Aus den Fate-Threads habe ich entnommen, daß hier die Spieler MEHR Gestaltungsmöglichkeiten bekommen. - Mir erscheint bei Fate der Schritt zur "Geschichtsschreibung" durch ALLE Spielenden konsequenter gegangen zu sein, als bei HQ 2.0.

Die dort vorhandene "klassische" Rechte- und Zuständigkeitsverteilung sorgt - anders als bei NICHT-"narrativer" Ausrichtung - dafür, daß ein "Erzählonkel" eine "anschmiegsame" Spielwelt darbietet und die Spieler zum Ausmalen seines dramaturgisch durchgeplanten Spannungs- und Handlungsbogens lotst.

Ich hatte mit HQ1 und HW SEHR BEFRIEDIGENDE, überraschende, abenteuerliche Spielerlebnisse - sowohl als Spieler wie als Spielleiter. - Aber bei HQ2 kommt, wann immer ich im Grundregelwerk auf diese Kapitel stoße, die ESSENTIELL aus regelmechanischer Sicht sind!, ein Widerwille auf.

Essentiell aus mechanischer Sicht, weil anders als in HQ1 keine SPIELWELT-bedingten, d.h. ABSOLUTEN Widerstände mehr festgelegt sind, gegen die die SCs würfeln sollen, sondern die Widerstände hängen in der Basis ab von der Zahl der bereits gespielten Spielsitzungen. Das legt die Grundschwierigkeit besser: den Grundwiderstand fest. Der steigt ca. jede zweite Spielsitzung an. Dieselbe Mauer wird also nach 5 Spielsitzungen spürbar schwerer zu erklimmen sein, als noch in der ersten Spielsitzung. - Über diese Basis wird dann nach dem aktuellen Stand des Pass-Fail-Cycle und unter Bewertung der Intensität des "Emotionalen Investments" der Spieler entschieden, wie stark die Basis nach oben oder unten modifiziert wird. Das ergibt dann den Wert, auf den man dann tatsächlich für den Widerstand würfelt.

Daher kann man diese Kapitel auch nicht als "Spielleitertipps-Bla-Bla" abtun. Sie enthalten den EIGENTLICHEN Crunch in HQ 2.0!

Und das macht mich gerade - mal wieder - unsicher, wie ich mich dazu motivieren soll, HQ2.0 (im Gegensatz zu HW oder HQ1) als Spielleiter anzubieten.

Offline Xemides

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #4 am: 22.03.2010 | 21:02 »
Hallo,

ich habe die HQ2-Regeln wieder beiseite gelegt, weil ich mit diesem Spielstil irgendwie nicht so recht klar kommee, bin halt mehr der Detailversessene Typ  ;)

Die Frage wäre aber mal, wie das in der Praxis umgesetzt wird, zum Beispiel in der Sartar-Kampagne, falls du die zur Hand hast.
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Offline Zornhau

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HQ2 und Sartar - Kingdom of Heroes
« Antwort #5 am: 22.03.2010 | 21:14 »
Die Frage wäre aber mal, wie das in der Praxis umgesetzt wird, zum Beispiel in der Sartar-Kampagne, falls du die zur Hand hast.
Ich habe Sartar - Kingdom of Heroes "zur Hand", dieses "Telefonbuch für Sartar".

Es ist sehr umfangreich, aber leider etwas ... seltsam organisiert.

Was auffällt gegenüber den tatsächlich "detailversessenen" Büchern zu HeroWars und zu HQ1, ist der klare Bezug auf die HQ 2.0 Regeln. Damit ist die Zeit vorbei, in welcher SETTING-FAKTEN mit FESTEN Widerstandsangaben dokumentiert wurden.

Wenn es der Pass-Fail-Zyklus und die emotionale Investition der Spieler erfordern, dann kann man Kero Fin auch so leicht erklimmen, wie seine Trittleiter zum Regale Abstauben.  *seufz*

Offline Xemides

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #6 am: 22.03.2010 | 22:04 »
Das ist wirklich echt blöd, da stimme ich dir zu. Enweder ein Berg ist schwer zu besteigen oder leicht, und nicht mal so mal so.

Merkwürdige Sichtweise, die Laws und Greg und da einreden wollen.
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Offline Zornhau

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #7 am: 22.03.2010 | 22:09 »
Das ist wirklich echt blöd, da stimme ich dir zu. Enweder ein Berg ist schwer zu besteigen oder leicht, und nicht mal so mal so.

Merkwürdige Sichtweise, die Laws und Greg und da einreden wollen.
Das soll die bessere "narrative" Unterstützung bei HQ2.0 sein.

In HQ1 war das noch nicht der Fall. Da war Kero Fin eine Herausforderung für HELDEN!

Malachit

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #8 am: 22.03.2010 | 22:36 »
Ich spiele gern mit HeroQuest 2.0, weil ich die freie Fertigkeitenwahl sehr mag. Ansonsten lass ich die Dinge einfach weg, die mir nicht gefallen. Eine merkwürdige Welt mit einem zeitweilig unterschiedlich großen Berg oder Mauer versuche ich natürlich zu vermeiden ;).

Ich hatte damit bisher keine Probleme. Proben lassen sich sehr schnell abhandeln. Warum spielt Ihr es nicht ohne den Pass-Fail-Kram? Den lass ich zum Beispiel auch weg.

HeroQuest hat generell zwei erwähnenswerte Vorteile:

1. Es skaliert gut
2. Es spielt sich sehr schön fertigkeitenbetont

Unterm Strich bin ich zufrieden. Klingt ja so, als hätte das System gar keine guten Seiten mehr?!


Edit: Zum Thema Spielerermächtigung: Bei mir können die Entscheidungen der Spieler die Welt und die Spielhandlung durchaus beeinflussen. Ich glaube auch nicht, dass Laws jemals wirklich im Sinn hatte, die Spieler auf diese Weise klein zu halten?! Dafür ließt sich das Buch zu wenig restriktiv meiner Meinung nach.
« Letzte Änderung: 22.03.2010 | 22:47 von Malachit »

Offline Zornhau

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #9 am: 22.03.2010 | 23:04 »
Warum spielt Ihr es nicht ohne den Pass-Fail-Kram? Den lass ich zum Beispiel auch weg.
Es ist ja nicht der Pass-Fail-Zyklus  allein. - So sind doch auch alle Widerstände nur abhängig von der Zahl der bisher gespielten Sitzungen und der Dramaturgie-Einstufung des Konflikts - es gibt keine FAKTEN mehr in der Spielwelt! - Bei HQ1 (kennst Du das?) war das anders. Da war die Spielwelt VERLÄSSLICH.

(Dafür hatte HQ1 andere Macken wie die Augment-Ketten.)

1. Es skaliert gut
Woran machst Du das fest?

2. Es spielt sich sehr schön fertigkeitenbetont
HQ wie auch schon HW hat ÜBERHAUPT KEINE EINZIGE "Fertigkeit". - Es spielt sich daher nur "eigenschaftsbetont", weil ALLES gleichberechtigte EIGENSCHAFTEN eines Charakters sind (nicht ganz: die Schlüsselworte sind immer noch etwas Besonderes).
Beispiele:
Fingerfertigkeit 13
Bärenstark 17
Schnelles Schlösser Knacken 19
Huch, was war denn das? 2W2

Ich würde all das oben NICHT als Fertigkeiten bezeichnen.

Edit: Zum Thema Spielerermächtigung: Bei mir können die Entscheidungen der Spieler die Welt und die Spielhandlung durchaus beeinflussen. Ich glaube auch nicht, dass Laws jemals wirklich im Sinn hatte, die Spieler auf diese Weise klein zu halten?! Dafür ließt sich das Buch zu wenig restriktiv meiner Meinung nach.
Ich finde, es liest sich DURCHAUS und klar ersichtlich RESTRIKTIV. Genau deshalb hielt es Laws auch für nötig dem Spielleiter vorzuschlagen, doch auch mal ein wenig die Ideen der Spieler aufzugreifen. Denn aus dem Regeltext ist klar, daß bei HQ 2.0 ALLE schöpferische GEWALT vom Spielleiter ausgeht.

Das ist ja der Grund, weshalb ich mir MEHR SPIELERERMÄCHTIGUNG für HQ 2.0 wünschte.

Malachit

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #10 am: 23.03.2010 | 08:47 »
Es ist ja nicht der Pass-Fail-Zyklus  allein. - So sind doch auch alle Widerstände nur abhängig von der Zahl der bisher gespielten Sitzungen und der Dramaturgie-Einstufung des Konflikts - es gibt keine FAKTEN mehr in der Spielwelt! - Bei HQ1 (kennst Du das?) war das anders. Da war die Spielwelt VERLÄSSLICH.

Wenn es so ist, dann wird die Dramaturgie laut Regelwerk überbetont, da gäbe ich Dir Recht. Diese Stelle habe ich gar nicht mehr im Kopf, kannst Du mich bitte mit Seitenzahlen hierzu versorgen? Ich kann mich allerdings im Regelteil für die Contests erinnern, dass auch hier betont wurde, dass der Spielleiter seinem eigenen Stil folgen sollte. Bevor ich mit HeroQuest 2 eine Runde beginne, überlege ich mir ein paar Eckdaten für die Widerstände der Welt (Welche Eigenschaften sind noch menschenmöglich, ab welchem Rating sollte es übermenschlich werden usw...) - je nachdem was ich für die Welt als plausibel halte.

HeroQuest 1 kannte ich leider nicht. Bin erst mit HeroQuest 2 eingestiegen. Dazu kann ich also nicht viel sagen. Eigentlich nicht das geringste  :D. Ein Bekannter sagte aber, dass er HQ2 für gelungener hält.

Zitat
Woran machst Du das fest?

Zur Eigenschaftenskalierung: Ich kann mir HeroQuest ja theoretisch bis 1W(unendlich) hochskalieren. Das ermöglicht mir, Kräfteverhältnisse sehr gut abschätzen und in einem Contest gegeneinanderlaufen zu lassen. Zum Beispiel das Verhältnis von Mensch zu Sternzerstörer zu Planet - und man könnte das sogar noch auswürfeln! Ist aber ein wahnwitziges Beispiel, klar ;).

Bei anderen Systemen ist bei einer "menschenmöglichen" Grenze oftmals Schluss, die übernatürlichen Eigenschaften/Fertigkeiten lassen sich kaum so gut abbilden, man muss ab einem gewissen Punkt eigentlich auch nicht mehr Würfeln. Bei BRP werden Fertigkeiten von über 200% meines Wissens nach nicht mehr würfelrelevant abgebildet, oder irre ich mich jetzt?

Zitat
HQ wie auch schon HW hat ÜBERHAUPT KEINE EINZIGE "Fertigkeit". - Es spielt sich daher nur "eigenschaftsbetont", weil ALLES gleichberechtigte EIGENSCHAFTEN eines Charakters sind (nicht ganz: die Schlüsselworte sind immer noch etwas Besonderes).
Beispiele:
Fingerfertigkeit 13
Bärenstark 17
Schnelles Schlösser Knacken 19
Huch, was war denn das? 2W2

Ich würde all das oben NICHT als Fertigkeiten bezeichnen.

Ok, volle Zustimmung! Eigenschaft klingt besser. Ich rate meinen Spielern zwar nicht dazu "Huch, was war das denn?" als Eigenschaft zu wählen, aber die Freiheit haben sie sicherlich. Ich mag diese Art, den Charakter in Form von Eigenschaften abzubilden. Ich kann mich besser hineinversetzen, als in ein abstraktes Attributsystem + feste Fertigkeiten. Eigenschaftenbenennung ist für mich attraktiver.

Zitat
Ich finde, es liest sich DURCHAUS und klar ersichtlich RESTRIKTIV. Genau deshalb hielt es Laws auch für nötig dem Spielleiter vorzuschlagen, doch auch mal ein wenig die Ideen der Spieler aufzugreifen. Denn aus dem Regeltext ist klar, daß bei HQ 2.0 ALLE schöpferische GEWALT vom Spielleiter ausgeht.

Das ist ja der Grund, weshalb ich mir MEHR SPIELERERMÄCHTIGUNG für HQ 2.0 wünschte.

Falls es tatsächlich so gedacht war, dass alle schöpferische Gewalt vom Spielleiter auszugehen hat, dann ist das ein Makel, ganz sicher! Ich kann Dich auf jeden Fall verstehen, wenn Du es dann als zu strikt und einschränkend empfindest. Ich würde es nicht so spielen und spiele es auch nicht so. Vielleicht sollte man Robin D. Laws im Zweifel einfach mal drauf ansprechen.

Edit: Bin ebenfalls Glorantha Neuling. Mir gefällt das neue Sartar-Kingdom of Heroes Buch ziemlich gut bisher, bin bei 2/3 des Bandes angelangt. Ich glaube zwar, dass kein totaler Rollenspielanfänger JEMALS sowas freiwillig lesen würde, aber es hat auf jeden Fall mehr Tiefgang als viele andere Quellenbücher, die ich bisher gelesen habe.
« Letzte Änderung: 23.03.2010 | 09:08 von Malachit »

Offline Roland

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #11 am: 23.03.2010 | 09:12 »
Ich würde auch andere Herangehensweise bevorzugen, Robin Laws weist aber dem SL in vielen seiner Spiele eine größere Verantwortung zu - eben tatsächlich die des Spielleiters -, und stattet in dafür auch mit größeren Kompetenzen aus.
Who knows what evil lurks in the hearts of men? The Shadow knows!

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Malachit

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Re: [HeroQuest 2.0] Zu WENIG Spielerermächtigung in HQ2.0 ?
« Antwort #12 am: 23.03.2010 | 09:34 »
Dann sollte der Spielleiter diese Kompetenzen nutzen, um betont mehr Spielerentscheidungen zuzulassen ;)

Edit:

Zitat
Es ist ja nicht der Pass-Fail-Zyklus  allein. - So sind doch auch alle Widerstände nur abhängig von der Zahl der bisher gespielten Sitzungen und der Dramaturgie-Einstufung des Konflikts - es gibt keine FAKTEN mehr in der Spielwelt! - Bei HQ1 (kennst Du das?) war das anders. Da war die Spielwelt VERLÄSSLICH.

Ich hab mir die betreffenden Kapitel eben nochmal durchgelesen. Hier soll dem Spielleiter lediglich ein Leitfaden gegeben werden, wann er Spannung einsetzen und abklingen lassen soll. Es geht nach meinem Verständnis nicht um die selbe Mauer, die man immer wieder in unterschiedlichen Schwierigkeiten überwinden soll, sondern um gänzlich neue, aber anspruchsvollere Situationen.

Genau so ist das auch beim Pass-Fail-Cycle gemeint: Es geht nicht darum, mal eine leichtere, mal eine schwierigere Probe für die selbe Sache anzusetzen, sondern die neuen, völlig unterschiedlichen Herausforderungen der Erfahrung und dem Können des Helden entsprechend zu gestalten. Es meint ganz einfach: Wenn die Helden nur Misserfolge erleben, dann gib ihnen auch mal Gelegenheit, Erfolgserlebnisse zu haben. Es soll ja Spaß machen.

Es sind eher Ratschläge, die für viele Spielleiter teilweise schon zu selbstverständlich sind, um sie zu erwähnen.

 
« Letzte Änderung: 23.03.2010 | 17:48 von Malachit »